03.02.2015 | Verein

„Wir gehen unseren eigenen Weg“

Dirk Kall bilanziert sein erstes Jahr als Vorstandsvorsitzender

Seit genau einem Jahr ist Dirk Kall Vorstandsvorsitzender der Fortuna. Ereignisreiche zwölf Monate liegen hinter ihm und dem Verein. Im großen Interview mit www.f95.de bilanziert Kall sein erstes Jahr bei der Fortuna, spricht aber gleichermaßen auch über die kurz- und mittelfristigen Ziele, die seine Vorstandskollegen und er gemeinsam mit dem Aufsichtsrat anstreben.

Herr Kall, Sie sind seit genau einem Jahr im Amt. Wie fällt Ihre Bilanz aus?

Unter dem Strich bin ich mit der Entwicklung der Fortuna sehr zufrieden. Zunächst ging es vor allem darum, die sportliche Situation zu stabilisieren. Parallel dazu haben wir auf Basis einer detaillierten Bestandsaufnahme mit zahlreichen Gesprächen ein Mittelfristziel aufgestellt sowie eine Strategie abgeleitet, mit der wir dieses Ziel in den nächsten Jahren erreichen wollen. Diese beinhaltet klare Vorgaben zur Entwicklung der wichtigsten Handlungsfelder des Vereins, in denen wir wachsen wollen. Das wichtigste Feld ist dabei natürlich der Sport. Mit unserer sportlichen Leitung haben wir eine klare  sportliche Philosophie, die uns eine gezielte und nachhaltige Kaderplanung ermöglicht. Ich bin der Meinung, dass die Zusammenstellung des Kaders im Sommer und die Spielweise in der Hinrunde gezeigt haben, dass wir hier auf einem guten Weg sind. Ganz bewusst ist die sportliche Philosophie aber nicht nur auf die 1. Mannschaft beschränkt, sondern umfasst auch die Teams im Nachwuchsleistungszentrum, dessen kontinuierliche Entwicklung für uns ebenfalls höchste Priorität besitzt.

Sie sind also mit dem Abschneiden im ersten Teil der Saison zufrieden?

Wenn ich auf die Hinrunde zurückschaue, haben wir uns zwei kleine Dellen genommen: Da waren die beiden Niederlagen in Würzburg und gegen Karlsruhe zu Saisonbeginn, und die beiden am Ende in Aalen und gegen Sandhausen. Aber es war wichtig, dass die Mannschaft sich jeweils selbst herausgekämpft hat und vor allem in der Partie gegen Union Berlin unbedingt den Sieg wollte. Das haben auch die Fans gespürt, deshalb gab es diese großartige Unterstützung von den Rängen. Und das ist für mich ganz wichtig: Wenn es mal spielerisch nicht so läuft, muss zumindest das Engagement, die Motivation und die Einsatzbereitschaft zu 100 Prozent stimmen und spürbar sein.

Wie sieht Ihr Ausblick auf die Rest-Rückrunde aus?

Wir haben in dieser engen Liga acht, neun Mannschaften - da will ich Nürnberg auch explizit noch mitnehmen -, die ganz oben mitspielen können. Deshalb wird es darauf ankommen, dass wir körperlich, aber auch mental topfit sind. Wenn man einmal bedenkt, dass wir als Tabellensechster aktuell nur zwei Punkte Rückstand auf den zweiten Platz haben, wird es in dieser Saison wohl bis zum 34. Spieltag spannend bleiben. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass wir mit unserer intensiven Vorbereitung so gut gerüstet sind, dass wir in der Rückrunde in der Lage sein werden, kontinuierlich zu punkten und so lange wie möglich oben dabei sind.

"Wir wollen gerüstet sein!"


Aber nicht nur im sportlichen Bereich ist in den vergangenen zwölf Monaten einiges passiert.

Infrastrukturell steht bei uns das Thema Neubau des Nachwuchsleistungszentrums in Flingern an erster Stelle. Wir stehen dazu mit der Stadt als unserem Partner in engen Gesprächen und möchten in diesem Jahr die Finanzierung so auf die Beine stellen, dass wir 2016 mit dem Bau eines Verwaltungs- und Funktionsgebäudes beginnen können. Die Weiterentwicklung und der Ausbau des NLZ ist das „Herzstück“ der angestrebten nachhaltigen sportlichen Entwicklung der Fortuna.
Außerdem sind wir weitere Wachstumsfelder wie Vermarktung, Marketing und Kommunikation angegangen. Auch auf diesen Feldern sind wir  ein Stück vorangekommen. Daneben befinden wir uns in einem stetigen Verbesserungsprozess der internen Strukturen und Abläufe, um auch in diesen Bereichen für uns großes Ziel gerüstet zu sein. Ich bin mit der bisherigen Entwicklung zufrieden, allerdings ist der vor uns liegende Weg zur Erreichung unsers Ziels noch deutlich weiter als der bisher gegangene.

Wie schwer fällt es Ihnen eigentlich als Fortuna-Fan für den Verein zu arbeiten?

Natürlich bin ich während des Spiels auch Fan. In Braunschweig beispielsweise, als wir in der letzten Minute das 1:2 hinnehmen mussten, war ich verzweifelt. Bei der Partie gegen Berlin drei Tage später war ich dagegen völlig überwältigt, als wir kurz vor Schluss den Siegtreffer erzielt haben. Ich fahre dann allerdings relativ schnell wieder herunter und überlege sachlich, was gut und was schlecht war. Denn in Braunschweig war nicht alles schlecht. Anders herum war aber auch gegen Berlin nicht alles gut. Da darf man sich dann nicht von seinen Emotionen leiten lassen.

Also ist die richtige Mischung entscheidend?

Genau, die Mischung aus Emotionalität und Rationalität macht es aus: Man kann diesen Job nicht ausüben, wenn man nicht wie ein Fan mitfiebert. Aber die viel größere Fähigkeit ist, dass man unabhängig von den Ergebnissen des Wochenendes einen kühlen Kopf bewahrt und am mittelfristigen Ziel festhält. Dann wird nach zwei Niederlagen auch nicht die ganze Strategie über den Haufen geworfen oder der Trainer in Frage gestellt. Sehr wohl versuchen wir herauszufinden, wo Probleme liegen. „Was können wir ändern?“, „Wie kommen wir aus der Situation wieder heraus?“ Das sind eben diese Fragen, die ich dann mit Oliver Reck und Helmut Schulte bespreche. Einen guten Offiziellen zeichnet meinen Vorstellungen nach aus, dass er von seiner Linie nicht abgeht, aber sehr genau versucht herauszubekommen, was positiv und was negativ ist.

Gibt es etwas, das die Fortuna von etablierten Erstligisten lernen kann - gerade von den vermeintlich kleineren Vereinen?

Ganz sicher – auch wenn ich zunächst einmal so selbstbewusst bin, dass wir als Fortuna unseren eigenen Weg gehen. Aber dennoch schauen wir uns natürlich immer an, was die anderen machen, wobei die Voraussetzungen in den Vereinen teilweise sehr unterschiedlich sind. Freiburg liegt beispielsweise in einer Region, in der es keine anderen großen Vereine und somit auch nicht so viel regionale Konkurrenz gibt. In der weiteren Umgebung von Düsseldorf gibt es dagegen ganz viele andere starke Clubs und damit eine ganz andere Konkurrenzsituation. Deshalb wäre es ein falscher Weg, andere Vereine komplett zu kopieren. Es gibt jedoch jeweils spezifische Bereiche, in denen wir uns eine ganze Menge von anderen Vereinen abschauen. So habe ich mich beispielsweise zum Thema des Nachwuchsleistungszentrums intensiv mit anderen Clubs ausgetauscht und unsere offenen Fragen mit den Lösungen der anderen Clubs verglichen. Daraus habe ich sehr viel für die Fortuna mitgenommen.

Wie möchte die Fortuna das große Ziel – ein etablierter Erstligist zu werden – erreichen?

Das Schlüsselwort ist für mich „Schaffung von Nachhaltigkeit“. Deshalb sage ich auch ganz bewusst, dass wir nicht einfach „nur“ in die Bundesliga aufsteigen, sondern uns etablieren möchten – das ist viel schwieriger, als einmal aufzusteigen. Damit wir uns aber wirklich etablieren, müssen wir schon jetzt sehr viel sähen: z.B. in die 1. Mannschaft, den Nachwuchs aber auch in die internen Strukturen und Prozesse des Vereins. Denn nur mit dieser Nachhaltigkeit, die wir mit Vorstand und Aufsichtsrat alle gemeinsam anstreben, werden wir unser Ziel erreichen. Dabei ist es enorm wichtig, dass wir unseren Fans und Partnern unsere Strategie, unseren nachhaltigen Weg näherbringen. Dann verstehen die Menschen auch, dass wir die Früchte zwar möglicherweise erst etwas später ernten, dafür die Frucht dann aber auch wirklich reif ist. Bei dem Weg dahin ist uns Transparenz sehr wichtig!

Was ist eigentlich die Fortuna? Mit welchem Slogan würden Sie den Verein beschreiben?

Die Fortuna ist kein Produkt, für das man einfach mal so einen Slogan entwickelt. Wichtig ist aber – und da sind wir aktuell dabei -, dass wir uns fragen: „Für was genau steht die Fortuna?“, „Was macht die Fortuna konkret aus und unterscheidet sie von anderen Vereinen?“. Diese Fragen haben wir uns auch bei dem letzten Fankongress mit unseren Anhängern gestellt. Denn wir möchten gemeinsam herausfinden, was unsere Mitglieder, Fans und Stadionbesucher aber auch unsere Mitarbeiter und Partner mit diesem Verein wirklich verbinden. Auf diesem Kern richten wir dann unser Auftreten nach Innen und Außen aus.


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