„Man wächst an seinen Aufgaben“
Großes Jahresabschluss-Interview mit Oliver Reck – Teil 1
Im großen Jahresabschluss-Interview blickt die Redaktion von www.f95.de zusammen mit Cheftrainer Oliver Reck auf die vergangenen zwölf Monate zurück. In dieser Zeit ist nicht nur rund um die Fortuna, sondern auch für den 49-Jährigen persönlich eine Menge passiert. Im ersten von drei Teilen spricht Reck über seine Rolle als Interimstrainer, die Erfolge in der Rückrunde der letzten Saison und seine Beförderung zum Cheftrainer.
Oliver Reck, Sie haben in Ihrer langen Fußball-Karriere schon sehr viel erlebt. War das Jahr 2014 eines der ereignisreichsten in Ihrem Leben?
Im Trainerbereich sicherlich. Denn wenn man gut ein Jahr zurückblickt, hätte damals niemand voraussagen können, dass ich jetzt hier Cheftrainer bin. Im November 2013 war ja keineswegs absehbar, dass ich einmal bei der Fortuna in dieser Funktion tätig sein werde. Deshalb kann man schon sagen, dass enorm viel passiert ist, aber andererseits prägt das einen auch. Man wächst immer an seinen Aufgaben.
Nachdem Sie zum Ende des vergangenen Jahres für drei Spiele Interimstrainer waren, mussten Sie nach der Verpflichtung von Lorenz-Günther Köstner wieder ins zweite Glied rücken. Wie haben Sie die damalige Entscheidung des Vereins aufgenommen?
Ich hatte bei der Fortuna ein halbes Jahr zuvor einen Vertrag als Torwarttrainer unterschrieben. Eigentlich war angedacht, im Team mit Mike Büskens die Fortuna mittelfristig wieder in die Bundesliga zu führen. Das war der große Gedanke. Aber dieser Traum ist leider ziemlich schnell zerplatzt. Letztendlich kam im Januar Lorenz-Günther Köstner als neuer Cheftrainer und ich übernahm wieder den Job als Torwarttrainer. Für mich war immer klar, dass ich diese Aufgabe zu jeder Zeit sehr professionell angehen werde. Ich habe mich einfach nur gefragt: Wie kann ich dem Verein - speziell den Torhütern - weiterhelfen.
Nach der Erkrankung von Köstner haben Sie nach dem Spiel gegen den FC Ingolstadt erneut das Amt des Interimstrainers übernommen. Wie schwierig war für Sie die Zeit bis zum Saisonende?
Die ganze Geschichte war natürlich alles andere als alltäglich und sicher auch nicht ganz einfach. Zunächst wusste niemand, wie es weitergeht und was in den darauffolgenden Wochen passieren wird. Aber ich denke, dass wir die für alle Beteiligten undankbare Situation gemeinsam sehr gut gelöst haben. Dass wir am Ende der Saison auch noch den sechsten Rang erreicht haben, war ein großer Verdienst vom ganzen Team.
Inwiefern hilft der Erfolg in einer solch besonderen Situation?
Gute Ergebnisse helfen immer - nicht nur im damaligen Fall, sondern jede Woche. Aber in dieser Situation war der Erfolg natürlich besonders wichtig, weil die Mannschaft in den Wochen zuvor den Stempel aufgedrückt bekommen hat, dass man aus ihr nicht mehr herausholen könnte. Am Ende war die wichtigste Erkenntnis für uns alle, dass die Mannschaft in dieser Rückserie ein anderes Gesicht und großen Charakter gezeigt hat.
Waren Sie eigentlich selbst überrascht, dass Sie mit Ihrem Team aus den letzten sechs Spielen überragende 16 Punkte holen konnten?
Nein, überrascht war ich überhaupt nicht, da ich wusste, dass man aus dieser Truppe noch einiges herauskitzeln kann. Der sechste Platz spiegelt schlussendlich nur das wider, was die Mannschaft und das gesamte Trainerteam in dieser Zeit investiert haben.
Es gab in dieser Zeit einige emotionale Spiele wie die Siege in Kaiserslautern und beim späteren Aufsteiger SC Paderborn. Was war Ihr bisher emotionalstes Spiel als Fortuna-Trainer?
Das ist schwer zu sagen, wobei das erste Spiel, in dem man die Hauptverantwortung für die Mannschaft trägt, natürlich schon etwas Besonderes ist. Zumal das auch noch auf dem Betzenberg stattgefunden hat und wir damals der totale Außenseiter waren. Da gab es sogar Journalisten, die darauf gewettet haben, wie hoch die Fortuna verliert. Und dass wir dann auswärts einen Dreier einfahren, war schon enorm. Aber auch die Partie gegen Paderborn war unglaublich, denn wir standen auch vor dem Spiel mit dem Rücken zur Wand. Hätten wir diese Begegnung verloren, wären wir ganz unten dabei gewesen. So haben wir durch den Sieg in Paderborn gezeigt, dass wir jeden Gegner schlagen können.
Nach dem versöhnlichen Abschluss wurden Sie zum heißen Kandidaten für den Posten des Cheftrainers. Wie offen wurde mit Ihnen in dieser Zeit umgegangen?
Ich war immer über die Schritte, die der Verein getätigt hat, informiert. Und es war klar, dass wir erst dann über meine Anstellung als Cheftrainer reden, wenn die Zukunft von Lorenz geklärt ist. Das war auch mir sehr wichtig, denn Lorenz hat sich nichts zu Schulden kommen lassen, sondern konnte durch eine Erkrankung seine Arbeit nicht mehr ausführen. Das kann uns allen passieren. Aber natürlich habe ich mich auch darüber gefreut, dass man mir das Vertrauen ausgesprochen hat. Es ist schließlich sehr wichtig, dass man ein gewisses Vertrauen von den verantwortlichen Personen und dem ganzem Umfeld spürt.
Auch Vorstand Sport Helmut Schulte hat sich für Sie ausgesprochen. Wie würden Sie die Zusammenarbeit mit ihm beschreiben?
Vor allem als offen und ehrlich. Wir sprechen Tag für Tag miteinander, nach jedem Training, nach jedem Spiel und dabei gehen wir sehr ehrlich miteinander um. Wir sind sehr häufig, aber nicht immer einer Meinung. Ich glaube jedoch, dass dies der Sache nur dienen kann, da jeder einen anderen Einblick und eine andere Sichtweise auf die Dinge hat. Wenn man das offen und ehrlich miteinander bespricht, sehe ich das als sehr hilfreich für die Fortuna an.
Im zweiten Teil des großen Jahresabschluss-Interviews spricht Reck über die Neuzugänge im Trainerteam und der Mannschaft, den Start in die aktuelle Saison und den Umgang mit schwierigen Situationen...