„Das hätten nicht viele so gut wie Olli hinbekommen“
Vorstand Sport Helmut Schulte blickt auf sein erstes Fortuna-Jahr zurück
Haargenau seit einem Jahr bekleidet Helmut Schulte den Posten des Vorstandes Sport von Fortuna Düsseldorf. In seiner langen Karriere im Profifußball gehört der 57-Jährige erstmals einem Vorstand an. In einem zweiteiligen Interview blickt Schulte auf sein ereignisreiches erstes Jahr bei der Fortuna zurück. Dabei spricht er u.a. über „ungewöhnliche Vorkommnisse“, das neu zusammengesetzte Trainerteam und die Suche nach neuen Spielern.
Herr Schulte, Sie bekleiden seit genau einem Jahr den Posten des Vorstands Sport von Fortuna Düsseldorf. Was für ein Resümee würden Sie nach diesen zwölf Monaten ziehen?
Als ich meinen Job bei der Fortuna angetreten habe, machte der Verein in vielen Bereichen keinen stabilen Eindruck – auch was die Mannschaft betrifft. Zudem ging es darum, den Posten des Cheftrainers neu zu besetzen. Inzwischen ist der Verein in allen Bereichen gefestigt. Das liegt zum einen am Aufsichtsrat, der auf mich im gesamten Verlauf des Jahres sehr ruhig und kompetent gewirkt hat, und zum anderen daran, dass der Verein sich dazu entschieden hat, einen hauptamtlichen Vorstandsvorsitzenden zu installieren. Das war genau die richtige Entscheidung, weil die Aufgabenbereiche so vielschichtig und umfangreich sind, dass es nur noch mit hauptamtlichen Vorstandsmitgliedern zu bewältigen ist. Das hat uns bei unserem Stabilisierungsprozess in der ersten Hälfte des Jahres sehr geholfen.
Sie sind schon sehr lange im Fußballgeschäft tätig. Liegt trotzdem eines der ereignisreichsten Jahre hinter Ihnen?
Man neigt immer dazu, die Geschehnisse in dem Verein, für den man gerade arbeitet, mit Superlativen zu belegen. Das ist natürlich so nicht richtig. Im Profifußball geht es immer hoch her. Das ist eigentlich auch gut so, weil es zeigt, dass sich sehr viele Menschen dafür interessieren. Ungewöhnlich waren in meiner Zeit bei der Fortuna drei Vorkommnisse. Ich war als Vorstand Sport noch gar nicht im Amt und war bereits daran beteiligt, einen neuen Cheftrainer zu suchen. Währenddessen wurde ich von Rapid Wien damit betraut, meinen Nachfolger zu suchen. Das war schon eine besondere Situation.
Und die beiden weiteren „ungewöhnlichen Vorkommnisse“…
…waren zum einen, dass ich von meinem Vorgänger Wolf Werner eingearbeitet wurde. Das ist positiv ungewöhnlich und hinterließ für alle Beteiligten ein sehr gutes Gefühl. Wolf Werner konnte seine Sicht der Dinge seinem Nachfolger mit auf den Weg geben. Und für mich war es die Luxussituation, dass ich jemanden an der Seite hatte, der den Verein aus dem Effeff kennt und mir in den vier Wochen der Zusammenarbeit gute und wichtige Tipps und Informationen gegeben hat. Zum anderen wurde nach drei Monaten der Cheftrainer so krank, dass man nicht wusste, wann und ob er wieder zurückkommt. In diesem Fall war es eine besondere Erfahrung für mich, mit Olli Reck zusammenzuarbeiten, weil er die Situation sehr unaufgeregt und professionell angenommen hat. Das hätten nicht viele so gut hinbekommen, wie er es gemacht hat.
„Dass die ‚Diva vom Rhein‘ launisch ist, kann man so stehen lassen“
Was können Sie mit Fortunas Spitznamen „launische Diva“ inzwischen aus nächster Nähe anfangen?
Wenn jemand einen Spitznamen bekommt – sei es eine Firma, eine Organisation, ein Mensch oder ein Verein -, ist da immer ein bisschen was Wahres dran. Dass die „Diva vom Rhein“ ein wenig launisch ist, kann man durchaus so stehen lassen. (grinst)
Sie waren schon in die Trainersuche integriert. Wie sehen Sie den Schritt, Lorenz-Günther Köstner zu verpflichten, mit ein paar Monaten Abstand?
Er hat dabei geholfen, die wackelige und fragile Situation zu stabilisieren. Und genau das war auch das Ziel. Uns war klar, dass es für uns nicht weit bis zu den Abstiegsplätzen ist und wir deshalb einen erfahrenen Trainer benötigen, der im Fußball schon alles erlebt hat. Zudem hat Lorenz-Günther Köstner in den gemeinsamen Gesprächen auf uns einen hochmotivierten Eindruck gemacht. Deshalb ist die Wahl auf ihn gefallen. Sein Hauptaugenmerk lag darauf, die in der Hinrunde anfällige Defensive zu stabilisieren. Dass das für die Zuschauer nicht immer angenehm war, liegt in der Natur der Sache, aber man muss in einer solchen Situation das Wesentliche vom Unwesentlichen unterscheiden. Als Oliver Reck nach der Erkrankung von Lorenz-Günther Köstner die Mannschaft wieder übernommen hat, konnte er auf dem guten defensiven Fundament die Offensive inspirieren. So haben wir zum Ende der Saison sehr gute Fußballspiele gezeigt.
„Es ist zu wenig gewürdigt worden, wie der Verein mit der Situation umgegangen ist“
Haben Sie in Ihrer langen Fußball-Karriere schon einmal erlebt, dass ein Cheftrainer über einen so langen Zeitraum ausfällt?
Ich persönlich habe so etwas noch nicht erlebt. Ich kann mich daran erinnern, dass Karl-Heinz Feldkamp 1988 als Trainer von Eintracht Frankfurt zwei Wochen erkrankt ist und dann ein Nachfolger vorgestellt wurde. Aber in der Form, dass man nicht weiß, wann und ob der Cheftrainer zurückkehrt, gab es das meines Wissens noch nie. Deswegen ist es viel zu wenig gewürdigt worden, wie professionell der Verein und die Beteiligten mit der besonderen Situation umgegangen ist.
Im Sommer haben Sie dann Oliver Reck zum Cheftrainer befördert – eine logische Konsequenz seiner Erfolgsserie?
Er hatte gleich zwei Mal – erst im Dezember 2013, dann im letzten Frühjahr - bewiesen, dass er die Mannschaft aus schwierigen Situationen führen kann. Natürlich ist es dann nur logisch, dass man jemanden, der den Verein und das Team sehr gut kennt, damit beauftragt, als Cheftrainer zu arbeiten. Es hat sich bis jetzt auch gezeigt, dass es die richtige Entscheidung von uns war.
Zudem kamen mit Joti Stamatopoulos ein neuer Co- und mit Simon Jentzsch ein neuer Torwart-Trainer. Wie gefällt Ihnen die Arbeit der Beiden?
Ich bin der Meinung, dass unser Trainerteam sehr gut zusammenarbeitet – dabei möchte ich aber auch Axel Dörrfuß und Axel Zehle nicht vergessen. Joti tut mit seiner Art nicht nur dem Trainerteam, sondern der gesamten Mannschaft sehr gut, weil er trotz seines jungen Alters schon sehr viel Erfahrung hat. Bei der Besetzung des Torwarttrainer-Postens war es uns sehr wichtig, jemanden mit viel Bundesliga-Erfahrung zu finden, weil zwei unserer drei Torhüter auch schon in der höchsten Spielklasse aktiv waren. So können Zweifel über Qualifikation erst gar nicht aufkommen. Ich kannte Simon Jentzsch vorher noch nicht, war aber vom ersten Tag an von ihm als Typ überzeugt. Das hat sich auch durch seine Arbeit im ersten halben Jahr bestätigt.
„Alle Neuzugänge haben schon gezeigt, dass sie uns weiterbringen“
Außerdem waren Sie im Sommer für die ersten Transfers verantwortlich. Wie zufrieden sind Sie mit Ihren Neuverpflichtungen?
Es ist sehr selten, dass man im Winter das Gefühl hat, alle haben gezeigt, dass sie uns weiterbringen können. Jede Verpflichtung hat gepasst, weil alle schon gebraucht wurden. Es gab sogar eine Partie, in der alle neun Spieler bis auf Torwart Lars Unnerstall auf dem Feld standen. Alleine das zeigt schon, dass es die richtigen Entscheidungen waren. Insgesamt können wir sehr glücklich mit unseren neuen Spielern sein. Wir haben dabei auch darauf geachtet, dass das Lokalkolorit gewahrt ist. Die meisten unserer Neuverpflichtungen haben schon in NRW gespielt oder sind hier gar aufgewachsen.
Sie stellen bei Ihrer Suche nach neuen Spielern immer klare Profile auf. Wie muss man sich diese Profil-Erstellung genau vorstellen?
Permanent findet bei uns eine Kaderanalyse statt. Der Trainer schaut Woche für Woche, welche elf Spieler am Wochenende von Beginn auflaufen dürfen. Und das Scouting, das Trainerteam und ich beobachten den Kader auf lange Sicht. Dabei stellen sich natürlich auch Fragen wie „Verlängern wir den Vertrag dieses Spielers?“ oder „Gibt es Anfragen von anderen Vereinen für diesen Spieler?“. Bei der Suche nach neuen Akteuren steht natürlich die Position im Vordergrund. Dann überlegen wir uns, was dieser Spieler für Eigenschaften mitbringen sollte. Es gibt bei uns für jede Position ein Schattenkabinett. In diesem befinden sich Spieler, die schon von uns bereits gesichtet wurden. Dann schauen wir uns an, welche dieser Spieler unseren Kader verbessern können. Anschließend beschäftige ich mich sehr intensiv mit dem Menschen, der dahinter steckt. Dabei interessieren mich sein Werdegang, sein Umfeld und seine mentale Verfassung. Schließlich treffe ich mich mit dem Spieler unter vier Augen, anschließend führt auch Olli Reck mit ihm ein Vier-Augen-Gespräch. Dann tauschen wir uns aus, ob sich unser Eindruck von dem Spieler bestätigt hat oder eben nicht.