02.04.2020 | 1. Mannschaft

„Wir alle versuchen, diese Situation zu bewältigen“

Cheftrainer Uwe Rösler im großen Interview – Teil 1

Erst wenige Monte ist Uwe Rösler Cheftrainer der Fortuna – und schon sieht er sich einer Situation ausgesetzt, die es zuvor noch nie gab. Im ersten Teil eines großen Interviews spricht Rösler über seinen persönlichen Alltag in der Phase der Selbstisolation, über die Motivation seiner Mannschaft, sich fitzuhalten, und über den Tag der Spielabsage gegen den SC Paderborn.

Herr Rösler, die wichtigste Frage zuerst – wie geht es Ihnen und Ihrer Familie?
Uns geht es gut. Wir sind alle gesund, niemand hat irgendwelche Symptome. Wir hatten zudem Glück, dass unser Sohn rechtzeitig  New York verlassen konnte und nun auch bei uns ist. Wir bleiben, soweit es geht, drinnen – nur morgens um 8:00 Uhr gehe ich joggen.

Wie sieht Ihr Alltag ansonsten aus?
Wir haben uns so gut wie möglich isoliert, um uns selbst zu schützen und niemand anderen zu gefährden. Trotzdem mache ich viel Sport – das ist für mich einfach wichtig. Ansonsten telefoniere ich viel und halte den Kontakt zu den Spielern und zum Trainerteam, das ist sehr wichtig. Ab und zu komme ich für Gespräche mit dem Vorstand auch in die Arena. Es gibt trotz allem genug zu tun.

Können Sie die aktuelle Phase nutzen, um Videoanalysen, zum Beispiel über die nächsten Gegner, zu betreiben?
Wir schauen uns tatsächlich viele Videos an, aber nicht nur von den nächsten Gegnern. Ich beobachte einige Spieler, die für die nächste Saison auf unserem Zettel stehen. Mein Co-Trainer Rob Kelly analysiert währenddessen vor allem die Spieler, die in letzter Zeit nicht so viel gespielt haben, und überlegt, wie wir noch mehr aus ihnen herausholen können. Wir verbringen die Zeit also mehr mit dem Studium der eigenen Mannschaft sowie den potentiellen Kandidaten für die nächste Saison als mit unseren Gegnern.

Gehen wir ein paar Wochen zurück: Am Freitag, 13. März, hätte die Fortuna abends eigentlich gegen den SC Paderborn spielen sollen, ehe die Partie kurzfristig abgesagt wurde. Wie haben Sie diesen Tag erlebt?
Es war surreal. Einer der Tage in meiner Laufbahn, die ich nie vergessen werden. Es war unheimlich viel los – gefühlt gab es alle 15 Minuten eine neue Meldung! Man hat den ganzen Tag über gespürt, wie sich Unsicherheit aufgebaut hat. Vor allem, als wir die Infos von den Paderbornern bekommen haben, dass zwei Spieler isoliert wurden und der Trainer krank im Bett lag. Die Mannschaft konnte sich – genau wie wir alle – nicht zu 100 Prozent aufs Spiel konzentrieren. Es war die einzig richtige Entscheidung der DFL, den Spieltag abzusagen. Das zeigt auch die Tatsache, dass Paderborns Luca Kilian wenig später positiv getestet wurde.

Stichwort DFL: Auf der Mitgliederversammlung am Dienstag wurde beschlossen, im April keine Spiele auszutragen. Der Plan sieht vor, den Spielbetrieb im Mai ohne Zuschauer wiederaufzunehmen. Wie bewerten Sie das Vorhaben?
Eine unserer größten Stärken ist unser Heimpublikum. Zuhause müssen wir punkten, um in der Bundesliga zu bleiben. Für uns ist es ein Nachteil, wenn das einfach wegfällt. Wenn uns 40.000 oder 50.000 Zuschauer unterstützen, ist das wie ein zwölfter Mann und ein Vorteil gegenüber unseren Kontrahenten – aber alle Vereine sitzen da im selben Boot. Wir müssen uns mit den Gegebenheiten abfinden und uns mental auf die Situation vorbereiten. Wenn man sich die Tabelle anschaut, müssen wir in der Lage sein, auch ohne Zuschauer im Stadion 100 Prozent abzurufen.

Haben Sie als Spieler oder Trainer schon einmal ein Spiel ohne Zuschauer erlebt?
Nur Freundschaftsspiele. Ich kann mich nicht daran erinnern, diese Situation schon in einem Pflichtspiel erlebt zu haben.

Kann es der Mannschaft helfen, vor Heimspielen im leeren Stadion zu trainieren?
Auf jeden Fall. Der Rasen wird derzeit ja bekanntlich geschont – daher können wir ihn nutzen, wenn es wieder losgeht. Je häufiger wir im leeren Stadion trainieren, desto leichter wird es für die Spieler, mit der Situation am Spieltag umzugehen.

Sprechen wir über die aktuelle Situation der Spieler. Wie bewerten Sie den Umgang der Profis mit der aktuellen Situation und dem individuellen Training zuhause?
Sie gehen sehr gut damit um. Unsere Spieler zeigen gerade einen hohen Grad an Selbstdisziplin. Alle wissen genau, dass wir physisch in einem sehr guten Zustand sein müssen, um die Chance zu haben, in der Liga zu bleiben. Dafür ist das Bewusstsein in der Mannschaft da. Das zeigen mir auch alle Daten, die ich bisher bekommen habe.

Abgesehen von Trainingsplänen: Hat das Trainerteam den Spielern Ratschläge und Hinweise für die aktuelle Situation mit auf den Weg gegeben?
Wir haben uns im Trainerteam den Kader in Gruppen aufgeteilt und stehen im permanenten Austausch mit den Spielern. Ich persönlich versuche aber auch, mit allen Spielern Kontakt zu haben. In dieser Phase zeigt sich auch, wie wichtig unser Mentaltrainer Axel Zehle für uns ist. Ich ziehe den Hut davor, wie er die Mannschaft in dieser Situation, die es noch nie zuvor gab, mental bei der Stange hält. Auch Robin Sanders und Carsten Fiedler möchte ich an dieser Stelle namentlich hervorheben. Robin erstellt den Spielern täglich wechselnde Programme, die sehr abwechslungsreich sind. Alle Fitnessbereiche werden angesprochen – Grundlagen- und Schnelligkeitsausdauer, Power und Explosivität. Carsten führt zudem die Spieler, die zuletzt verletzt waren, hervorragend an die Gruppe heran. Ich bin glücklich, mit einem so kompetenten und motivierten Staff zusammenzuarbeiten.

Die Spieler trainieren zum Teil auch auf digitalem Weg gemeinsam…
Wir haben gemeinsames Training optional angeboten und viele Spieler nehmen das in Anspruch. Ich versuche auch, viele Telefonate als Videoanruf durchzuführen. Es ist immer besser, das Gesicht und die Mimik zu sehen, um zu sehen, wie ein Spieler auf gewisse Fragen reagiert.

Abschließend: Was möchten Sie Fortuna-Fans an dieser Stelle mit auf den Weg geben?
Zuerst möchte ich die Gelegenheit nutzen, um ihnen zu sagen: Bleibt zuhause! Schützt Euch und schützt andere – und bleibt gesund! Das ist das Wichtigste. Ansonsten möchte ich ihnen versichern, dass wir alles probieren, um bestmöglich in Form zu bleiben. Wir alle versuchen gerade, diese Situation zu bewältigen. Weil es so eine Phase noch nie vorher gegeben hat, werden uns auch kleine Fehler unterlaufen. Aber im Großen und Ganzen sind wir aktuell dort, wo wir sein müssen. Es ist wichtig, dass wir die nächsten Wochen gut nutzen, bis es wieder losgeht. Wir wollen die Spieler körperlich auf das Niveau bringen, das wir brauchen, um dort weiterzumachen, wo wir gegen Mainz aufgehört haben.

Der zweite Teil des Interviews mit Uwe Rösler erscheint am Freitag.

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