Ach, wenn der Zimbo doch noch mal schießen könnte...
Zum 60. Geburtstag von Gerd Zimmermann
"Der Ball wurde von der Karlsruher Abwehr ins Mittelfeld zurückgeschlagen und hatte erhebliches Effet. Ich dachte noch, hoffentlich nimmt ihn der Gerd gut an und spielt ihn zu mir. Und dann haut er das Ding aus 35 Metern ins Karlsruher Tor. So etwas habe ich noch nicht erlebt."So lebendig beschreibt Klaus Allofs eines der beiden Traumtore, das Gerd Zimmermann am 2. Oktober 1976 gegen die Badener geschossen hatte und in seiner Biographie keine Seltenheit war.
Denn der 1,85 Meter große Vorstopper war bekannt für seine so genannten "Flattermänner" - Bälle, die Torhüter seiner Zeit fürchteten, weil sie mit bis zu 146 km/h nicht nur Rekordgeschwindigkeit erreichten, sondern durch enorm viel Drall selbst die besten Schlussleute mitunter regelrecht unbeholfen aussehen ließen. Doch das war das Markenzeichen von Gerd Zimmermann, der eigentlich aus der Defensive kommend, in seiner besten Spielzeit 1978/79 sogar 13 Treffer erzielte - ein Phänomen in vielerlei Hinsicht.
Das einzige Mittel, ihn zu stoppen, war den zweimaligen Pokalsieger gar nicht erst zum Schuss kommen zu lassen. Daher wurde er trotz seiner Stammposition in der Defensive sehr häufig regelwidrig angegangen.
Doch nicht nur spektakuläre Fernschüsse waren Zimmermanns Stärke. Denn seine Abwehraufgaben erfüllte er ebenso souverän und umsichtig, was natürlich ein hohes Maß an Kondition als auch an Konzentration erforderte. Seine Einstellung zum Sport war vorbildlich und so sagt er auch heute: "Noch so schöne Tore konnten mir und der Mannschaft nicht helfen, wenn mich der gegnerische Mittelstürmer anschließend vernascht und selbst zum Erfolg kommt." Aussagen, die einen echten Führungsspieler ausmachen, auch wenn zu seiner Zeit etliche unvergessene Akteure standen, die dieses Prädikat ebenso verdient hatten.
Jene Stärken und sein Ergeiz haben ihm dazu verholfen, dass er mit seinen Clubs nicht nur nationale Titel gewonnen hat, sondern sich auch auf der internationalen Fußballbühne behaupten konnte. Schon in seiner Juniorenzeit bestritt er fünf Spiele im Trikot der deutschen Nationalmannschaft. Der gelernte Fernmeldetechniker kickte zudem mehrmals im Dress der B-Elf und stand zweimal im Aufgebot des A-Nationalteams. Internationale Erfahrung sammelte Zimmermann, der von seinen Mannschaftskameraden, aber auch den Fans "Zimbo" gerufen wurde, auch mit der Fortuna aus Düsseldorf. So gehörte er auch zum legendären Team, das im Jahr 1979 das Endspiel des Europapokals der Pokalsieger erreicht hatte.
Unter dem damals gerade einmal 34-jährigen Trainer Hans-Dieter Tippenhauer spielten die Flingeraner die erfolgreichste Spielzeit der Vereinsgeschichte im Europapokal, so dass der Tag des Finales bis heute einer der bedeutendsten der Fortuna war. Die Flingeraner hatten damals mit Dieter Brei, Rudi Bommer, Wolfgang Seel, Gerd Zewe, sowie Klaus und Thomas Allofs - und eben auch Gerd Zimmermann - einige ambitionierte oder bereits berufene Nationalspieler in ihren Reihen. Dennoch war der FC Barcelona eine Spur zu clever, so "abgezockt", wie man heute sagen würde. So unterlagen die Rot-Weißen, die vor 10.000 mitgereisten Schlachtenbummlern eine starke Leistung abgeliefert hatten, in Basel mit 4:3 nach Verlängerung. Unglücklich, sicherlich, und nach einigen mehr als zweifelhaften Entscheidungen des Schiedsrichters, der selbst massive körperliche Attacken der Spanier gnädig übersah, wie nicht nur die lokale Presse monierte.
Noch bis kurz vor dem Abpfiff der regulären Spielzeit hatten die Rheinländer beim Stand von 2:2 Oberwasser und waren dem Pokal näher als die katalonischen Ballkünstler. "Scharfschütze" Zimmermann musste indes Ende der zweiten Halbzeit den Platz verlassen, nachdem er zuvor rüde gefoult worden war - wie aber auch Dieter Brei an diesem Tag sein faktisches Karriereende erleben musste. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Zimmermann seinen direkten Gegenspieler, den österreichischen Mittelstürmer Hans Krankl bestens unter Kontrolle. Erst nach dem erzwungenen Ausscheiden von "Zimbo" kamen die Rot-Blauen besser ins Spiel und konnten letztendlich das Match durch ein Tor des ein Jahr zuvor bei der WM zu zweifelhaftem Ruhm gelangten Krankl für sich entscheiden. Die Verletzung Zimmermanns, der von der Auswechselbank das weitere Geschehen verfolgt, wurde, wie damals üblich, erst einmal nur mit einem Eisbeutel "behandelt".
Die niederschmetternde Diagnose ergab dann nach der Rückkehr in Düsseldorf: Kreuzbandriss und Meniskusschaden. Die folgende Saison fand daraufhin praktisch ohne den schnauzbärtigen Abwehrhünen statt. Hinzu kam, dass Otto Rehhagel Trainer in der Landeshauptstadt wurde und Zimbo zu ihm, milde ausgedrückt, ein gespanntes Verhältnis hatte. "Ich war noch nie jemand, der mit seiner Meinung hinter dem Berg gehalten hat. Wir drohten damals abzusteigen, und ich habe beklagt, es würde zu wenig trainiert." So erklärt sich, dass er, der zwischen 1973 und 1979 in jedem Jahr ca. 30 Bundesliga-Einsätze aufzuweisen hatte, gerade mal in fünf Partien mitwirken durfte. Tore? Fehlanzeige! Nie wieder sollte er an seine alten Glanzzeiten anknüpfen können. So suchte Zimmermann zunächst sein Glück in Amerika, spielte - gemeinsam mit Jürgen Röber, Willi Reimann und Helmut Kremers - zunächst bei den Houston Hurricans.
Dass Rehhagel, nicht einmal einen Monat nachdem er die Rot-Weißen verlassen hatte, in Düsseldorf entlassen wurde, bewegt Zimmermann bis heute: "Das hat verdammt weh getan, denn Fortuna lag mir doch so sehr am Herzen. Doch die Weichen waren gestellt", sagt Zimmermann, der dann auch noch im kanadischen Calgary spielte, ehe er 1983 nach Deutschland zurückkehrte und bei Union Solingen noch einmal eineinhalb Jahre unter Vertrag stand. Aufgrund finanzieller Probleme bei den Bergischen ging er dorthin zurück, wo er acht Jahre zuvor hergekommen war - zur Namenscousine nach Köln.
Zimmermann war 1974 vom Bundesliga-Absteiger SC Fortuna Köln rheinabwärts gewechselt - für die seinerzeit rekordverdächtige Transfersumme von 800.000 DM. "So viel Geld wurde damals noch nie für eine Verteidiger gezahlt", bemerkte der Vater von zwei Kindern später. Oberster Übungsleiter in Düsseldorf war der legendäre Heinz Lucas, den Zimmermann bis heute für einen der besten Trainer seiner Zeit hält und dem nicht wenige nachsagen, dass er es war, der den Grundstein für die erfolgreichen Jahre gelegt hatte. In Köln beendete Zimbo Mitte der Achtziger seine aktive Karriere - in der Zweiten Bundesliga und nach nur neun Saisonspielen mit für seine Verhältnisse gerade einmal zwei Treffern.
Damit hatte sich der Kreis geschlossen, denn die ersten Partien in der Beletage des deutschen Fußballs bestritt er ebenfalls im Rheinland - bei der Borussia aus Mönchengladbach. Direkt in seiner zweiten Saison wurde er als so genannter Vertragsspieler mit den "Fohlen" sogar Deutscher Meister, was neben seinen beiden Pokalsiegen mit Düsseldorf sein größter nationaler Erfolg war, obwohl er neben den Weltmeistern Günter Netzer und Berti Vogts bei nur sechs Einsätzen eher als Ergänzungsspieler fungierte, wie er selbst sagt.
Woher aber kam seine unglaubliche Schussstärke? Er sagt, in aller Bescheidenheit, die ihn auch heute noch prägt, dass er dies schon in der Jugendzeit besonders zu trainieren versucht habe. Und gibt gleichzeitig zu, dass er mit dem linken Fuß immer etwas härter, dafür mit dem rechten eher präziser schießen konnte. Ein Umstand, den die wenigsten Gegenspieler seinerzeit einzuschätzen vermochten, sondern nur die Ergebnisse in Form von Toren zu spüren bekamen.
Die fußballerische Karriere des Gerd Zimmermann war in 203 Erst- und Zweitligapartien und 44 Toren von Höhen und Tiefen bestimmt. Als zweimaliger deutscher Pokalsieger und Vizeeuropapokalsieger ging er in die Geschichte der Fortuna ein und trug maßgeblich zu den Erfolgen der Flingeraner in den späten siebziger Jahren bei. Er gehört einer anderen Generation an, wie er findet, denn "wir haben nicht nach dem Geld geschaut - aber Fortuna war mein ein und alles." Der schussstarke Verteidiger war stets Publikumsliebling im Rheinstadion, vielleicht auch, weil man ihn als "ehrlichen Arbeiter", als einen von ihnen erkannt hatte, und noch heute hört man, spätestens wenn es einen Freistoß auszuführen gilt, manchen Fan leise seufzend im Stadion sagen: "Ach, wenn den der Zimbo schießen würde. Der wäre wohl drin!"
Fortuna Düsseldorf gratuliert Gerd "Zimbo" Zimmermann herzlich zu seinem 60. Geburtstag und wünscht ihm alles Gute mit vielen Jahren in Gesundheit und Glück.
Fotos: Horstmüller