Wie ein Champions League-Finale im Kleinen
Chefcoach Norbert Meier vor der Partie gegen Werder Bremen II
Es verspricht, das Spiel der Spiele zu werden: Die ausverkaufte Meisterschaftspartie der Fortuna gegen die Zweitvertretung von Werder Bremen. Eine Partie, bei der selbst Norbert Meier, Chefcoach der Rot-Weißen den Vergleich mit einem "Champions League-Finale im Kleinen" heranzieht.Über 50.000 Zuschauer wollen die Flingeraner siegen und nach zehn langen Jahren in die 2. Bundesliga zurückkehren sehen. Doch die hanseatischen Gäste werden sich mit aller Macht entgegenstemmen, um den Klassenerhalt aus eigener Kraft zu bewerkstelligen.
Die vergangenen Tage waren (positiv) turbulent wie seit langer Zeit nicht mehr. Nachdem sich bereits nach dem Sieg gegen Aalen rasch abzeichnete, dass der erst vor wenigen Wochen aufgestellte Ligarekord von 27.000 Zuschauern erneut gebrochen würde, nahm das Fortuna-Fieber immer mehr Überhand in der Landeshauptstadt. Bereits am Mittwochmittag vermeldeten die Verantwortlichen "Ausverkauft!" Eine wahnsinnige Euphorie macht sich breit, für die sich viele Erklärungen finden lassen. "Ich bin sicher, dass viele Menschen sehr glücklich sein werden, wenn wir es morgen schaffen", sinniert auch der Chefcoach, um eine fast poetische Ader entdecken zu lassen: "Es dürstet alle." Doch erreicht sei - leider - eben noch nichts.
Dennoch weiß der ehemalige Teamkamerad des gegnerischen Trainers Thomas Wolter - beide wurden Anfang der 1980er in Bremen Deutscher Meister - um die schwere Aufgabe, die auf seine Schutzbefohlenen zukommt. "In Bremen wird mit die beste Nachwuchsarbeit in Deutschland geleistet. Das sind junge hungrige Spieler." Gegen die die Fortunen oftmals schlecht aussahen. In 13 Spielen leisteten sich die Nordlichter nur eine einzige Niederlage - die datiert immerhin aus der letzten Saison. Doch Statistiken sollten ohnehin nur von marginaler Bedeutung sein, angesichts der aktuellen Tabellenkonstellation. Drei Mannschaften sind am letzten Spieltag noch in der Lage, den meistbegehrten Platz 2 oder zumindest den Relegationsplatz 3 in der Abschlusstabelle zu belegen. Die "Goldene Ananas" winkt hingegen dem Viertplatzierten - mit dem Saisonertrag, in die 1. Hauptrunde des DFB-Pokals einziehen zu können.
Personell hat sich die Ausgangslage gegenüber dem vergangenen Wochenende kaum verändert. Olivier Caillas, Simon Terodde und nun auch Clement Halet werden definitiv ausfallen. Ob Stürmer Ranisav Jovanovic, Kapitän Andreas Lambertz und Abwehrchef Jens Langeneke zum Einsatz kommen können, ließ der oberste Übungsleiter am Freitagnachmittag noch völlig offen: "Wir müssen abwarten." Optimismus klingt anders. Immerhin lässt Meiers Aussage, dass "alle anderen Spieler einsatzbereit sind", darauf schließen, dass mit Stephan Sieger ein weiterer Routinier zur Verfügung stehen wird, der, dank der guten medizinischen Versorgung bei der Fortuna, früher als erwartet wieder ins Geschehen eingreifen kann.
Bemerkenswert ist jetzt schon, wie die Mannschaft in den vergangenen Wochen mit den Wechselbädern der Gefühle umgegangen ist: Spätestens dem 5:5 in Braunschweig, wo der Ausgleich gegen die Fortuna kurz vor Schluss fiel, hätte sich ein moralisches Tief anschließen können. Doch die Mannschaft hatte den Glauben an sich nie aufgegeben. So geht auch Norbert Meier davon aus, dass seine Spieler mit einem positiven Grundgefühl in die Partie gehen werden. "Es ist etwas Herausragendes, vor solch einer Kulisse zu spielen. Ich gehe davon aus, dass dies ein einzigartiges Spiel wird, bei dem man auch Fehler verzeihen muss. Denn dies dürfte kaum einer der Spieler bislang je erlebt haben und wird sicherlich Stoff für Erzählungen für die Nachfahren bieten."
Dass auch die Akteure aus der zweiten Reihe unter dem Eindruck vieler Verletzungen in der jüngeren Vergangenheit ihre Tauglichkeit unter Beweis gestellt hatten, war Meier eine besondere Fußnote wert. "Die Wichtigkeit jedes einzelnen Spielers hat sich in den letzten Wochen gezeigt." Die Einsatzzeiten aller Kadermitglieder zeigen, dass dies keine Floskel Meiers war. Dennoch habe es selten eine Situation wie derzeit gegeben, wo ein Spieler "sich negativ angefasst" fühlte, wenn er nicht von Anfang an dabei ist. "Hier wollen alle nur eines: Gewinnen." Und der Teamgedanke ist es, der letztlich mit entscheiden wird.
Auch wenn Norbert Meier ein alter Hase im Fußballgeschäft ist: Eine Situation wie in dieser Spielzeit, in der am letzten Tag so viel entschieden wird, ist wohl selbst ihm noch nicht widerfahren. "Natürlich macht man sich im Laufe einer Saison seine Gedanken, wie es wäre, am letzten Spieltag noch im Geschäft zu sein." Es sei ein Resultat, das sich die Mannschaft erarbeitet habe, mit einer Ausgangesposition, "die wir vor kurzem noch nicht unbedingt erwarten konnten, und nun aus eigener Kraft gestalten können." Das Kompliment, das sich dahinter verbirgt, wird der Coach sicherlich nach erfolgreichem Abschluss in konkrete Worte fassen.
Die Vorbereitung auf das Spiel, so wichtig es sein mag, unterscheidet sich formal nicht von den 17 übrigen Heimspielen: Nach der Trainingseinheit am Freitagnachmittag, die ohne Zwischenfälle verlief, bezog das Team das Mannschaftshotel Tulip Inn Arena Düsseldorf, um dort auch die Nacht zu verbringen. Was nach dem Aufstehen folgt, sind Frühstück, Spaziergang und Teambesprechung, bevor es in die Umkleiden der LTU arena geht. Business as usual also. Mit dem kleinen Unterschied, dass eine 90-minütige Chance auf die Rückkehr in die Zweitklassigkeit winkt. Und Düsseldorf in einen kollektiven Freudentaumel versetzen wird.