„Müssen uns auf einem höheren Niveau stabilisieren“
Klaus Allofs im Interview über die Hinrunde und den Start in das neue Jahr
Für die Fortuna neigt sich ein aufregendes Jahr 2024 dem Ende entgegen. Im großen Interview mit F95TV spricht Klaus Allofs, Vorstand Sport und Kommunikation, über die abgelaufene Hinrunde, das bevorstehende Transferfenster sowie den Start in das neue Jahr.
Klaus, die Hinrunde ist Geschichte. Blicken wir zunächst zurück auf unser letztes Heimspiel gegen Magdeburg. Es war ein völlig ungewöhnliches Spiel mit einem leider sehr unbefriedigenden Ende. Hast Du diese Ereignisse schon verarbeitet?
Das Verarbeiten von guten und schlechten Ereignissen gehört zu unserem Job. Ich denke, ich habe es schon einigermaßen aufgearbeitet. Dennoch bleibt natürlich die Enttäuschung, dass wir die Chance, gegen die auswärtsstärkste Mannschaft der Liga zu gewinnen, nicht genutzt haben. Wir sind nicht gut ins Spiel gekommen, haben dann aber überzeugend gespielt und sind in Führung gegangen. Dann war es ähnlich wie im Spiel gegen Kaiserslautern, dass wir die Kontrolle verloren haben und nicht in der Lage waren, das Spiel bis zum Ende konsequent durchzuziehen.
Vielleicht auch deshalb wirkt diese Hinrunde ein wenig unvollendet. Bei mehreren der letzten Spiele hätten wir wieder Tabellenführer werden können, haben es aber am Ende nicht geschafft. Da stellt man sich als Fan die Frage: Was fehlt dieser Mannschaft?
Vielleicht vorweg: Das geht auch anderen Teams so, wie Elversberg, die als Tabellenführer nicht in der Lage waren, ihr Heimspiel zu gewinnen. Das scheint ein Merkmal dieser Liga zu sein, dass die Qualität der Teams sehr dicht beieinanderliegt und manchmal auch Kleinigkeiten ausschlaggebend sind. Mit Blick auf unsere Mannschaft ist es so, dass wir noch nicht in der Lage sind, diese Qualität, die wir in der vergangenen Saison hatten, konstant über 90 Minuten auf den Platz zu bringen. Das liegt auch daran, dass wir drei spielentscheidende Akteure verloren haben. Wenn ich an Christos Tzolis denke, der in den entscheidenden Momenten vielleicht das 3:1 gemacht hätte oder an Yannik Engelhardt und Ao Tanaka, die als Stabilisatoren im Defensivbereich sehr verlässlich gespielt haben. Es ist einfach so, dass wir diesen letzten Schritt im Moment noch nicht gehen können. Ich will hier nicht von Glück oder Pech sprechen, denn wenn so etwas öfter passiert, muss man sagen, dass uns da noch etwas fehlt. Das wird unsere Aufgabe sein, uns auf einem etwas höheren Niveau zu stabilisieren.
Daniel Thioune hat erwähnt, dass Du die Spieler vor dem Weihnachtsurlaub dazu aufgefordert hast, sich selbst zu hinterfragen und nach Steigerungspotenzial zu suchen. Was also fehlt ganz genau?
Ich denke, wenn man sich unseren Kader ansieht, hat kaum einer an seinem Limit gespielt. Meine Aufforderung war daher, die Tage zu nutzen und runterzufahren, aber sich selbst auch zu fragen, was man dafür tun kann, um der Mannschaft noch mehr zu geben. Sei es auf dem Platz oder außerhalb. Wenn wir das alle hinbekommen, können wir den nächsten Schritt machen. Es wird entscheidend darauf ankommen, wie wir uns im Laufe der Saison verbessern, sowohl individuell als auch als Mannschaft.
Du hast eingangs erwähnt, dass wir drei Unterschiedsspieler verloren haben. Jeweils aus verschiedenen Gründen, aber auch zum Wohle der Fortuna.
Ja, es ist auch kein Jammern. Natürlich, in einer idealen Welt hätte man diese Spieler behalten und darauf aufbauend die Mannschaft verstärkt. Aber die Realität bei der Fortuna ist, und so geht es vielen Zweitligisten, dass wir Transfererlöse erzielen müssen. Das ist kein Jammern, aber trotzdem eine Erklärung. Dem müssen wir uns stellen und Christian Weber und ich wissen, dass wir immer auf der Suche sein müssen nach diesen Juwelen. Wir müssen aber auch wissen, dass es ganz selten vorkommt, dass man einen solchen Spieler findet, verpflichtet und er vom ersten Tag an funktioniert. Das war bei den drei angesprochenen Spielern, die uns verlassen haben, auch nicht anders. Da hat es auch gedauert. Aber es gibt auch viele Spieler in unserem aktuellen Kader, die dieses Potenzial haben, es aber noch nicht ganz abgerufen haben.
Der Kader ist in dieser Saison deutlich breiter geworden. Aus dem kleinsten Kader der 2. Bundesliga, wie er ja gerne benannt wurde, ist ein relativ breites Aufgebot geworden. Wird der Kader eventuell wieder verschlankt?
Es ist immer schwierig, die richtig Kadergröße festzulegen. Letzte Saison war es der zu kleine Kader, der unter gewissen Umständen Probleme bereitet, gerade bei Formkrisen oder Verletzungen. Das kann dazu führen, dass man den Konkurrenzkampf nicht in dieser Form hat und man sich als Spieler sicher sein konnte, einen Platz zu haben. So ist die Hierarchie ziemlich klar. Das hat sich im letzten Jahr positiv ausgewirkt und trotzdem haben wir uns dazu entschieden, den Kader breiter aufzustellen. Das bringt aber auch das Risiko mit sich, dass es mehr unzufriedene Spieler gibt. Dann sind plötzlich Spieler gar nicht im Kader, die in der letzten Saison viele Einsätze hatten. Im Winter werden wir deshalb prüfen, wer aktuell außen vor ist, wer diese Situation annimmt und sich wieder über das Training empfehlen will oder wer vielleicht eine Veränderung anstrebt.
Der Trainer hat in einem Pressegespräch angedeutet, dass fünf Innenverteidiger möglicherweise zu viele sind.
Es ist sicherlich auch nochmal ein Unterschied, ob man mit einer Dreier- oder einer Viererkette spielt. Aber, und das können wir so offen ansprechen, das ist auch auf Jordy de Wijs gemünzt. Er war eine sehr wichtige Figur in unserem Spiel und war gerade, als es uns sehr schlecht ging, der Aggressive Leader, den wir brauchten. Er ist jetzt aber etwas hintendran und damit natürlich nicht glücklich. Auf der Position hat Tim Oberdorf eine außergewöhnliche Entwicklung gemacht, Andre Hoffmann spielt konstant, Jamil Siebert ist nach seiner Verletzung zurückgekehrt und mit Joshua Quarshie haben wir einen jungen Spieler, der auch in den Startlöchern steht. Da ist es möglich, dass Jordy die Rückrunde bei einem anderen Verein nutzen könnte, um vermehrt zu spielen.
Gilt ähnliches auch für andere Positionen? Noah Mbamba und Bayer Leverkusen könnten beispielsweise unglücklich sein, weil sie mehr erwartet haben?
Ja, wir alle, natürlich auch Noah, sind unglücklich. Er konnte bisher nicht so wie erhofft durchstarten. Da hat er auch seinen Teil dazu beigetragen und das auch verstanden, aber jetzt wieder den Anschluss zu finden, das dauert. Wir sind im Mittelfeld gut aufgestellt, was bedeutet, dass er sich gedulden muss. Da gilt es in Zusammenarbeit mit Noah und mit Bayer Leverkusen gemeinsam zu schauen, was Sinn ergibt. Ich habe ihn bei der Mitgliederversammlung als Geheimtipp bezeichnet und bleibe dabei: Er hat mit 17 Jahren schon in der Champions League gespielt. Diese Qualität muss vorhanden sein, und es wäre schade, wenn wir die Zusammenarbeit schon beenden müssten. Aber wir haben auch ein paar andere Spieler, wie Dennis Jastrzembski, der durch die Kadergröße ins Hintertreffen geraten ist, wo wir die aktuelle Situation prüfen.
Könnte es im Winter zu Verstärkungen kommen, falls Spieler den Verein verlassen?
Die Größe des Kaders erfordert nicht unbedingt, dass wir neue Spieler verpflichten. Wir sind gut aufgestellt, aber wenn sich im Rahmen unserer Möglichkeiten eine Gelegenheit bietet, die uns qualitativ weiterbringt, dann sind wir dafür offen. Ein Beispiel ist Valgeir Lunddal, der bereits zu Saisonbeginn anstatt im Winter gekommen ist. So kann es sein, dass wir Wechsel, die wir für die nächste Saison im Auge haben, schon vorziehen könnten, wenn es sich realisieren lässt.
26 Punkte haben wir in der Hinrunde geholt. Es gibt die Faustregel, dass man bei zwei Punkten pro Spiel im Aufstiegsbereich landet. Davon sind wir ein Stück weit entfernt und müssten mehr als 30 Punkte in der Rückrunde holen, um das zu erreichen. Wie realistisch ist das aus Deiner Sicht, wenn wir nach aktuellem Stand in der Rückrunde bei jedem Gegner aus den Top Ten auswärts spielen?
Ich weiß nicht, ob diese Faustregel dieses Jahr Bestand hat. Die Punkteverteilung ist sehr ausgeglichen, was es schwieriger macht, diese zwei Punkte pro Spiel zu erreichen. Daran würde ich es nicht festmachen, aber es ist richtig, dass das Programm auf den ersten Blick schwierig aussieht. Allerdings hatten wir in der Hinrunde eine gute Auswärtsbilanz, die wir beibehalten wollen. Wir wissen aber auch, dass wir unsere Heimstärke verbessern müssen, um ernsthaft ein Konkurrent um die ersten Plätze zu sein. Wenn wir diese beiden Faktoren zusammenbringen, sehe ich durchaus gute Chancen. Aber die Konkurrenz ist riesig.
Zum Abschluss ein Blick auf die Fans, die uns zu Hause und auswärts großartig unterstützt haben. Was möchtest Du ihnen für das neue Jahr mitgeben?
Es ist außergewöhnlich, wie sich unser Zuschauerschnitt entwickelt hat. Das bedeutet auch, dass, obwohl wir bisher zu Hause nicht immer den Grund geliefert hätten, trotzdem eine sehr gute Stimmung vorherrscht. Auswärts wiederholt es sich auch immer wieder, dass wir diese tolle Unterstützung haben. Wir hoffen, dass es in der Rückrunde so bleibt. Vielen Dank für diese Unterstützung und euch allen einen guten Start in das neue Jahr 2025!