16.03.2011 | 1. Mannschaft

Pokalmatadore am Anfang einer neuen Zeitrechnung?

Der MSV Duisburg im Jahr Eins nach der Ära Hellmich

Auch wenn die Zebras die anvisierte Rückkehr in die Bundesliga, die sie im Jahre 1963 mitbegründeten, bei derzeit neun Punkten Rückstand auf den Relegationsrang aller Voraussicht nach vertagen müssen - das Saisonhighlight steht an der Wedau noch bevor. Die "Zebras" scharren mit den Hufen, denn im Endspiel um den DFB-Pokal soll im vierten Anlauf gegen den FC Schalke 04 endlich der "Pott" her. Ein Erfolg im Berliner Olympiastadion könnte rund um den Verein eine Aufbruchsstimmung sondergleichen entfachen, ging Ende des vergangenen Jahres doch hier eine Ära zu Ende.

Nah am Wasser gebaut ist Walter Hellmich eigentlich nicht, er kennt sich ja schließlich auch aus mit dem Planen und Errichten. Nachdem er das elterliche Transportunternehmen im Jahre 1968 übernommen hatte, wuchs es unter seiner Führung zu einem überregional agierenden 1500-Mitarbeiter-Konzern, der sich besonders im Hoch-, Tief-, Verkehrs- und Stadionbau einen Namen machte. Und doch vergoss der rührige Geschäftsmann bittere Abschiedstränen, als er nach acht Jahren seinen Ausstieg beim Verein seines Herzens, dem MSV Duisburg, verkündete. Bereits im August 2010 war er von seinem Posten als Aufsichtsratsvorsitzender der Lizenzspielerabteilung zurückgetreten, zum Ende des Jahres schied er dann auch als MSV-Vereinspräsident aus, nachdem an der Wedau immer mal wieder sein autoritärer Führungsstil kritisiert worden war.

 

Das Vermächtnis des Walter Hellmich, der dem Verein weiterhin als potenter Sponsor Finanzmittel zuschießt, hat allerdings einen nährstoffreichen Boden für seinen Nachfolger Dieter Steffen bereitet. Mit der von Hellmich errichteten und 2004 eingeweihten Schauinsland-Reisen-Arena steht eine erstligareife Spielstätte zur Verfügung, die vor wenigen Tagen Zeuge der rauschenden Halbfinalnacht wurde, während der der MSV seinen Fans dank des 2:1 über Ligakonkurrent Cottbus den vierten Einzug ins Pokalfinale bescherte. Ob der Vereinsname erstmals in den Sockel eingraviert werden wird? Es wäre nicht weniger als die Bezwingung eines Endspielfluchs, vergleichbar dem der Düsseldorfer Fortuna vor 1979. 1966 und 1975 scheiterten die "Zebras" bereits, am nächsten dran waren sie womöglich im Jahre 1998. Der Togolese Bachirou Salou, der zu jener Zeit im Zenit seines Schaffens stand und mit seiner Geschmeidigkeit und Dynamik die Bayern vor unlösbare Rätsel stellte, brachte den MSV gegen den großen Favoriten in Führung. Der Rest der Geschichte ist traurige Folklore an der Wedau: Ausgerechnet der frühere Duisburger Michael Tarnat nahm Salou mit wortwörtlich chirurgischer Genauigkeit aus dem Spiel, das die Bayern noch zu ihren Gunsten wendeten und damit beinahe routinemäßig ihren Briefkopf erweitern durften, während dem MSV die goldene Trophäe weiter verwehrt blieb.

 

Ein Finalsieg über Schalke 04, und Duisburg würde wieder hell aufleuchten auf der Fußballlandkarte Deutschlands, so wie 1963, als die Qualifikation für die erste Saison der neugegründeten Bundesliga gelang und sogar einige Nationalspieler ihre Lohntüte auf der MSV-Geschäftsstelle abholten. Helmut Rahn zog in den Folgejahren ebenso das blau-weiß gestreifte Trikot über den Kopf wie Klublegende Bernard Dietz, der - obwohl hauptberuflich eisenharter Abwehrmann - bei der 6:3-Sternstunde gegen den FC Bayern im Jahre 1977 vier Mal einlochte und Bundesligageschichte mitschrieb. Die Partie wird heute noch als Jahrhundertspiel betrachtet. Nach 19 Jahren Zugehörigkeit zur Eliteklasse setzte man 1982 zwar zu einem Abstecher nach unten an, konnte aber den Totalabsturz vermeiden und kehrte 1991 wieder in die Beletage zurück, in der man seit jeher immer mal wieder für einige Jahre Gast war.

 

So gelang beispielsweise dem heutigen Fortuna-Coach Norbert Meier im Jahr 2005, zwei Jahre, nachdem Walter Hellmich ihn vorgestellt hatte, der Sprung ins Oberhaus. Nicht nur für Meier hat der bevorstehende Vergleich daher den Charakter eines Klassentreffens. Aus seinem Kader hat neben Christian Weber und Tiago auch Adam Bodzek bereits die Stiefel für die Meidericher geschnürt; umgekehrt stammt MSV-Angreifer Olcay Sahan, der in dieser Spielzeit groß auftrumpft, aus der Fortuna-Jugendakademie und wohnt immer noch in der Landeshauptstadt.

 

Wohin die Reise des MSV Duisburg im Jahr Eins nach Walter Hellmich derweil geht, dürfte zu einem Teil auch davon abhängen, wie man das große Endspiel um den DFB-Pokal bestreitet. Der Verein, der die Lizenz für die laufende Saison unter Auflagen erhielt, befindet sich derzeit in einer finanziellen Konsolidierungsphase und fände gewiss Verwendung für Einnahmen aus einer eventuellen Europatournee. Spielerische Substanz ist ohnehin bereits vorhanden, Trainer Milan Sasic steht eine ausgewogene Mannschaft zur Verfügung, deren routinierte Säulen (Banovic, Trojan, Baljak, Sukalo) einen talentierten Überbau (Sahan, Yilmaz, Koch) mit der notwendigen Stabilität zu stützen wissen. Wie man einen seiner eigenen Historie nicht ganz gerecht werdenden Traditionsverein flott bekommt, das weiß der Coach übrigens auch. 2008 rettete er im Verbund mit Stefan Kuntz den 1. FC Kaiserslautern zunächst vor dem drohenden Abstieg, zwei Jahre später feierte man in der Pfalz erneut - und zwar die Rückkehr der "Roten Teufel" in die Bundesliga.

bundesliga.de

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