21.09.2011 | 1. Mannschaft

Bittencourts: Glücksfall einer Familie

Der Sprössling des einstigen Lieblings verzückt Energie Cottbus

Vor über zehn Jahren schloss das Cottbuser Fußballpublikum einen kleinen Mann aus Rio de Janeiro für immer in sein Herz. Obwohl seine Torquote eher durchschnittlicher Natur war, feierte man ihn als eine Art Integrationsminister, denn Franklin Bittencourt hielt die Multi-Kulti-Truppe von Energie um die Jahrtausendwende von innen heraus zusammen. Sein Sohn Leonardo, gerade 17 Jahre alt, hat auch spielerisch das Zeug dazu.

Was haben sie ihn früher gefeiert in Cottbus! Weniger, weil er unablässig Tore schoss, das tat er zwar in gewisser Regelmäßigkeit, aber ohne ein gefürchteter Knipser zu werden. Nein, Franklin Bittencourt fühlte sich einfach wohl tief in Brandenburg, obwohl er, der in Rio de Janeiro zur Welt gekommen war, weiter von einem schönen Sandstrand entfernt war, als er sich jemals hätte träumen lassen. Es focht ihn nicht an: Anders als ungezählte Mitspieler, die zu jener Zeit selten einen deutschen Pass ihr Eigen nannten, blieb er länger als ein paar Monate. Franklin, 1998 nach sechs Jahren in Leipzig nach Cottbus weitergezogen, verstand sich als Integrationsbeauftragter. Nach dem Aufstieg 1999 schrie er per Megaphon "Ich bin ein Cottbuser!"  in die johlende Fankurve - und das meinte er so. Er half den Neuankömmlingen der Truppe, die sich zwischenzeitlich aus über zehn Nationalitäten rekrutierte, bei Behördengängen und zeigte ihnen die Stadt, selber hatte er sich in einer Wohnsiedlung niedergelassen und schnell Anschluss an die Gemeinschaft gefunden. Mitten durch ebenjene Siedlung raste sein Sohn Leonardo, mal auf dem Dreirad, mal auf seinen Füßen, "im Ronaldo-Trikot dem Ball nach", wie die Berliner Zeitung damals schrieb. Leonardo ist heute, ein gutes Jahrzehnt später, das vielleicht größte Versprechen auf die Zukunft, das Energie Cottbus zu bieten hat.

 

Mit sechs Jahren drehte er bereits Ehrenrunden im Stadion der Freundschaft, auf den Schultern seines Vaters Franklin, damals nach dem sensationellen 1:0-Triumph über die übermächtigen Großkopferten aus München - Kahn, Effenberg, wie sie alle hießen -, und wahrscheinlich saugte Leonardo seinerzeit die Begeisterung für jenen Club auf, dem sein Vater heute noch als Scout treu ist. Mittlerweile läuft Leonardo ohne seinen alten Herrn in die Kurve, und feiern lässt er sich für seine eigenen Auftritte. Seit Claus-Dieter Wollitz ihn zu Jahresbeginn mittrainieren ließ, hat sich das Talent beeindruckend entwickelt. Spätestens seit Anfang der laufenden Spielzeit ist "Leo" kaum mehr wegzudenken. Regelmäßiges Mitglied in der deutschen U 18-Auswahl war er ohnehin schon, jetzt ging es auch im Ligabetrieb mit ordentlichem Tempo bergauf. Sechs Auftritten von Beginn an folgte ein Päuschen, danach ließ Wollitz seinen pfeilschnellen Offensivmann in Braunschweig wieder auf die Liga los. Der dankte es mit seinem zweiten Saisontreffer, bei dem er alle seine Qualitäten in die Waagschale warf: Bittencourt verfügt über einen wunderbaren Antritt, ein präzises Passspiel und einen satten Abschluss, auch aus der Distanz, stets beidfüßig unterwegs. All das demonstrierte er in Braunschweig binnen zehn Sekunden, in denen der geneigte Betrachter einen herrlichen Doppelpass, ein robustes Dribbling und eine 25-Meter-Rakete in den Winkel bestaunen durfte.

 

Dass es am Ende nicht zum Sieg gereichte - das spricht eher für die Stärke der Braunschweiger als eventuelle Cottbuser Schwächen. Energie ist wieder einmal ernstzunehmen in dieser Spielzeit, auch wenn mit Markus Brzenska ein enorm wichtiger Akteur fehlt: Sieht man vom unerklärlichen 0:5-Heimdebakel gegen 1860 München ab, bilden die Wollitz-Schützlinge erneut eine spielstarke, torgefährliche und disziplinierte Einheit. Die hochfavorisierte Frankfurter Eintracht hatte man schon fest am Schlawittchen gepackt, ehe Idrissou die Veh-Elf noch zum Punktgewinn rettete.

 

Somit blieb die Eintracht eines von zwei Zweitligateams, die in dieser Spielzeit noch unbesiegt sind. Das andere, Fortuna Düsseldorf, erwartet die Lausitzer nun am kommenden Samstag. Ob Leonardo Bittencourt seine Künste wieder zeigen darf? Gewiss ist, dass man sich angesichts weiterer Ausnahmekönner wie Dimitar Rangelov, Martin Fenin oder Ivica Banovic im Düsseldorfer Lager nicht nur auf die Bewachung des Franklin-Sprösslings versteifen sollte.

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