Das Jahr der Moral
F95-Jahresrückblick Teil 1: Fortuna bewies regelmäßig ihre Comeback-Qualitäten
Torjubel sind immer eine fantastische Angelegenheit – die Erleichterung, die Freude, die Emotionen, die sich bei Treffern der Fortuna auf dem Platz und auf den Rängen entladen, sind mit Worten kaum zu beschreiben. Im Kalenderjahr 2017 wurden diese Emotionen regelmäßig multipliziert. Denn die Fortuna bewies mit bestechender Moral häufig ihre Comeback-Qualitäten und sorgte reihenhaft für Gänsehaut-Momente in der Schlussphase. So erzielten zum Beispiel Özkan Yildirim, Alexander Madlung und Julian Schauerte in der vergangenen Rückrunde allesamt ihre ersten und (bis jetzt) einzigen Tore im F95-Dress – und das zu den denkbar günstigsten Zeitpunkten. Der erste Teil des großen F95-Jahresrückblicks handelt von einem Thema, das sinnbildlich für 2017 stehen kann: Es war das Jahr der Moral.
In der Rückrunde der letzten sowie der Hinrunde der aktuellen Saison bewiesen die Fortunen in zwei völlig unterschiedlichen Tabellenkonstellationen, welch große Moral in ihnen steckt: Während sie 2016/17 dringend Punkte für den Klassenerhalt benötigten, sammelten sie 2017/18 spät die Punkte, durch die sie als Tabellenführer in die Winterpause gehen konnten.
Am 3. März legte sich Ihlas Bebou in der Nachspielzeit im Bochumer Ruhrstadion den Ball zurecht, nahm Anlauf und verwandelte den Foulelfmeter sicher. Der anschließende, grenzenlose Jubel vor dem Auswärtsblock hatte seine Gründe: Nach zuvor neun sieglosen Spielen in Serie lagen die Rot-Weißen auch im West-Schlager zur Pause zurück, doch Rouwen Hennings kurz nach der Pause und Bebou direkt vor dem Abpfiff brachten die Fortuna zurück und sicherten drei wichtige Punkte für den Klassenerhalt. An jenem Freitagabend zeigte das Team von Friedhelm Funkel erstmals so richtig, welche Moral in ihr steckt.
Rund einen Monat später, wenige Kilometer westlich: Gegen den Aufstiegskandidaten Union Berlin lag die Fortuna früh mit 0:1, und noch zehn Minuten vor dem Ende mit 0:2 in Rückstand. In der 80. Minute unterlief Damir Kreilach dann ein Eigentor, das die Rot-Weißen zurück in die Partie brachte – und in der Schlussminute glückte ihnen auch noch der Punktgewinn: Ausgerechnet Özkan Yildirim, einer der kleinsten Spieler im Kader, traf gegen die „Eisernen“ per Kopf. Es war sein einziges Tor im Fortuna-Dress, aber es brachte den Flingeranern einen wichtigen Zähler gegen ein Spitzenteam.
Drittletzter Spieltag, gefühltes Abstiegsendspiel, zu Gast der direkte Konkurrent aus Würzburg. Die Fortuna geriet in der 85. Spielminute durch Lukas Fröde mit 0:1 in Rückstand, der Abstieg in die 3. Liga schien real zu werden. Ein letzter Freistoß im Mittelfeld – Julian Schauerte wollte den Ball eigentlich nur hoch in den Strafraum schlagen, doch unberührt segelte das Leder ins Kickers-Tor. Bis heute war dieser kuriose Treffer zum 1:1 das einzige Fortuna-Tor des Rechtsverteidigers, aber es war ein ganz wichtiges.
Eine Woche später, Auswärtsspiel in Nürnberg. Die Fortuna hatte den Klassenerhalt noch lange nicht sicher, ganz im Gegenteil. Zumal das Spiel mit einem Schock begann: Abdelhamid Sabiri brachte den „Club“ im Nürnberger Dauerregen in Führung. Jerome Kiesewetter erzielte allerdings nur kurz darauf den Ausgleich und Rouwen Hennings in der 70. Minute gar die Führung für die Fortuna – Comeback Nummer eins. Fünf Minuten später dann das 2:2 durch Kevin Möhwald – doch die Rot-Weißen hatten noch einen auf Lager: In der 88. Minute kam Alexander Madlung nach einer Ecke zum Kopfball und erzielte das 3:2. Durch den Treffer war klar, dass die Flingeraner maximal noch auf den Relegationsplatz abrutschen konnten, der Klassenerhalt war somit zum Greifen nah. Auch für Madlung war dieser wichtige Treffer sein einziger im F95-Trikot.
Dass die im Sommer veränderte Mannschaft von Trainer Friedhelm Funkel ihre Comeback-Qualitäten auch 2017/18 nicht verloren hat, stellte sie gleich am ersten Spieltag unter Beweis. Im Heimspiel gegen Eintracht Braunschweig gerieten die Fortunen trotz der frühen Führung durch Marcel Sobottka in Rückstand, ehe Youngster Florian Neuhaus in seinem ersten Pflichtspiel für die Rot-Weißen in der Schlussphase den Hammer auspackte, das sehenswerte 2:2 erzielte und den Weg für eine hervorragende Hinrunde ebnete.
Vor allem in der Frühphase der Saison gab es immer wieder solche Momente: Im Pokalspiel bei Arminia Bielefeld kam die Fortuna durch Hennings nach einem Rückstand zurück, rettete sich in die Verlängerung und gewann letztlich verdient 3:1. Auch in Sandhausen ging es mit einem 0:1 aus Fortuna-Sicht in die Kabine, doch Bebou markierte kurz nach dem Seitenwechsel den Ausgleich, ehe Hennings in der letzten Minute einen langen Ball von Andre Hoffmann perfekt zum Siegtreffer verwerten konnte.
Die vermutlich wahnsinnigste Gefühlsachterbahn in diesem Kalenderjahr folgte dann am 5. Spieltag zuhause gegen Union Berlin: Sobottka hatte die Rot-Weißen in der Anfangsphase in Führung gebracht, doch die Unioner kamen im zweiten Abschnitt zurück. Erst war es Kreilach, der dieses Mal in das richtige Tor in der ESPRIT arena traf, dann unterlief Kaan Ayhan zwölf Minuten vor dem Abpfiff seinerseits ein Eigentor. Aber erneut kam das Team von Trainer Funkel mit einer puren Willensleistung zurück! Takashi Usami traf zehn Minuten nach seiner Einwechslung in seinem ersten Fortuna-Spiel überhaupt zum Ausgleich. In der letzten Minute war es dann einmal mehr Florian Neuhaus, der aus der Distanz die nächste Jubeltraube herstellte, in dem er zum 3:2 traf.
„Eines zeichnet diese Mannschaft immer aus: Sie will“, sagte Funkel auf der Pressekonferenz vor dem Auswärtsspiel in Braunschweig. Diese These lässt sich, blickt man auf das endende Jahr 2017, nicht so leicht entkräften.