26.01.2011 | 1. Mannschaft

Die neue Bescheidenheit

Der FSV Frankfurt klopft oben an, wahrt aber das Understatement

Heimlich, still und leise hat sich der FSV Frankfurt in den Windschatten der Zweitliga-Spitzengruppe geschlichen - am Bornheimer Hang könnte man dieser Tage durchaus ein wenig ins Träumen geraten. Trainer Hans-Jürgen Boysen vertraut einer eingespielten Mannschaft mit einem gerüttelt Maß an Erstligaerfahrung, bleibt in Sachen Aufstieg jedoch sachlich und zurückhaltend.

Rückblende: Als sich nach dem Zweitligaaufstieg des FSV die Youtube-Links durch die sozialen Netzwerke fraßen, griff ganz Fußballdeutschland noch beidhändig zu den Eimern und goss literweise Spott aus. Anlass war eine gewagte Interpretation eines Chartbreakers von Prince, der zunächst einmal folgende Reaktion auslöst: Man lacht sich kringelig. Ein böse verknitterter Text, nur notdürftig und Falten werfend über die ohnehin schon klebrigen Melodiebögen von "Purple Rain" gekleistert, zwischendrin singen tausend (oder vielleicht auch nur ein Dutzend) verirrte Stimmen von Champions League und Europacup. Und als wolle sich das ehemalige FSV-Lied noch einmal über den Hörer lustig machen, enthüllt der Refrain, dass das alles im Stadion am Bornheimer Hang seine Heimat hat. Dessen Grundmauern werden auf das Jahr 1931 datiert und bieten mit knapp 11.000 Plätzen nicht einmal einem Bruchteil von Zuschauern Schutz wie die Südtribüne vom Dortmunder Signal Iduna Park.

Der Originaltext von "Purple Rain", im Jahr 1984 von Prince veröffentlicht, liest sich im Vergleich würdevoll. "I know times are changing, it’s time we all reach out for something new" heißt es darin, und in Frankfurt-Bornheim hat man sich das scheinbar zu Herzen genommen. Im Januar 2011 schmettern die Schwarz-Blauen nicht nur eine neue Stadionhymne, die klanglich deutlich fetziger und dafür textlich weniger visionär-vermessen daherkommt, sondern haben mit 32 Punkten aus 18 Partien auch dafür gesorgt, dass der Zweitligakonkurrenz das Lachen mittlerweile gehörig im Halse steckenbleibt. Der 1899 gegründete FSV, der meist im Schatten der gut fünf Monate älteren Eintracht stand, hat plötzlich Tuchfühlung nach oben. Der im Augenblick notierte achte Rang täuscht das Auge zunächst, doch lediglich zwei Punkte Rückstand trennen die "kleinen" Frankfurter derzeit von Relegationsplatz 3 - bei einem noch ausstehenden Nachholspiel gegen Aue und einem kerngesunden Torverhältnis von +11.

Hans-Jürgen Boysen, seit 2009 als Nachfolger von Aufstiegsbauherr Tomas Oral auf der FSV-Trainerbank tätig, wiegelt ab, wenn die Sprache auf den ganz großen Coup kommt. Nach der jüngsten 4:0-Demonstration gegen Rot-Weiß Oberhausen gab der 53-Jährige kurz zu Protokoll, dass er grundsätzlich nicht hochzurechnen pflege. Sprach’s, um stante pede wieder zum Tagwerk überzugehen. Die Mannschaft tat es ihrem Chef artig gleich und präsentierte sich somit in der Außendarstellung ähnlich wie auf dem Platz: Sachlich, aber selbstbewusst, vor allem aber auf sich selbst vertrauend. Rückschläge werden schnell abgetan, länger als zwei Spiele am Stück mussten FSV-Anhänger in dieser Spielzeit noch nicht auf einen Dreier warten.

Erfahrung spielt eine große Rolle in der Erfolgsstory der Schwarz-Blauen. Ihr Kader vereint eine ansehnliche Anzahl zweitligaerprobter Athleten, sinnvoll ergänzt um einige Akteure mit Bundesliga-Vergangenheit. Boysen hat seiner Elf dabei eine verlässliche Antriebsachse eingebaut, die in allen 18 Spielen gemeinsam auflief. Im Tor steht mit Patric Klandt einer der herausragenden Torhüter des Unterhauses, davor räumt mit Kapitän Björn Schlicke ein Mann ab, der bislang in 88 Bundesliga- und 147 Zweitligamatches seinen Mann stand. Erstligaveteran Sven Müller und Shootingstar Mike Wunderlich (fünf Treffer, vier Assists) bilden mit Jürgen Gjasula, Samil Cinaz (je 17 Einsätze) sowie dem ehemaligen HSV-Spieler Mario Fillinger (16 Partien) ein laufstarkes Mittelfeld, vor dem in Person von Sascha Mölders ein klassisches Strafraumgespenst mit den Ketten rasselt. 12 Saisontreffer stehen für den Ex-Duisburger und Ex-Essener derzeit zu Buche. Mit den Ex-Bundesligisten Gledson, Marc Stein und Jawhar Mnari stehen Boysen vollwertige Alternativen zur Verfügung, die eventuelle Ausfälle seines Stammpersonals abfedern können.

In der ESPRIT arena wartet nun mit der Düsseldorfer Fortuna, die daheim zuletzt fünfmal in Folge siegreich blieb, ein schwerer Brocken auf den FSV. Hat sich dessen Frankfurter Volksbank Stadion am Bornheimer Hang bisher als schwer einnehmbar erwiesen (7 Siege bei 3 Niederlagen - gegen Hertha, Augsburg sowie Aachen), steht für ihn auswärts immerhin noch eine ausgeglichene Bilanz (3S, 2U, 3N). Die Statistik gegen den Düsseldorfer Gastgeber erlaubt dabei keine verlässliche Prognose (aus Fortuna-Sicht 2S, 1U, 3N). Als die beiden Teams im Oktober 2009 zuletzt in der ESPRIT arena aufeinandertrafen, behielt die Fortuna mit 4:1 die Oberhand, während die Schwarz-Blauen das Hinspiel der laufenden Spielzeit in Bornheim mit 1:0 für sich entschieden.

Gelänge den Mainstädtern am Ende trotz der enormen sportlichen Konkurrenz tatsächlich der ganz große Wurf, schriebe die Mannschaft im Namen des FSV Frankfurt eine langjährige Erfolgsgeschichte weiter. Denn die Damenmannschaft - mit bestens bekannter Prominenz wie Birgitt Austermühl, Birgit Prinz, Sandra Smisek oder Sonja Fuss - verbuchte bislang alleine drei Meisterschaften und fünf Pokalsiege, während die Leichtathletik-Abteilung gar einen Olympiasieger in ihren Reihen wähnt. Den legendären Armin Hary nämlich, der im Jahr 1960 die 100 Meter als erster Mensch in 10,0 Sekunden zurücklegte.

Wohin der Langstreckenlauf der Fußballabteilung in dieser Saison schlussendlich geht, darüber entscheiden nicht nur die Partie in Düsseldorf und das Nachholspiel gegen Aue, sondern auch der Vergleich mit Greuther Fürth Anfang Februar. "Die drei Spiele sind so schwer, da kann man auch mal leer ausgehen", weiß Hans-Jürgen Boysen. Am Bornheimer Hang ist man eben bescheiden.

Fotos: Sonja Häuseler

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