Liebesgrüße vom Main
Ex-Fortuna-Medienpraktikant Timo Bakenfelder stellt seinen Herzensverein vor
Nur wenige Mitglieder der großen Fortuna-Familie dürften vergleichbar bewandert in Sachen Eintracht Frankfurt sein wie Timo Bakenfelder. Der 28-jährige Vollblutfußballer stellte sich einst für sechs Monate in den Dienst der rot-weißen Medienabteilung - und zwar jederzeit mit Volldampf und vorbildlichem Eifer, obwohl sein Herz insgeheim für die launische Diva vom Main schlägt. Der Bitte, die aktuellen Verhältnisse im Riederwald für die Fortuna-Homepage zu beleuchten, ist er gerne nachgekommen. Das Resultat: Eine nicht ganz ernst gemeinte Expertenanalyse mit unverkennbarem Augenzwinkern.
Die Negativ-Ausschläge des schwarz-weißen Stimmungsbarometers während der letzten Tage und Wochen ließen nicht zwingend vermuten, dass die Eintracht am Montagabend gegen die Fortuna (20.15 Uhr) die Tabellenführung der 2. Bundesliga übernehmen kann. Das Mienenspiel der sportlichen Leitung, die Kritik der Presse - und erst recht das gewohnt wankelmutige Umfeld des Clubs - erweckten den Eindruck, als wäre der Durchmarsch in Liga Drei bereits beschlossene Sache.
Umso größer war die Erleichterung in Rieder- und Stadtwald, als beim jüngsten 3:0-Auswärtssieg bei der Namens-Cousine aus Braunschweig erstmals nicht nur das Ergebnis, sondern vor allem dessen Zustandekommen stimmte. Der 3:2-Auftaktsieg bei der SpVgg Greuther Fürth, das 1:1 gegen Mit-Absteiger St. Pauli und das 2:0-Gewürge im DFB-Pokal beim Halleschen FC bescherten zwar den gewünschten Erfolg; wer sich das Zustandekommen aber in TV oder Stadion anschauen musste, dürfte ein nicht nur leichtes Zwicken in der Magengegend verspürt haben. Bewies die neu formierte Abwehr mitunter gehobenes Slapstick-Niveau, sorgten einzig die Einzelleistungen der wohl über Zweitliga-Niveau agierenden Alex Meier und Fanis Gekas nach den ersten drei Pflichtspielen dafür, dass der stolze Adler nicht schon kurz nach Saisonstart gänzlich gerupft daherflatterte. Vom Selbstbewusstsein und der fußballerischen Überlegenheit eines Teams, das zwei Halbserien zuvor noch in halbwegs ähnlicher Besetzung die beste Hinrunde im Oberhaus seit 17 Jahren hingelegt hat und den "Betriebsunfall" 2. Liga durch x-fachen Etat und gestandene Erstliga-Profis reparieren sollte, war nichts zu sehen. Die "Bayern der 2. Liga" sollten die Hessen sein. Doch außer einer gehörigen Portion des berühmten Bayern-Dusels war bis dato nicht viel Rekordmeisterliches am Mainufer angeschwemmt worden.
Wollte Vorgänger Christoph Daum die im Frühjahr vollkommen neben sich stehenden Gekas und Co. noch "aus dem Gedankengefängnis befreien" und Optimismus erzwingen, löste Coach Armin Veh die vermeintliche Krise in der ihm eigenen Art. Er krittelte, wo er nur konnte, öffentlich an der Einstellung der Spieler und dem "semi-professionellen Umfeld" herum, ging es intern aber pragmatisch an. Der Abwehr verlieh er Stabilität, indem er und Sportdirektor Bruno Hübner Innenverteidiger Bamba Anderson, zu dessen Qualitäten an dieser Stelle wohl nicht viel gesagt werden muss, von seinem niederrheinischen Missverständnis erlösten und dem zweikampfstarken, gelegentlich aber etwas hüftsteifen kroatischen Neuzugang Gordon Schildenfeld an die Seite stellten. Dazu leistete sich Veh den - nur positiv gemeinten - Frankfurter Running Gag, den "Ewigen Oka", Oka Nikolov, erneut ins Tor zu stellen. Wie schon in den Jahren zuvor, als mit Ralf Fährmann, Markus Pröll oder Dirk Heinen bereits vermeintliche Nachfolger für das inzwischen 37 Jahre Eintracht-Inventar gefunden sein sollten, muss jetzt auch der als neue Nummer 1 verpflichte Thomas Kessler (FC St. Pauli) dem Stoiker dessen angestammten Platz zwischen den Pfosten überlassen. Während somit schonmal die Abwehr wieder steht, gelang Veh (unter Vorbehalt) etwas, das seinen Vorgängern und Branchenkollegen wohl ein ungläubiges Stirnrunzeln abverlangt: Er konnte Theofanis Gekas offensichtlich nachhaltig vermitteln, dass Fußball doch etwas mit Mannschaft, Laufen, Abwehrarbeit und ähnlich verrückten Dingen zu tun hat. Der Bundesliga-Torschützenkönig von 2007 hat scheinbar so gut verstanden, dass sich die ansonsten gerne kritische Frankfurter Rundschau dazu hinreißen ließ, ihn im Rückblick auf die Braunschweig-Partie in die Nähe von Hollywood-Laufwunder Forrest Gump zu rücken. Nach zwei Toren gegen Halle und einer starken und vor allem mannschaftsdienlichen Leistung gegen den Aufsteiger ist ein Verkauf des als egozentrisch verschrienen Hellenen, der für viele das auslösende Moment eines der kuriosesten Abstiege der Bundesliga-Geschichte war, mit einem Mal vom Tisch.
Und dennoch: Während an der Seite von Meier, Gekas und Nikolov weitere Abstiegshelden wie Pirmin Schwegler, Benjamin Köhler oder Sebastian Rode allmählich in Liga Zwei angekommen zu sein scheinen und nach und nach ins Rollen kommen, sind es die Neuzugänge wie eben Kessler und Schildenfeld, der eigentlich zweitligaerprobte Matthias Lehmann (FC. St. Pauli) und Angreifer Erwin Hoffer (1.FCK/SSC Neapel), die noch erstaunlich fremdeln. Während aktuell die Fortuna der so arg verkürzten Vorbereitungszeit mit einem eingespielten Team ein Schnippchen schlägt, ist eben diese derzeit wohl noch das größte Problem der Hessen und damit die Chance der Rot-Weißen - als Vorgeschmack auf das, was da in näherer Zukunft noch kommen mag - schonmal die Zweitliga-Bayern zu schlagen.
Timo Bakenfelder (28) startete einst eine hoffnungsvolle Karriere bei Fortuna Freudenberg, um nach 16 Jahren zum sauerländer Vorzeigeverein FC Altenhof zu wechseln. Weil seine im Übermaß vorhandene Begabung kontinuierlich von den Talentspähern der Republik verkannt wurde, schlug der begeisterte Hobby-Handwerker einen Nagel in die Wand und hing seine Fußballschuhe daran. In der Folge blieb er dem runden Leder allerdings wenigstens beruflich treu: Neben seinem Praktikum in Fortunas Medienabteilung steht Timo bis heute in Diensten der Sportnachrichtenagentur SID. Seiner Leidenschaft für die Eintracht verdankt er eine gewisse fatalistische Grundeinstellung dem Sport gegenüber, die in seinem Lieblingszitat "Es gibt keinen Fußballgott" Ausdruck findet.