20.07.2016 | Verein

In memoriam: Heinz Lucas

Erfolgstrainer im Alter von 95 Jahren verstorben

Fortuna Düsseldorf trauert um eine Legende: Nach langer schwerer Krankheit ist Heinz Lucas, ehemaliger Trainer der Rot-Weißen, am 17. Juli 2016 im Alter von 95 Jahren entschlafen. Lucas war von 1970 bis 1975 am Flinger Broich tätig, prägte aber gleichzeitig über ein Jahrzehnt Vereinsgeschichte, in dem der Club die größten Erfolge der Nachkriegszeit erringen konnte.

Trainer kommen und gehen. Das war vor 50 Jahren nicht anders als heute. Die einen waren erfolgreicher, die anderen weniger. Unabhängig davon ist so mancher in Vergessenheit geraten, andere jedoch werden auch zukünftig einen festen, von Respekt geprägten Platz einnehmen. Heinz Lucas gehört dazu.

Wer war dieser Mann, der die Geschicke der Fortuna fast ein halbes Jahrzehnt von der Seitenlinie lenkte und mit vergleichsweise überschaubaren finanziellen Mitteln die Basis zum Aufstieg zu einer der besten Vereinsmannschaften Deutschlands schuf? Allein schon seine Verpflichtung dürfte - gemessen an heutigen Verhältnissen - für ungläubiges Kopfschütteln sorgen. Nachdem sein Vorgänger Otto Knefler sein Trainer-Amt bei Fortuna quittiert hatte, suchte der Verein per Stellenanzeige im „Kicker“ nach einem neuen obersten Übungsleiter. „Auf Wunsch des Vorstands hatte ich diese Annonce geschaltet“, erinnert sich Ehrenpräsident Hans-Georg Noack heute noch. Bewerbungen gingen zuhauf ein und vielleicht war es eine ganz besondere Empfehlung, durch die Heinz Lucas letztlich das Rennen machte. Benno Beiroth, Ehrenmitglied, Funktionär und damals noch Aktiver am Ball: „Gut möglich, dass ich damals dazu beigetragen habe, dass Heinz Lucas zu uns kam. Schließlich kannte ihn noch vom VfB Lübeck und habe ihn daher dem Vorstand empfohlen.“

Wie schon sein Vorgänger konnte Lucas auf eine Karriere als Aktiver verweisen: In Berlin, wo er 1920 geboren wurde, begann er beim Charlottenburger FC Hertha 1906. Einer kontinuierlichen Fortsetzung seiner Ambitionen machte aber vor allem der Krieg einen Strich durch die Rechnung. So wechselte er nach 1945 in den Süden und seine Stationen als Mittelläufer lauteten Bayern Kitzingen, Ulm 1846 und FV Würzburg. Erst 1951 kehrte er zu seinen Wurzeln zurück und heuerte beim Berliner SV 1892 an. Gleichzeitig trainierte er Charlottenburg und absolvierte bei Sepp Herberger erfolgreich die Ausbildung zum Fußballlehrer.

Nachdem er unter anderem jeweils vier Jahre in Neumünster und beim VfB Lübeck tätig war, führte ihn der Weg - mit Umweg über den SV Darmstadt 98 - zur Fortuna. Lucas und seinem Team gelang 1971 auf Anhieb der 2. Platz in der Regionalliga West und somit die Qualifikation zur Aufstiegsrunde in die Bundesliga. Die absolvierten die Flingeraner ungeschlagen und die Rückkehr ins Oberhaus des deutschen Fußballs war perfekt.

In seiner Zeit bei der Fortuna sollte Lucas zu einem Schwergewicht unter den damaligen Fußballlehrern reifen. Die Art, wie er die Mannschaft formte, wie er Talente und bezahlbare Profis an den Rhein lotste und die Erfolge, die er verbuchte, waren herausragend. 1971/1972 belegte Fortuna einen beachtlichen 13. Platz - sichere 10 Punkte von einem Abstiegsplatz entfernt: Mit Stammspielern wie Wilfried Woyke, Egon Köhnen, Werner „Timo“ Kriegler, Werner Lungwitz, Klaus Iwanzik, Peter Biesenkamp, Fred Hesse, Heiner Baltes, Klaus Budde, Dieter Herzog, Hans Schulz oder Reiner Geye.

Gerd Zewe, Neuzugang im Folgejahr, erwies sich als Volltreffer und so war die Überraschung perfekt, als die Flingeraner 1972/1973 am 34. Spieltag Platz 3 belegten - hinter dem FC Bayern und dem 1. FC Köln - und somit erstmals für den UEFA-Cup, heute Europa League, qualifiziert waren. Die Mannschaft um Kapitän Fred Hesse zog bis ins Achtelfinale ein und wiederholte gleichzeitig den Coup des Vorjahres und wurde abermals Dritter. Wieder war es ein saarländischer Neuzugang, Wolfgang Seel, der mit dazu beitrug, dass die Rot-Weißen nach 16 Siegen und 9 Unentschieden lediglich acht Punkte vom zweiten Meistertitel nach 1933 trennten.

In der darauf folgenden Saison landete die Fortuna am Ende auf Platz acht, punktgleich mit dem 1. FC Köln, war aber aufgrund der schlechteren Tordifferenz nicht für Europa qualifiziert. Da hatte Heinz Lucas die Fortuna aber schon verlassen. Seine letzte Partie als Fortuna-Trainer endete an einem Freitagabend im April 1975 im Rheinstadion mit einem 2:0-Sieg gegen den 1. FC Kaiserslautern. Die großen Verdienste des damals 55-Jährigen hatte jeder erkannt und so schallte durch das weite Rund des Rheinstadions ein lautstarkes „Lucas, wir danken Dir!“. Nicht ganz so harmonisch verlief der Abschied im internen Kreis kurz darauf im Benrather Hof, wo der damalige Präsident sich mit dem Ausspruch gefiel: „Sauft! Fresst! Der Trainer bezahlt!“ Dem auf Respekt bedachten Heinz Lucas stieß diese Bemerkung auch Jahrzehnte später sauer auf.

Die Nachhaltigkeit seiner Arbeit spürte man auch nach Lucas‘ Weggang. Denn bei den DFB-Pokalsiegen und dem unvergessenen Europokalfinale gegen den FC Barcelona standen nicht weniger als sechs Spieler aus seiner Zeit im Kader. „Eigentlich waren es sogar sieben“, pflegte Lucas immer wieder zu betonen. Womit er Benno Beiroth meinte, der zwischenzeitlich vom Spieler zum Manager des Vereins aufgestiegen war.

Noch im selben Monat, im April 1975, wechselte Lucas zum TSV 1860 München, den er zwei Jahre später in die Bundesliga zurückführte. Nachdem die „Löwen“ im darauf folgenden Jahr wieder abstiegen und sich nach der Hinrunde in der 2. Bundesliga nur im Mittelfeld bewegten, folgte die Demission - ausgerechnet an Weihnachten. Nach weiteren Stationen in Braunschweig und beim Wuppertaler SV sprang Lucas 1981 noch einmal ein - für drei Monate bei der SpVgg Greuther Fürth, die sich in höchster Abstiegsnot befanden und die er letztlich auf einen gesicherten Platz führen konnte. Danach, mit knapp 61 Lenzen, war Schluss für ihn im Profifußball. Vertraute aus seinem Umfeld wollen mitbekommen haben, dass nicht zuletzt seine Frau Delo, ihres Zeichens Sportlehrerin, ihn zu diesem Schritt geraten haben soll. Zusammen zogen sie 1982 nach Mettmann und Heinz Lucas blieb dort auch wohnen, nachdem seine Frau 2002 verstarb.

Vielleicht gab ihm dies einen schwereren Schlag, als er es nach außen zugeben wollte. So wie er auch nur äußerst selten darauf zu sprechen kam, dass er, im Krieg schwer verwundet, fast drei Dutzend Operationen über sich ergehen lassen musste. Dennoch wurde immer offensichtlicher, dass es ihm zunehmend schwer fiel, sich an früher, an die Zeiten seiner großen Erfolge als Fußballtrainer, zu erinnern. Seit 2009 lebte er einem Seniorenstift in Erkrath. Benno Beiroth, mit dem er zuvor schon lange Zeit ein inniges Verhältnis gehabt hatte, wurde, ebenso wie der im vergangenen Jahr verstorbene Schatzmeister Herbert Kreidt, sein engster Vertrauter. Heinz Lucas hatte zwar weder Kinder noch Angehörige. Doch die Besuche seiner Ehemaligen an seinem Altersruhesitz - sei es zum Geburtstag oder einfach zwischendurch - ließen ihn immer wieder sehr intensiv spüren, dass er nie allein war und er damit die Empathie zurückbekam, die er selbst in vielen Jahrzehnten zu geben wusste.

Heinz Lucas war ein akribischer Arbeiter - das belegen nicht zuletzt die Tagebücher, die der Fortuna-Archivsammlung vorliegen. Aus seinen mehrere tausend Seiten umfassenden Aufzeichnungen geht exakt hervor, wann trainiert wurde, wie die Trainingslager abliefen, worauf beim Gegner zu achten war und welche taktischen Vorgaben er seinem Team mit auf den Weg gab. Ansprachen an die Mannschaft sind ebenso verewigt. Heinz Lucas überließ nichts dem Zufall. Dabei blieb er stets ein als bescheiden geltender, warmherziger Charakter, der seine Karriere im Fußball nie als Selbstverständlichkeit empfand. Lucas’ Maxime im Umgang mit seinen Mitmenschen war stets das hehre Wort von Wilhelm Busch: „Ein Mensch ist manchmal wie verwandelt, sobald man menschlich ihn behandelt.“

Kameradschaft, Vertrauen, Respekt und Fairness - nur auf dieser Basis konnte man sich den Erfolg gemeinsam erarbeiten. Lange bevor der später Bundestrainer Berti Vogts den Satz „Der Star ist die Mannschaft“ prägte, war dies unter Heinz Lucas und bei Fortuna bereits gelebtes Prinzip. Er begründete die „Fortuna 70“, deren Nachfolge die heutige Traditionsmannschaft angetreten hat, und initiierte regelmäßige Treffen außerhalb des Platzes, oft und gern im Mettmanner Haus, wo sich besonders der Streuselkuchen von Ehefrau Delo größter Beliebtheit erfreute. Dass sich auch heute die Fortunen von damals noch regelmäßig treffen und teils von sehr weit her anreisen, legt ein beredtes Zeugnis für das außergewöhnliche Miteinander innerhalb des damaligen Teams ab. Es war der Geist, den Heinz Lucas vermittelte, der unverbrüchlich mit seinem Wirken und Schaffen verbunden sein wird.

Vorstandsvorsitzender Robert Schäfer zeigte sich sichtlich betroffen über die Nachricht vom Tod Heinz Lucas‘: „Die gesamte Fortuna-Familie ist in tiefer Trauer. Wir haben nicht nur eine Legende verloren, sondern auch einen tollen Menschen." Ehrenpräsident Hans-Georg Noack behält Heinz Lucas als „herausragende Persönlichkeit, fleißig, stets vertrauenswürdig und als väterlichen Freund für die Spieler“, in Erinnerung. Benno Beiroth, jahrzehntelang Wegbegleiter von Heinz Lucas: „Ein korrekter und nimmermüder Arbeiter. Ansprechpartner für jeden seiner Spieler. Man hätte ihn auch mitten in der Nacht anrufen und um Hilfe bitten können: Er wäre sofort zur Stelle gewesen.“

Mit Heinz Lucas verliert Fortuna einen echten 95-er. Im Übrigen stehen 95 Siege in seiner Pflichtspiel-Bilanz. Und er verstarb im Alter von 95 Jahren. Kein Rot-Weißer, der dabei an einen Zufall denken mag.

In stillem Gedenken und in tiefer Verneigung vor dieser herausragenden Persönlichkeit wird Heinz Lucas unvergessen und sein Andenken in Ehren bewahrt bleiben.

Im Namen des Ehrenrats, des Aufsichtsrats, des Vorstands, der aktuellen und ehemaligen Spieler, der Mitarbeiter und Fans von Fortuna Düsseldorf 1895 e.V.
Hans-Georg Noack - Dr. Reinhold Ernst - Robert Schäfer

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