12.08.2016 | Verein

Gerd Zewe zum Ehrenspielführer von Fortuna ernannt

Die zweite Ehrung dieser Art in 121 Jahren Vereinsgeschichte

Fortuna Düsseldorf hat Gerd Zewe zum Ehrenspielführer ernannt. Vorausgegangen war eine Ausarbeitung der „AG Fortuna-Geschichte“, dem der Ehrenrat und der Vorstand vollumfänglich und einstimmig folgten. Die offizielle Ernennung fand kurz vor dem Anpfiff des Meisterschaftsspiels der Fortuna gegen den VfB Stuttgart am Freitagabend statt.

Ausnahmespieler und Legenden – Begrifflichkeiten, die nicht selten inflationär wirken, wenn Bewunderung für einen Fußballer zum Ausdruck gebracht werden soll. Ist aber die Rede von Gerd Zewe, darf es ruhig schon einmal ein bisschen mehr der Anerkennung sein. Denn es gibt wenige Spieler, deren Karriere mit derartigen Superlativen verbunden ist, wie bei dem mittlerweile 66-Jährigen. Daher wurde er vor dem ersten Heimspiel der Saison gegen den VfB Stuttgart zum Ehrenspielführer der Fortuna ernannt - dem zweiten überhaupt in der Vereinsgeschichte. Die Urkunde nahm der auch heute noch Sportbegeisterte von seinem ehemaligen Chef, dem heutigen Ehrenpräsidenten, Hans-Georg Noack, im Beisein vom Vorstandsvorsitzenden Robert Schäfer und vom Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Reinhold Ernst entgegen. Tom Koster, bei Fortuna inzwischen unter anderem für die Archivsammlung zuständig, vertrat die „AG Fortuna-Geschichte“, die sich im Vorfeld für diese Ehrung eingesetzt hatte.

Im saarländischen Stennweiler als Sohn eines Bergmanns geboren, suchte Zewe recht früh den Kontakt mit dem Ball. Urlaube waren aus finanziellen Gründen nur eher selten möglich und so wurde der Sportplatz rasch seine zweite Heimat. Vielleicht ist diese frühe Neigung und der Drang, sich immer weiter zu verbessern der Grund, warum aus ihm später ein leichtfüßiger Ballvirtuose werden sollte. Ab Ende der Sechziger, mit 19 Jahren, wechselte er ins benachbarte Neunkirchen, wo er mit der Borussia um Zweitligapunkte kämpfte. In dieser Zeit kam er auch in intensive Berührung mit der Fortuna, da beide Clubs in der Aufstiegsrunde 1970/1971 um die Rückkehr in die Bundesliga kämpften. Neunkirchen sollte das Nachsehen haben, Fortuna stieg auf und lockte in der Sommerpause 1972 den besten Spieler der Südwestdeutschen - nämlich eben Zewe - an den Rhein. Die Ablösesumme betrug 180.000 DM, was für heutige Verhältnisse ein Schnäppchen ist, damals jedoch eine beträchtliche Investition war. Doch sollte sich der Kauf als zukunftsweisend herausstellen. Trainer bei den Flingeranern war zu jener Zeit der kürzlich verstorbene Heinz Lucas, ebenfalls eine Legende, und er hatte die Mannschaft nicht nur in die Beletage des deutschen Fußballs geführt, sondern sie auch zu einer Einheit geformt, in der nicht einzelne Stars im Vordergrund standen, sondern das Team.

Schon in der Vorbereitungszeit auf die Saison 1972/73 gelang es Zewe, sich einen Stammplatz zu erkämpfen. So äußerte sich auch damals Trainer Heinz Lucas: „Dass er in unsere Mannschaft gehört, daran dürfte nach den Ligapokal- und Freundschaftsspielen kein Zweifel bestehen.“ Auch eine weitere Aussage des obersten Übungsleiters sollte sich bewahrheiten: „Zewe ist ein Mann mit sehr guten technischen Fähigkeiten, der sicher für uns eine Verstärkung bedeutet.“ Schon im ersten Meisterschaftsspiel gehörte Zewe zur Startelf und es sollten unzählige weitere Einsätze über die volle Distanz folgen.

Unter den zehn Fortunen mit den meisten Meisterschaftseinsätzen aller Zeiten sind acht aus der Zeit von Heinz Lucas: Wolfgang Seel (274), Werner Kriegler (279), Heiner Baltes (281), Reiner Geye (286), Fred Hesse (297), Sepp Weikl (339) als auch Egon Köhnen (376). Und an der Spitze Gerd Zewe, der in insgesamt 15 Saisons 440-mal auflief und 42 Tore (davon vier Elfmeter) schoss, davon 24 als Mittelfeldspieler und 18 als Libero. Zewe ist mit seiner Gesamtspielzahl für Fortuna in den Top 10 der vereinstreuesten Spieler der Bundesliga-Geschichte.

Seine Disziplin auf dem Platz lässt sich auch im Nachhinein an gerade einmal 20 Verwarnungen ablesen - und einer einzigen roten Karte, die am 4. April 1979 beim 3:3 gegen den 1. FC Nürnberg von Schiedsrichter Günter Linn verhängt wurde. Die Lokalpresse sprach seinerzeit von einer zumindest fragwürdigen Entscheidung für den Mann, der auf dem Feld durch seine souveräne, bisweilen aufreizend lässige Spielweise auffiel, stets die Übersicht behielt und eine unnachahmliche Dominanz am Ball entfaltete. Zewe ist einer, der nie ein Freund von Unsportlichkeit war, sondern der Fairness bis heute über alles schätzt.

Der Platzverweis sollte keinen Einfluss auf Fortunas Spiel der Spiele wenige Wochen später haben: Das Europapokalfinale der Pokalsieger in Basel. Auch nach Meinung unabhängiger Beobachter unterlagen die Rot-Weißen mehr als unglücklich und verloren durch die schweren Verletzungen von Gerd Zimmermann und Dieter Brei zwei wichtige Spieler nicht nur an diesem Abend, sondern für immer. Doch der Aderlass wurde noch heftiger: Denn in der Folgezeit verließ auch das kongeniale Brüderpaar Allofs die Fortuna, und noch ein paar andere folgten. Einer jedoch blieb: Gerd Zewe. Und das, obwohl Günter Netzer, damals Manager beim Hamburger SV, ihn 1979 mit einem überaus lukrativen Angebot an die Alster lotsen wollte und sein Wechsel sogar von der Tagesschau in der 20-Uhr-Ausgabe - für die damalige Zeit ziemlich sensationell - bereits als vollzogen verkündet worden war. Es sei, so Zewe, „an der hohen Ablösesumme gescheitert. Ich war aber letztlich immer sehr froh, hier geblieben zu sein.“ Treue. Bis zum Schluss.

Das war 1987: Ein letztes Mal im Trikot mit dem F95-Logo am 17. Juni 1987 - nur Sepp Weikl war da noch von der Elf übrig, die an jenem denkwürdigen Maiabend 1979 in der Schweiz ein Zeichen für die Ewigkeit gesetzt hatte. Beständigkeit ist heutzutage eher selten und auch Zewe weiß, dass solche Zeiten längst passé sind: „Es gibt heute kaum noch Spieler, die an ihrem jeweiligen Verein hängen. Wenn ich mir eine Begegnung der Bundesliga anschaue, jagen manche Jungs, um es überspitzt auszudrücken, heute noch hier und am nächsten Spieltag für einen anderen Club dem Ball hinterher. Wie soll da noch eine emotionale Bindung zwischen Spielern und Fans stattfinden?!“ Fast ratlos klingt diese rhetorische Frage, denn er war da anders - wie auch die Umstände anders waren. Mit deutlich hörbarem Stolz im Unterton seiner Stimme resümiert er auch heute: „Es war einfach ein herausragendes Gefühl, für diese Fortuna zu spielen. Und es war beruhigend und befriedigend zugleich, so lange für einen Verein zu spielen. Ich hatte zwar auch einmal darüber nachgedacht, ins Ausland zu gehen, aber dann doch wieder verworfen. Mir ging es hier doch richtig gut.“

Auf den ersten Blick kam und kommt Zewe immer etwas sperrig daher. Kein typischer Kumpeltyp, wie man sie im Rheinland (gerne) trifft, sondern eher etwas distanziert - wie Saarländer eben sein können. Doch wer ihn kennt, weiß um seine Zuverlässigkeit und seinen gradlinigen Charakter. Ein Mann, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hält - einer mit Führungsqualitäten, die ihn zum Kapitän und Leitwolf der Mannschaft haben reifen lassen. Die ihm Berufungen in die Nationalelf einbrachten, auch wenn er 1978 zwar im WM-Aufgebot stand, jedoch nicht ein einziges Mal vom damaligen Nationaltrainer Jupp Derwall -  im Übrigen ein ehemaliger Fortune - eingesetzt wurde. Der gab „Bananenflanker“ Manfred Kaltz den Vorzug. Dennoch fühlt sich Zewe bis heute der Nationalmannschaft verbunden.

Einer wie Gerd Zewe, das stellt man auch in Gesprächen mit ihm fest, hat Ansprüche. Denn die Erfolge, die er feiern konnte, sind ihm nicht in den Schoß gefallen, sondern waren das Ergebnis harter Arbeit. Diese Einstellung hat sich nicht geändert - auch jetzt nicht, da er, der seit 1980 die Trainerlizenz besitzt, weiterhin die Rolle des Regisseurs nicht scheut. Doch Erfolg stellt sich auch bei größtem Fleiß und gutem Willen nicht immer ein. Besonders, wenn man nur mittelbar darauf Einfluss nehmen kann. Erst sehr spät kam jedoch auch bei Kritikern die Einsicht, dass die Truppe, die Zewe Ende der 1990-er zusammen mit Klaus Allofs zu trainieren versucht hatte, milde ausgedrückt, ihre Eigenarten hatte und auch deshalb den Gang in die Regionalliga antreten musste. Nur langsam und mit empfindlicher Zeitverzögerung dämmerte es den meisten, dass dies nicht das zweifelhafte Verdienst des Duos Allofs/Zewe war, sondern die Ursachen wesentlich tiefer begründet lagen. Gerd Zewe sagte einmal, dass den Verantwortlichen seinerzeit die Geduld mit dem Coachgespann gefehlt habe. Andere sagen unverhohlen, es sei ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, unter den Gesamtumständen erfolgreich zu trainieren.

Fortuna Düsseldorf hat viele Spieler hervorgebracht, die über die Grenzen der Stadt oder des Landes Bekanntheit erlangt haben. Herausragende Fußballer sind und waren jedoch rar gesät. Dass die Rot-Weißen in den Siebzigern als Macht galten, dass sie kontinuierlich Erfolge feierten, wie nie zuvor, das war auch einem Gerd Zewe zu verdanken. Ob in der Bundesliga, im Pokal oder den internationalen Wettbewerben – immer wieder tauchten die Flingeraner auf und mit ihnen ihr Kapitän. Ob er damals gespürt hat, wie außergewöhnlich die Leistungen waren, die das Team abzuliefern in der Lage war? „Sicher, wir wussten, ich wusste, dass wir gut waren - und es war schon ein tolles Gefühl.“ Doch er und seine Kameraden haben nie viel Aufhebens davon gemacht. Es gebietet die Logik, dass Bescheidenheit eine der Stärken dieser Truppe war.

Wenn er auf seine Karriere angesprochen und nach dem besten Spiel seines Lebens gefragt wird, muss Zewe weiter ausholen: „Es gab nicht das eine Spiel. Schließlich gab es die Pokalendspiele in Serie 1978, 1979 und 1980. Dann natürlich das Europacup-Finale gegen den FC Barcelona. Die Spiele gegen den FC Bayern, den wir einmal mit 7:1 nach Hause geschickt haben - die höchste Auswärtsniederlage Münchens aller Zeiten. Oder Anfang 1984 als wir in einem fast ausverkauften Rheinstadion erst Borussia Mönchengladbach und dann den FC Bayern mit 4:1 nach Hause geschickt haben.“ Und der beste Trainer? „Heinz Lucas hat mir die Chance gegeben, für Fortuna zu spielen, doch Dietrich Weise war der Beste. Er hat die Grundlagen dafür geschaffen, dass wir Ende der 1970-er so erfolgreich waren.“

Und was ist heute? Eigentlich hat er doch das Rentenalter erreicht. „Bewegung an der frischen Luft ist für mich wie eine Droge“, hat er einmal gesagt. Auf die faule Haut legen - das ist nicht Zewes Ding. Und so setzt er sich, wann immer es geht, aufs Rad und legt Wegstrecken von 20 bis 40 Kilometer zurück. Und er spielt täglich Golf. Aber natürlich auch Fußball: „Das ist einfach bei mir drin. Fußball ist nach wie vor mein Leben. Und trotz meiner langen Zeit als Profi machen das glücklicherweise meine Knochen weiterhin mit.“ Er trainiert in der „Bolzplatzstiftung“ mit ehemaligen Mannschaftskameraden wie Willy Woyke und Egon Köhnen Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien. Insbesondere Jugendarbeit scheint ihm zu liegen. So war er noch unlängst für drei Wochen lang in einer Fußballschule in seiner ehemaligen Heimat aktiv. Und er führt den Ball unter anderem in der letztjährig neu begründeten Traditionsmannschaft am Fuß - natürlich als Kapitän, mit dem ihm angeborenen Ehrgeiz und der Anmutung an alte Tage, die nicht nur Fans, die ihn noch haben spielen sehen dürfen, begeistert.

Den Kontakt zum Verein hat er nie verloren. Zewe, der Saarländer, ist ein Rheinländer geworden, lebt in der Stadt und fiebert bei jedem Spiel seiner Fortuna auf der Tribüne mit. Fortuna Düsseldorf ist ein Kultverein. Und einer wie Gerd Zewe hat dazu ein großes Stück beigetragen.

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