23.11.2016 | Verein

Matthias „Matthes“ Mauritz, einer der größten Fortunen

Der Rekordspieler der Fortuna verstarb im Alter von 92 Jahren

Die Fortuna trauert um einen der größten Spieler ihrer Vereinsgeschichte: Matthias „Matthes“ Mauritz ist am Montagabend im Alter von 92 Jahren plötzlich und unerwartet verstorben. Dies teilte seine Ehefrau dem Verein mit. Mauritz war der Spieler mit den meisten Einsätzen für die erste Mannschaft, gehörte 71 Jahre als Mitglied dem Verein an und stand wie kaum ein Zweiter für die bewegte Geschichte des Vereins seit dem Zweiten Weltkrieg.

Auch wenn Matthes Mauritz schon in jüngsten Jahren ein Ausnahmesportler war: Die erfolgreiche Karriere als Fußballer war keineswegs vorgezeichnet. Eher ein Zufall bestimmte seinen Weg zu den Flingeranern, denn Mauritz hatte sich geradezu überreden lassen, bei einem Spiel seiner ehemaligen Schule gegen die Fortuna einzuspringen. In einer für ihn eher ungewohnten Sportart, denn er war bereits im Hockey, Tennis und der Leichtathletik erfolgreich. Doch seine hervorragende Kondition, die Laufgeschwindigkeit und das Gefühl für das runde Leder prädestinierten ihn auch für den Fußball. Fand zumindest Hans Körfer, damals Funktionär der Rot-Weißen und Schiedsrichter der Partie, der ihn nach Schlusspfiff ansprach: „Ich bin der Herr Körfer von Fortuna, und du gibst mir mal deine Telefonnummer.“ Mauritz war überrascht, aber keineswegs überzeugt und entgegnete: „Ich bin aber doch gar kein Fußballer. Ich bin Tennis- und Hockeyspieler.“ Aber bereits wenige Tage später wusste Fortuna-Manager Toni Rudolph, zugleich Wirt des Benrather Hofs, mit dem entscheidenden Argument aufzutrumpfen: „Du bekommst ab sofort jede Woche zwei Pfund Fleisch, zwei Brote und drei Abendessen.“ Ein Geschenk des Himmels in der entbehrungsreichen Zeit kurz nach Kriegsende - und so war der Fußballer und Fortune Matthes Mauritz geboren.

Matthes identifizierte sich auf Anhieb mit den Rot-Weißen. Als es darum ging, den Platz am Flinger Broich wieder zu ertüchtigen und Kriegsschäden zu beseitigen, war er dabei. „Wir haben einige Tage gebraucht, um beispielsweise zwei Bombentrichter zu beseitigen. Aber danach war der Platz wieder einwandfrei bespielbar.“

So engagiert er sich abseits des Platzes gab, so sehr überzeugte er auch auf dem grünen Viereck. Nach drei Spielen in der Reserve unter Trainer Hans Meck, vor Gerd Zewe Fortunas erster Ehrenspielführer, gelangen dem Debütanten gegen einen 39-jährigen englischen Stopper vor 15.000 Zuschauern gleich zwei Tore, die zum 4:0-Sieg beitrugen. „Ich bin dem armen Kerl davon gelaufen, der rannte die 100 Meter vielleicht in gerade mal 19 Sekunden“, berichtete Mauritz, dessen Bestmarke bei 10,8 Sekunden lag. Mit dieser Zeit hätte er beispielsweise selbst zu Beginn dieses Jahrtausends nur um 8/100 die Qualifikation für den Endlauf bei den Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften verpasst.

In derselben Düsseldorfer Mannschaft kickten mit Paul Janes und Felix Zwolanowski auch zwei Spieler, die er noch 1933 als Achtjähriger zusammen mit seinem Vater auf der Tribüne des Müngersdorfer Stadions zu Köln bewundert hatte. Mit heißem Herzen und roten Wangen fieberte er beim 3:0-Triumph gegen den FC Schalke 04 bis zum Schlusspfiff durch Schiedsrichter Birlem mit: Fortuna war Deutscher Meister. „Und mit denen durfte ich nun zusammen spielen. Mann, war ich stolz“, schwelgte Mauritz noch Jahrzehnte in Erinnerungen. Paul Janes war der große Respekt von Mauritz jedoch nicht ganz geheuer. Nachdem die beiden ein, zwei Mal gesprochen hatten, meinte Janes in breitem rheinischem Dialekt zu den anderen Mannschaftskameraden: „Wir haben jetzt einen ganz feinen Pinkel hier. Der Kerl siezt mich.“ Das anschließende große Gelächter hat Mauritz nie vergessen, sich aber anschließend dennoch mit Janes bestens verstanden.

In den ersten Jahren nach dem Krieg - Mauritz hatte seine Lehre als Bäcker und Konditor abgeschlossen - war an einen geordneten Meisterschaftsbetrieb kaum zu denken. Und so standen in dieser Zeit die so genannten „Kalorienspiele“ im Vordergrund: „Wir haben zwischen 1945 und 1949 dreimal pro Woche gespielt, sind immer bis an die holländische Grenze in die Dörfer gefahren. Als Gage gab es etwas zu essen. Wir haben uns so die Bäuche vollgeschlagen, dass wir oft verloren haben.“ Doch der Lohn stimmte, denn nicht nur mit vollen Mägen, sondern auch Taschen ging es per Bus zurück nach Düsseldorf. „Der war mit Holzgas betrieben, innen versteckten wir die Marmeladengläser oder andere Lebensmittel. Vorne setzten wir Paul Janes hin, der uns durch die Kontrollen der Alliierten lotste. ‚Gestatten, Janes, Paul, Rekordnationalspieler, wir sind Fortuna Düsseldorf und haben Kohldampf, aber nichts Verbotenes dabei!‘“

Als dann endlich der Ligabetrieb wieder aufgenommen wurde, avancierte Matthes Mauritz zum Idol der Fußballfans in der Landeshauptstadt. Ob alt, ob jung: Sie waren begeistert von der kämpferischen Einstellung, aber auch von seinen technischen Finessen. In den damaligen Gazetten wurde das Spiel Mauritz‘ immer wieder mit Prädikaten wie „furiose Flanken“, „Gewaltschuss aus 16 Metern“, „große Übersicht“ und „enorme kämpferische Einstellung“ beschrieben. Es waren viele spielentscheidende Treffer - 108 Tore in 760 Spielen -, die er erzielte, was seiner Beliebtheit noch die Krone aufsetzte.

In der Saison 1958/59 hatte Mauritz seinen Anteil daran, dass das Team eine bis heute sagenhafte Bilanz von 89 erzielten Toren verzeichnete. Da aber gleichzeitig 56 Gegentreffer hingenommen werden mussten, verpasste Fortuna äußerst knapp die Teilnahme an der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft. Auch im DFB-Pokal sollte den Rot-Weißen der große Triumph verwehrt bleiben. In zwei aufeinanderfolgenden Jahren, 1957 gegen den FC Bayern und 1958 gegen den VfB Stuttgart, erreichte man das Finale, unterlag aber jeweils knapp. Wobei Mauritz viele Jahre später zumindest die Niederlage gegen die Münchner mit einer Skurrilität zu erklären versuchte: „Unser Ausrüster hatte jedem Spieler eine zusätzliche Prämie versprochen, wenn wir mit einem neuen Schuhmodell bei dem Spiel aufliefen.“ Da Fußballer damals noch keine üppigen Gehälter bezogen, nahmen die Kicker das Zubrot gerne an. Aber: „Schon zur Halbzeit hatten die meisten von uns dicke Blasen an den Füßen.“ Ob das der Grund war, dass die Fortuna erst 1979 das erste Mal den „Pott“ holte, ließ selbst Mauritz offen. Trainer war damals im Übrigen Hermann Lindemann, der Mauritz‘ Beziehung zu seiner späteren Frau Marianne, die er im Tennisclub kennen gelernt hatte und mit der er 55 Jahre verheiratet bleiben sollte, sehr argwöhnisch beäugte und sie einmal frontal adressierte: „Frollein, wenn der Matthes jetzt schlecht spielt und keine Kondition mehr hat, dann sind Sie von der Bildfläche verschwunden.“

Matthes Mauritz blieb jedoch konstant. Und war außerdem weiterhin erfolgreich im Tennis - er brachte es zwischen 1948 und 1958 als Aktiver bis auf Platz elf der deutschen Rangliste. Doch genau aus diesem Grund konnte er nicht für die A-Nationalmannschaft Deutschlands auflaufen, weil er damit gegen die Amateurstatuten verstoßen hätte. So kam er auf 13 Einsätze für die Deutsche Olympiamannschaft und nahm an den Spielen 1952 in Helsinki und 1956 in Melbourne teil - Erlebnisse, von denen er sein ganzes Leben schwärmte. Sepp Herberger wusste den außergewöhnlichen Einsatz von Matthes Mauritz entsprechend zu würdigen und berief ihn 1959 deshalb sogar einmal in die A-Nationalmannschaft. Als damals 34-Jähriger ist er damit bis heute ältester Debütant im schwarz-weißen Trikot mit dem Bundesadler.

Ein weiterer besonderer Tag in seinem von vielen Höhepunkten gezeichneten Sportlerleben war der 6. Juni 1959, als Fortuna im Rheinstadion den FC Santos und damit einen gewissen Edson Arantes do Nascimento, besser bekannt als Pelé, empfing. Matthes Mauritz war der Sonderbewacher ausgerechnet dieses Superstars, der bei dem 6:4 der Brasilianer auch ein Tor erzielte. Aber die Presse war anschließend voll des Lobes für Mauritz‘ Mannschaft: „Man darf der Fortuna bescheinigen, dass sie ein wirklich gutes, streckenweise sogar ausgezeichnetes Spiel gegen diesen Gegner geliefert hat, der seinerseits nahezu alles zeigte, was es im Fußball überhaupt gibt.“

1960, im Alter von 36 Jahren, bestritt Matthes Mauritz gegen Rot-Weiß Oberhausen sein letztes Spiel für die Fortuna. Die früher in Düsseldorf erschienene Tageszeitung „Der Mittag“ schrieb zu seinem Karriereende: „Wenn Matthes Segelfliegern in die Hände gefallen wäre, hätte er sich wahrscheinlich auf der Wasserkuppe in der Rhön wiedergefunden. Man kann sich Matthes sozusagen in jeder Sparte vorstellen, auch als Skispringer, Radrennfahrer oder Turnierreiter.“ Mauritz jedoch entgegnete später: „Reiten? Ein grausamer Sport. Bloß nicht, das Pferd hätte mich ganz schnell abgeworfen.“

Doch auch, nachdem er nicht mehr für die 1. Mannschaft auflief, hielt er engen Kontakt zu seinem Verein, verpasste so gut wie kein Spiel und war in den 1980-er Jahren sogar Vizepräsident. Auch in den dunkelsten Stunden - als Anfang der 2000-er Jahre wirtschaftliches und sportliches Missmanagement den Gang in die Viertklassigkeit bedingte - stand er bedingungslos zu seiner Fortuna. Kraft seiner Erfahrung und seiner natürlichen Autorität rief er vielmehr dazu auf, gerade in diesen Zeiten zu dem Verein zu halten, dessen Ehrenmitglied er bereits seit 1979 war.

Dem aktiven Sport blieb der frühere Deutsche Jugendmeister im Hockey und Hockey-Jugend-Nationalspieler weiterhin treu, insbesondere dem Tennis, wo er 21 Mal Deutscher und vier Mal Senioren-Europameister wurde. Mit 60 Jahren besann er sich dann auch noch auf Golf - mit Handicap 18.

Es waren aber eben nicht nur die sportlichen Qualitäten, die ihn zu einem echten Idol werden ließ, sondern auch seine menschlichen Eigenschaften. Was bleibt, sind lebendige Erinnerungen an einen außergewöhnlichen Mann, der seinen Mitmenschen stets bescheiden, aber kompetent, humorvoll und herzlich begegnete. Seinen eigenen Weg im Fußball apostrophierte er stets und mit Nachdruck als Glücksfall. Sein ehemaliger Mannschaftskamerad und späterer Bundestrainer, Jupp Derwall († 2007), der mit Mauritz zwischen 1954 und 1959 in einem Team spielte, wusste einmal zu sagen: „Vom Fußballerischen her waren wir natürlich froh, einen Mann wie Matthes Mauritz in der Mannschaft zu haben. Dazu kommt aber noch sein toller Charakter: Er ist einfach ein spaßiger, liebenswerter, lustiger Kerl. Wir sind immer gute Freunde geblieben.“ Derwalls Sohn Patrick arbeitete sogar als Auszubildender im späteren Sportgeschäft von Mauritz, das er ab 1961 mit seinem Partner Otto Stuhldreier führte, nachdem er vor und am Anfang der Fußballer-Laufbahn bereits die Bäckerei und Konditorei seiner Eltern weitergeführt hatte. Doch der Ball übte auf ihn noch größere Magie aus als Kastenbrot und Rumkugeln.

Sportliche Fairness und Gradlinigkeit zeichneten Matthes Mauritz stets aus. Und ein gesunder Ehrgeiz. Die Partie gegen eine gemischte Auswahl von Atletico und Real Madrid im Jahr 1959 vor über 90.000 Zuschauern galt zwar als eines seiner größten Erlebnisse im Sport. Aber trotz einer 1:0-Führung verlor die Fortuna, was Mauritz extrem die Laune verhagelte. Während seine Teamkameraden nach dem anschließenden Abendessen noch einige Gläser Wein zu sich nahmen, ging er sofort auf sein Zimmer. Ihn wurmte, auch Jahrzehnte später noch, dass ihn Paco Gento, der damals als der herausragendste Außenstürmer der Welt galt, ein ums andere Mal hatte schlecht aussehen lassen. „Ich war ja nicht langsam, aber was der mit mir gemacht hat, das war der Wahnsinn.“

Zur 500. Partie gab es 1954 einen Fernseher, zum Abschiedsspiel 1961 gegen Tennis Borussia Berlin einen Blumenstrauß - so änderten sich die Zeiten. Viel wichtiger als derlei Gaben war ihm aber das sportliche Wohl und Wehe seiner Fortuna. Noch unlängst hatte er gesagt, dass ihm das einjährige Gastspiel in der Bundesliga 2012/2013 doch viel zu kurz gewesen sei. „Die Bayern hier noch mal spielen zu sehen und vielleicht zu schlagen“, wünschte er sich mit leicht verklärtem Blick. Dies ist ihm leider nicht mehr vergönnt geblieben.

Fortuna Düsseldorf verneigt sich vor einem großartigen Sportler und Menschen. Mit ihm geht aber auch ein wichtiges Bindeglied zwischen der Frühgeschichte des Vereins bis hin zur Meisterschaft 1933 verloren. Daher wird Fortuna ihm als herausragende Persönlichkeit ein ehrendes Andenken bewahren. Die Gedanken aller Fortunen sind bei dem Verstorbenen, das Mitgefühl gilt seiner Frau Marianne, seiner Familie und allen, die ihn kannten, liebten und schätzten.

Dr. Reinhold Ernst, Aufsichtsratsvorsitzender: „Wir haben einen großartigen Menschen und Freund verloren. Matthes Mauritz war immer ein aktiver Teil der Fortuna-Familie.“

Robert Schäfer, Vorstandsvorsitzender: „Wir alle trauern um einen großen Fortunen, der von uns gegangen ist. Matthes Mauritz war für uns Zeitzeuge unserer Vereinsgeschichte und hat uns immer motiviert, an den Erfolg der Fortuna zu glauben. Sein Optimismus und seine positive Ausstrahlung waren für mich Vorbild und wir werden sein Andenken stets in Ehren halten.“

Hans-Georg Noack, Ehrenvorsitzender: „Wer das Glück hatte, Matthes Mauritz kennen gelernt zu haben, weiß um seinen außergewöhnlichen und gradlinigen Charakter. Er war ein Mensch, der als echter Sportsmann auf dem und abseits des Platzes auftrat, und der die Begriffe Anstand, Ehre und Toleranz jederzeit vorlebte. Ohne, dass er dies selber wollte, ist er damit zu einem Idol geworden. Wir alle trauern um eine herausragende, für die Fortuna verdienstvolle Persönlichkeit und werden ihn zutiefst vermissen.“

Ein Ausnahmesportler in Zahlen

Fußball:

  • 760 Spiele (108 Tore) für Fortuna Düsseldorf von 1945 bis 1960, davon 297 Oberligaspiele (44 Tore)
  • 5 DFB-Pokalspiele (0 Tore), davon 2 Endspiele
  • 1 A-Länderspiel, 2 B-Länderspiele (1 Tor), 13 Amateur-Länderspiele (1 Tor), 2 Teilnahmen an Olympischen Spielen

Hockey:

  • 1 x Deutscher Hockey-Jugendmeister
  • 2 Hockey-Jugend-Länderspiele

Tennis:

  • Deutsche Tennis-Rangliste zwischen 1948 und 1959, Bestplatzierung: Rang elf
  • 1 x Niederrhein-Meister
  • 21 x Deutscher Senioren-Meister
  • 4 x Senioren-Europameister
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