„Eine wirkliche Pause gibt es nicht“
INTERVIEW: NLZ-Direktor Frank Schaefer über die vergangene und die anstehende Saison
Nicht nur die Fortuna-Profis befinden sich in der Sommerpause, auch im Nachwuchsleistungszentrum sind die meisten Entscheidungen schon gefallen. Zu Beginn der Fortuna-freien Zeit spricht Frank Schaefer, Direktor Nachwuchsleistungszentrum, im ausführlichen Interview mit www.f95.de unter anderem über die Entwicklungen der letzten Saison, die Kaderplanung in der U23, den Erfolg der U17 und seine Hoffnungen für die kommende Spielzeit 2022/23.
Herr Schaefer, hinter den NLZ-Teams der Fortuna liegt eine turbulente Saison 2021/22. Die meisten Entscheidungen sind bereits gefallen. Mit welchem Gefühl gehen Sie in die anstehende Sommerpause?
Eine wirkliche Pause gibt es in einem NLZ eigentlich nie. Wir gehen in eine kurze spielfreie Zeit – mit dem guten Gefühl, alle Entscheidungen, die anstanden, zu einem guten Ende gebracht zu haben. Das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit, sondern die Summe aus vielen erfolgreich bestandenen Kämpfen und Herausforderungen.
Blicken wir zunächst auf die Saison der ältesten NLZ-Mannschaft: Die U23 spielte eine starke Hinrunde, in der Rückrunde stimmten die Ergebnisse dann nicht mehr. Wie bewerten Sie die Saison in der Regionalliga?
Der elfte Platz in dieser starken Regionalliga ist für Mannschaft und Trainerteam ein großer Erfolg. Wir wissen, dass wir diese Platzierung in erster Linie dem guten Saisonstart zu verdanken haben, und können das auch einordnen. Man darf nicht vergessen, dass im Laufe der Saison mit Tim Oberdorf ein entscheidender Stabilitätsfaktor weggebrochen ist – natürlich freuen wir uns trotzdem sehr darüber, dass Tim den Sprung zu den Profis geschafft hat. Die personelle Situation in der Rückrunde war extrem schwierig, weil wir einen kleinen Kader hatten und 36 Spiele in dieser harten Regionalliga-Saison enorm an den Kräften zehren. Da hat uns teilweise einfach die personelle Substanz gefehlt …
… zumal immer wieder Spieler aus der U23 bei den Profis im Kader standen.
Sechs Spieler dieser Mannschaft haben Einsätze im Profiteam absolviert. Auch wenn die Sondersituation rund um das Paderborn-Spiel berücksichtigt werden muss, gibt es wohl nicht viele zweite Mannschaften in Deutschland, die solch eine Quote vorzuweisen haben.
Wir sprechen oft von 'typischen Fortuna-Spielern'
Elf Spieler aus dem letztjährigen U23-Kader spielen in der neuen Saison nicht mehr für die Fortuna. Dieser große personelle Umbruch ist in U23-Mannschaften nichts Ungewöhnliches. Können Sie uns erklären, woran das liegt?
Es ist normal für eine U23, dass solche Umbrüche immer wieder vorkommen. Einige Spieler wollen den Schritt in eine höhere Klasse versuchen, wie zum Beispiel Tim Köther oder Can Özkan. Für eine andere Spielergruppe steht nach einer gewissen Zeit einfach ein Tapetenwechsel an, weil sie entweder schon länger bei uns spielen oder sich nicht so durchsetzen konnten wie erhofft. Außerdem ist ein wichtiger Aspekt, dass wir auch Platz für nachrückende Spieler schaffen müssen.
Neben den Nachrückern aus der U19 stehen auch die ersten vier externen U23-Neuzugänge für die neue Spielzeit bereits fest. Nach welchen Spielertypen hält die Fortuna zudem noch Ausschau?
Wir sprechen oft von „typischen Fortuna-Spielern“. Damit meinen wir Jungs, die finanziell noch nicht versaut sind , mit einer Mannschaft wachsen wollen und vor allem ein hohes Maß an Teamfähigkeit mitbringen. Gerade mit Spielern aus den Oberligen haben wir da sehr gute Erfahrungen gemacht – Tim Oberdorf ist hierfür ein Paradebeispiel.
Vereinsikone Oliver Fink hat seine Karriere beendet. Seine Rolle wird in den kommenden beiden Spielzeiten vom bisherigen Profi-Kapitän Adam Bodzek ausgefüllt. Wie sehr freuen Sie sich auf die Zusammenarbeit mit „Bodze“?
Ganz extrem! Zu „Finki“ ist alles gesagt und geschrieben worden – er hat es einfach überragend gemacht. „Bodze“ ist ein anderer Typ, der die Rolle auf seine Art sicher etwas anders ausfüllen wird. Er brennt auf diese Aufgabe und wird den jungen Spielern auf und neben dem Platz eine Orientierung geben können. Es ist der absolut richtige Weg der Fortuna, verdiente Spieler so in die U23 einzugliedern.
Wir haben uns durch den außergewöhnlichen Erfolg der U17 viel Respekt erarbeitet.
Gehen wir durch die verschiedenen Altersklassen. Die U19 hatte eine schwierige Saison und konnte erst kurz vor dem Saisonende den Klassenerhalt perfekt machen. Worin sehen Sie die Gründe dafür?
Wenn eine Saison nur aus einer einfachen Runde mit 16 Spielen besteht, gerät man sofort unter Druck, wenn es mal nicht so läuft. Man hat keine Möglichkeit, die Dinge auf Strecke wieder zurechtzurücken. Wir hatten einen ordentlichen Start, sind mit der Heimniederlage gegen den Wuppertaler SV und der hohen Niederlage gegen die Ausnahmemannschaft von Borussia Dortmund aber unter einen Druck geraten, aus dem wir uns erst zum Ende hin befreien konnten. Eine große Rolle hat sicherlich auch die Corona-Pause im Jahr davor gespielt. Bei einem normalen Saisonverlauf in der Vorsaison hätten wir sicher Signale wahrgenommen, die wir in der Kaderplanung berücksichtigt hätten. Positiv ist aber auch, dass die Jungs dem Druck am Ende standgehalten und die Klasse gehalten haben.
Das exakte Gegenteil bei der U17: In der B-Junioren-Bundesliga West wurde die Fortuna Zweiter und qualifizierte sich so für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft – zum ersten Mal, seit diese Endrunde im aktuellen Modus ausgetragen wird. Wie stolz macht Sie das Erreichte?
Wir haben uns durch diesen außergewöhnlichen Erfolg sehr viel Respekt erarbeitet, der nach innen wie nach außen hoffentlich noch lange nachwirken wird. Teams wie Dortmund, Leverkusen, Köln und Gladbach hinter sich zu lassen und als eins von vier Teams aus ganz Deutschland in die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft einzuziehen, ist einfach nur große Klasse. Besonders schön: Dieser Erfolg war hochverdient, weil die Mannschaft nur ein Spiel in der kompletten Saison verloren hat.
Die U16 der Fortuna ist noch nicht gerettet – es geht in die Relegation um den Verbleib in die Niederrheinliga. Wie wichtig wäre der Klassenerhalt des jüngeren B-Jugend-Jahrgangs?
Das ist richtig – diese Entscheidung nehmen wir noch mit an den Anfang der neuen Saison. Der Erhalt der Niederrheinliga zwischen der U15-Regionalliga und der U17-Bundesliga ist für die Entwicklung der Spieler natürlich wichtig. Ich bin optimistisch, dass wir das auch schaffen. Aber selbst, wenn dies nicht der Fall wäre, könnten wir das durch gezielte Maßnahmen in dieser Altersklasse besser kompensieren, als es beispielsweise bei einem Abstieg der U19 der Fall gewesen wäre. Aber nochmal: Wir vertrauen den Jungs total. Sie können vor dem Beginn der neuen Saison direkt an einer großen Aufgabe wachsen.
Anderthalb fehlende Jahre lassen sich nicht von heute auf morgen kompensieren.
Ganz allgemein: Wie bewerten Sie die Entwicklungen in den jüngeren Teams?
Unter der Leitung von Lukas Völker und durch so hervorragende Trainer wie zum Beispiel Dennis Waldinger und Christian Reischke haben wir hier ein sehr hohes Maß an Kontinuität erreicht, was sich in einer sehr ruhigen und guten Entwicklung widerspiegelt. Die Platzierungen spielen hier keine große Rolle. Besonders froh sind wir zudem, dass wir im Grundlagenbereich den Abgang von Jari Richardson mit Jeremie Bootz als interne Lösung gut kompensieren konnten.
Ein Blick auf die Profis: In dieser Saison haben mehrere NLZ-Spieler ihr Debüt in der 2. Bundesliga gefeiert. Nach Spielern wie Lex-Tyger Lobinger und Tim Oberdorf im letzten Jahr haben nun die U17-Talente Milan Czako und David Savic langfristige Verträge mit Profi-Anschluss unterschrieben. Wie sehen Sie das Thema Durchlässigkeit bei der Fortuna aktuell?
In den vergangenen drei Jahren haben wir acht Lizenzspielerverträge verteilt. Das ist eine außergewöhnlich gute Quote. Besonders erfreulich ist natürlich der Durchbruch von Shinta Appelkamp, der schon seit der U16 für die Fortuna spielt und nun eine wichtige Rolle bei den Profis hat.
In den vergangenen zwei Jahren ruhte der Spielbetrieb aufgrund der Corona-Pandemie immer wieder. Sind die Auswirkungen noch immer bemerkbar oder ist – was den NLZ-Alltag sowie die Arbeit und das Niveau auf dem Platz angeht – schon wieder vollständige Normalität eingekehrt?
Hart gesagt: Den Jungs fehlen anderthalb Jahre. Das ist nicht von heute auf morgen zu kompensieren. In diesem Zusammenhang ist für mich die Entscheidung des DFB, auch in der kommenden Saison in der U17- und U19-Bundesliga nur eine einfache Runde mit 15 Spieltagen auszutragen, die zum Großteil bis Dezember abgewickelt sein werden, unverständlich.
Was erhoffen Sie sich von der neuen Spielzeit 2022/23? Was muss passieren, damit wir in einem Jahr hier sitzen und die Saison als Erfolg bezeichnen können?
Die Integration weiterer NLZ-Spieler in den Profibereich, der Klassenerhalt der U23, gute und sichtbare Entwicklungen unserer Jugendspieler auf der Basis von ruhigen Saisonverläufen. Wenn uns das gelingt, war die Saison ein Erfolg.