11.01.2011 | 1. Mannschaft

Cottbus mit Borussen-Power zurück ins Oberhaus

Energie plant den Coup

Vor knapp einem Jahrzehnt, am 6. April 2001, sorgte der FC Energie Cottbus für ein Novum in der Bundesliga-Geschichte: Beim torlosen Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg schickte der langjährige Coach Eduard "Ede" Geyer als erster Trainer der Ligahistorie eine Mannschaft aufs Feld, in der kein einziger deutscher Spieler stand. Eine Begebenheit, die bei vielen Fußballfans bis heute für ungläubiges Kopfschütteln sorgt.

Dem FC Energie sollte ohnehin für lange Zeit ein Imageproblem beschert bleiben. Von allen Seiten prasselten die Vorwürfe auf die Lausitzer ein - unschönen Mauerfußball spiele man, zu alt und auf mehreren Positionen bundesligauntauglich sei  das Team obendrein. Traditionalisten stieß dabei besonders übel auf, dass Geyer sein Personal vorwiegend aus dem osteuropäischen Raum rekrutierte und deutschen Jugendspielern keine Chance einräumte. Der Erfolg gab dem knorrigen "Ede" zwar letztlich recht - von 2000 bis 2002 hielt er seinen Verein in der Eliteklasse - die öffentliche Meinung vom FCE fiel dennoch selten wohlmeinend aus. Dass die Lausitz nicht gerade eine strukturstarke Region darstellte und somit das Geld bei Energie knapp war, fiel bei diesen einseitigen Betrachtungen meist genauso unter den Tisch wie die Tatsache, dass es um die Jahrtausendwende herum um den deutschen Fußballnachwuchs ohnehin wesentlich schlechter bestellt war.
Wie die Zeiten sich gewandelt haben! Im Jahr 2010 haben die einheimischen Jungspunde bei der Weltmeisterschaft in Südafrika mit frischem Tempofußball die Welt verzückt - und auch das Cottbusser Publikum begeistert in dieser Saison eine spielfreudige, erfolgshungrige Truppe, deren Gerüst aus jungen deutschen Akteuren besteht.  Seit Claus-Dieter Wollitz im Jahr 2009 nach dem Abstieg aus der Eliteklasse das Ruder von Bojan Prasnikar übernahm, hat bei den Brandenburgern ein Paradigmenwechsel Einzug gehalten. Stand Energie im vorigen Jahrzehnt tatsächlich häufig für eine kraftmeierische, selten ansehnliche Defensivkultur, so lässt sich Wollitz in seiner Spielphilosophie vom aktuellen Zeitgeist des Weltfußballs inspirieren. Gerade zu Hause begeistert Energie in der laufenden Spielzeit durch streckenweise mitreißendes Offensivverhalten. Ob beim unglaublichen 6:0-Triumphzug über den damaligen Tabellenführer Erzgebirge Aue oder dem 5:5-Fußballfest gegen den Karlsruher SC, das dem neutralen Beobachter die Freudentränen in die Augen trieb, im "Stadion der Freundschaft" wurden selten Gastgeschenke verteilt. Die Torfabrik des Unterhauses produzierte mit 35 Torerfolgen ligaweit die meisten Torerfolge - 31 Punkte und Relegationsplatz 3 standen am Ende der Hinserie zu Buche.
Der meistgefragte Cottbusser Akteur dieser Tage heißt dabei Nils Petersen. Der 22-Jährige, 2008 aus Jena gekommen, führt mit elf Treffern die Torjägerliste an und hat sich mit seiner Schnelligkeit und beeindruckenden Abschlussstärke in sämtliche Notizblocks der Erstligascouts geschossen.  Flankiert wird er dabei vom wuchtigen Routinier Emil Jula, der neben sechs eigenen Treffern auch sechs Assists aufweisen kann. Unterstützt wird der Ausnahme-Sturm von einem hochkarätigen Mittelfeld. Wollitz kann hier auf spielstarke Akteure wie den Chinesen Jiayi Shao (vielleicht einer der besten Techniker in Liga Zwei), Daniel Adlung oder Marco Kurth zurückgreifen. Die Kapitänsbinde trägt mit Marc-André Kruska ein Spieler am Arm, der trotz seiner erst 23 Jahre bereits auf fünf Bundesligasaisons mit Borussia Dortmund zurückblickt und auf der zentralen Position mit Ruhe und seiner technischen Qualität den Taktstock schwingt. Überhaupt hat "Pele" Wollitz in der Lausitz eine kleine BVB-Filiale eröffnet: Mit Uwe Hünemeier und Markus Brzenska stehen zwei torgefährliche Innenverteidiger in der Stammelf, die ebenfalls schon im Oberhaus das schwarz-gelbe Trikot trugen. Zwischen den Pfosten schickt sich währenddessen Thorsten Kirschbaum in seiner ersten Zweitligasaison mit starken Vorstellungen an, in die großen Fußstapfen seiner Vorgänger Gerhard Tremmel und des ewigen Publikumslieblings Tomislav Piplica zu treten.
Der Coach selber glaubt fest daran, dass seine Mannschaft die Rückkehr in die Bundesliga erreichen kann. Gelänge dieser Husarenritt, wäre allerdings Schluss mit einer interessanten Serie: Seit 1991 hat der FC Energie immer exakt drei Jahre in einer Spielklasse verbracht, bevor der Fahrstuhl nach oben oder unten ging. In der Spreestadt hätte sicher niemand etwas dagegen einzuwenden, den Aufenthalt in der Zweiten Liga ein Jahr früher zu beenden.

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