Immer Castroper Straße rauf
Wissenswertes über den VfL Bochum
Am Samstag (13.00 Uhr, rewirpowerstadion) gastiert die Fortuna beim VfL Bochum, einem traditionsreichen gefühlten Bundesligisten. Wir haben im Vorfeld ein paar kleine Geschichten rund um die Castroper Straße ausgegraben. Der VfL - von B bis M.
B wie Bergmann: In der Kohlestadt seit September nicht mehr nur Inbegriff der eigenen industriellen Vergangenheit. Denn seit der neue Übungsleiter des größten Vereins der Stadt den gleichen Namen trägt wie ihre einstigen Malocher unter Tage, soll ein Bergmann wieder in eine goldene Zukunft weisen. Selten passte ein Trainername besser zur Stadt, in der sein Träger angestellt ist - mehr Charme besaß wohl nur die Kombination „Wolfgang Wolf in Wolfsburg“. Fußballlehrer Andreas Bergmann, 52, holt mit seiner Mannschaft mittlerweile nach und nach die, nunja, Kohlen aus jenem Feuer, das sie nach dem misslungenen Saisonstart gefangen hatten. Seine Meriten erwarb er sich zuvor bei Hannover 96 und dem FC St. Pauli. Den führte Bergmann 2005/2006 über die Stationen Burghausen, Bochum (!), Berlin und die legendäre Schneeschlacht gegen Bremen ins Pokalhalbfinale, wo gegen den fünften „B-Klub“, die Bayern, dann aber Schluss war. Unter seinen damaligen Schützlingen: Fortuna-Held Robert Palikuca, der die mehrfach verloren geglaubte Achtelfinalpartie gegen die Hertha seinerzeit mit dem 4:3 zugunsten der Bergmann-Truppe entschied.
O wie Oberlippenbart: Im Sommer 2004 trug ganz Bochum Moustache. Der VfL war überraschend in den UEFA-Cup durchgestartet, Trainer Peter Neururer legte im Mittelkreis einen einwandfreien Moonwalk hin und ließ sich im Freudentaumel gar den geliebten Schnauz scheren. Der Zauber vom Mann im Mond verflog jedoch so schnell, wie er gekommen war; zum schnellen internationalen Aus gesellte sich eine unglückliche Talfahrt in der Liga. Am Saisonende 2005 war Neururers Engagement vorzeitig beendet - wie auch sein kurzes Beschäftigungsverhältnis bei Fortuna Düsseldorf sechs Jahre zuvor. Von der Bildfläche verschwunden ist „Peter der Große“ allerdings nicht, und zwar im wahrsten Wortsinn: Neururer ist bei Live-Übertragungen der Fortuna in dieser Spielzeit gern und häufig gesehener Gast am TV-Expertentisch.
C wie Castroper Straße: Kurz und knapp: Seit ziemlich genau 100 Jahren die postalische Anschrift der Wettkampfstätten des VfL und seiner Vorgängervereine. Auch das von den Anhängern als „Jahrhundertspiel“ und Gründungsmythos der eigenen Leidensfähigkeit erinnerte 5:6 gegen die mit 74er Weltmeistern gespickten Bayern - nach 4:0-Pausenführung - fand an der Castroper Straße statt. Der in Amtskatalogen unter der tristen Kennung L654 firmierenden Hauptverkehrsachse setzte der freundlich formuliert meist körperbetont agierende Ur-Bochumer Thorsten Legat zudem ein sprachliches Denkmal, als er die Frage eines Reporters, wie er denn zum Bodybuilding gekommen sei, dezent missverstand: „Immer Castroper Straße rauf!“ Ist die dort beheimatete Bude voll, hat der VfL gerade ein Heimspiel - oder aber Stadtbarde Herbert Grönemeyer.
H wie Hermann Gerland: Der rustikale Abwehrbrecher verbrachte seine gesamte Profikarriere beim VfL Bochum, ehe er die Trainerlaufbahn einschlug. Auf der Bank der Bayern-Amateure bildete er Lahm, Schweinsteiger, Müller, Kroos aus und formte so die halbe aktuelle Nationalmannschaft. Gerland erarbeitete sich mit seinem Hang zu lautstarken Anweisungen einen Ruf als harter Hund der alten Schule („Hauptfeldwebel mit Herz“ titelte eine Zeitung) und kämpft wie ein Tiger für Disziplin und Arbeitswillen. Dabei verdrückt er nach eigener Aussage schon mal ein Freudentränchen, wenn wieder einer seiner Spieler den Sprung von den Dorfplätzen ins Rampenlicht geschafft hat. Vielfach zu Unrecht als bärbeißig und knorrig gescholten, verfügt Gerland über eines der festpochendsten Herzen Fußball-Deutschlands. Und wurde mit Recht von den Fans in die VfL-Jahrhundertelf gewählt.
U wie Unabsteigbar: War der VfL nach eigener Auffassung seit dem Bundesligaaufstieg 1971, denn immer wieder hielt man sich trotz geringer Mittel gegen alle Widerstände im Oberhaus. Erst 1993 erwischte es die Bochumer. Der Mythos von der ewigen Erstklassigkeit hat seither ein wenig von seiner Strahlkraft eingebüßt, denn insgesamt ging es eben schon sechs Mal ins Unterhaus, auch wenn mit Ausnahme der letzten Saison stets der direkte Wiederaufstieg gelang. Gefühlt ist Bochum ein Erstligist, denn reizvolle Geschichten schrieb man ohnehin immer. Ob die überdurchschnittlich häufig gestellten Torschützenkönige (Kuntz, Christiansen, Gekas), der herrliche Offensivfußball unter Klaus Toppmöller oder aber die kunterbunten Regenbogen-Trikots der Neunziger, die aussahen wie ein Heißluftballon: Ohne den VfL Bochum ist die Bundesliga in mancherlei Hinsicht ein wenig grauer.
M wie Maskottchen: Apropos grau. Die über zwanzig Jahre ständiger Erstligazugehörigkeit waren für sich genommen natürlich eine beachtliche Leistung. Weil aber keine Ausschläge nach unten und eben auch nur selten welche nach oben zu verzeichnen waren, trugen die Bochumer den ungeliebten Spitznamen der „grauen Maus“ mit sich herum. In der Marketingabteilung machte man alsbald aus der Not eine Tugend und ließ bei der Maskottchengestaltung einen Schuss Selbstironie walten. Seitdem turnt bei Heimspielen des VfL eine blaue Maus namens Bobbi Bolzer durch den Innenraum. Mittlerweile hat der plüschige Nager gar eine eigene Facebook-Seite. Wenn das Hermann Gerland erfährt.