In Düsseldorf den Aufstieg klar gemacht
Interview mit Karl-Heinz "Kalli" Feldkamp zum Spiel gegen Galatasaray SK (Teil 2)
Bereits am Sonntag hatten wir an dieser Stelle über den Gast am kommenden Mittwoch, Galatasaray SK Istanbul und den neuen, aber altbekannten Trainer, Karl-Heinz "Kalli" Feldkamp berichtet. Im heutigen zweiten Teil erläutert der 73-Jährige, wie er den Weg zurück in die Türkei gefunden hat, sein Verhältnis zu Jupp Derwall und seine ganz individuelle Beziehung zu Fortuna Düsseldorf und dem Paul Janes-Stadion.
Herr Feldkamp, Ihr Vorgänger Eric Gerets war noch im Vorjahr Meister mit Galatasaray SK geworden und seine Ablösung - so wurde es zumindest in Deutschland wahrgenommen - kam etwas überraschend...
Der Wechsel war schon länger vorbereitet worden und Galatasaray und ich hatten schon seit Februar Kontakt. Aber ich hatte ohnehin immer einen guten Draht in die Türkei, sei es zur türkischen Nationalmannschaft oder wenn ich über den türkischen Fußball geschrieben habe. In den Jahren, die ich dort arbeitete, hat sich mehr entwickelt, als nur eine Verbindung mit und durch den Fußball. Wenn wir nicht ein Domizil in Spanien bezogen hätten, wäre es genauso denkbar gewesen in die Südtürkei zu ziehen. Meine Ausrichtung für dieses Land ist positiv und ich bin immer gerne dorthin gerufen worden, wann immer es etwas zu erledigen gab - und seien es die Termine mit der deutschen Botschaft in Ankara gewesen. Die Wahl, die ich jetzt getroffen habe, war für mich die einzig Denkbare.
Bei Galatasaray treten Sie ein zweites Mal an - und somit in ihre eigenen, aber auch in die Fußstapfen des kürzlich verstorbenen Ex-Bundestrainers Jupp Derwall, der von 1984 bis 1988 zweimal Meister und einmal Pokalsieger wurde...
Meine Geschichte war immer sehr eng verwoben mit der von Jupp Derwall. Denn er war es, der mich 1992 anrief und fragte, ob ich mir nicht vorstellen könnte, zu Galatasaray zu kommen. Ich bin diesem Ruf gefolgt und habe es nie bereut - vielleicht auch, weil es schon einmal von Erfolg gekrönt war. Ein erneutes Engagement zeigt nur, dass sich dieses Gespräch, das ich seinerzeit mit Jupp Derwall geführt habe, bis zum heutigen Tag wie ein roter Faden durch einen Teil meines Lebens zieht. Dass ich heute hier in Duisburg sitze, hat eindeutig auch mit ihm zu tun. Und sicherlich damit, dass ich eine erfolgreiche Arbeit geleistet habe und deswegen in der Türkei weiterhin geschätzt werde.
Und ein Engagement in Deutschland kam für Sie nicht mehr in Frage?
Ich hatte schon 1992 gesagt, dass es mich nicht mehr reizt in der Bundesliga zu arbeiten und ich mit diesem Kapitel abgeschlossen habe. Ich hatte so manches interessante Angebot im Lauf der Jahre in Deutschland erhalten, doch wortbrüchig wollte ich in dieser Hinsicht nie werden. Für Galatasaray sprachen auch diesmal das Land, die Mentalität, sechs oder sieben Nationalspieler in meinem Team, aber auch die die neuen Kontakte und neue Medienvertreter. Ich wollte noch einmal aktiv werden. Aber in keinem anderen Land als der Türkei hätte ich dies getan."
Dennoch funktioniert Ihr Netzwerk weiterhin - auch in hiesigen Gefilden...
Sie meinen die beiden deutschen U21-Nationalspieler Serkan Calik und Baris Özbek, die von Zweitliga-Absteiger Rot-Weiß Essen zu uns gekommen sind. Es sind zwei junge Türken, die großes Talent besitzen, auch wenn es für sie natürlich ein gewaltiger Sprung sein wird von RWE zu Galatasaray.
Welche Erinnerungen verbinden Sie mit Fortuna Düsseldorf?
Es ist weniger der Verein, der mir spontan einfällt, als die Spielstätte, an der wir uns auch am Mittwoch befinden werden. Ich spielte bekanntlich lange für Rot-Weiß Oberhausen und wie einige Male zuvor kämpften wir auch in der Saison 1956/1957 um den Aufstieg in die Oberliga West. Wir waren nach einer Partie gegen Herten mit einer Platzsperre belegt worden und mussten ausweichen nach Düsseldorf - in den Flinger Broich. Es war Anfang Januar und vor einer Geisterkulisse von ein paar Hundert Zuschauern mussten wir gegen Marathon Remscheid antreten. Immerhin reichte es zu einem Unentschieden und wir stiegen später auf.
Eine Parallele zu Ihrem heutigen Arbeitgeber, der bekanntlich im Ali-Sami-Yen-Stadion die fünf ersten Heimspiele ebenfalls vor leeren Rängen bestreiten muss...
Die Strafe des Verbandes trifft uns natürlich hart. Ich gebe zu, dass sich da gewisse Parallelen entwickeln lassen und ich schon an dieses Düsseldorfer Spiel gedacht habe. Mit diesem Thema muss ich mich noch eingehender beschäftigen.
Gibt es sonstige Assoziationen mit Fortuna als Traditionsverein?
Nicht direkt, nicht von heute, wie ich zugeben muss. Das Thema Tradition sehe ich ohnehin recht leidenschaftslos. Denn wenn beispielsweise ein 1. FC Köln in der Zweiten Liga spielt, dann ist das sportlich eben in Ordnung. Die Aussage "diese Mannschaft gehört doch eigentlich in die Erste Liga" ist so gesehen nicht richtig und dann hilft auch nicht die Erklärung, die Fehler des Managements seien dafür verantwortlich. Das Sportliche zählt doch letztlich. Umgekehrt ist der MSV Duisburg ein gutes Beispiel dafür, was dabei herauskommt, wenn sich alle an einen Tisch setzen - also Vertreter des Vereins, der Wirtschaft, der Politik und Kultur. Hier haben alle an einem Strang gezogen und die Wichtigkeit des Faktors Fußball für die Stadt erkannt. Denn welche Sportart ist denn interessanter als der Fußball? Wo werden die meisten Werbegelder investiert? Wofür interessiert sich denn das Fernsehen stellvertretend für die Masse in der Bevölkerung? Das ist eindeutig Fußball.
Was erwarten Sie von der Begegnung am kommenden Mittwoch?
Ich hatte ausdrücklich um das Spiel bei Fortuna gebeten. Wir werden, von den 29 Spielern, die wir hier momentan im Trainingslager dabei haben, ab Mittwoch beginnen, langsam Mosaiksteinchen zusammenwachsen zu lassen. Man muss in den Positionen Farbe bekennen. Dies wird bei Fortuna erstmals geschehen.
Nehmen Sie, nimmt die Mannschaft einen Drittligisten als Testspielgegner überhaupt ernst?
Wenn ich mich nur an den Etatzahlen orientieren würde, müsste der FC Bayern in jedem Jahr Deutscher Meister werden. Solche Rechenexempel sind nicht zulässig, so funktioniert Fußball nicht. Nehmen Sie doch nur mal den Pokalwettbewerb und seine immer wieder neuen Überraschungen. Ich freue mich auf ein Spiel gegen einen sicherlich ambitionierten Gegner und hoffe auf eine Partie, die für die Zuschauer spannend und sehenswert ist.
Gibt es bestimmte taktische Maßnahmen, die Sie gegen die Fortuna umgesetzt sehen möchten?
Ich möchte bestimmte grundlegende Dinge umsetzen. Denn meine Erfahrung ist, dass die Türken einerseits zu eigensinnig spielen. Sie freuen sich über tolle Aktionen, egal, ob sie effizient waren oder nicht. Das ist Frage der Mentalität. Vor allem fühlen sich die Spieler auf dem Platz auch noch bestätigt, weil die Fans so etwas bejubeln. Wie soll ein Spieler unter solchen Umständen erkennen, dass etwas falsch gemacht wurde? Andererseits gehen sie auf dem Platz zu leise miteinander um. Dass einer den anderen anschreit passiert so gut wie nie. Hieran werden wir bis zum Beginn der Meisterschaft noch arbeiten müssen. Auch in Testspielen wie gegen Fortuna.
Sie schauen über den Tellerrand hinaus und bewerten auch den türkischen Fußball in puncto Nationalmannschaft...
Türkische Spieler bringen eigentlich alle Veranlagungen mit, die Spitzenspieler ausmachen. Deswegen hatte ich auch nicht verstanden, warum es mit der Qualifikation für die WM 2006 nicht geklappt hatte. Doch gleichzeitig sind sie auch sehr verwöhnt - beispielsweise durch eine hohe Bezahlung und eine hervorragenden Betreuung durch den Verein. Wenn sie richtige Konkurrenz bekommen, dann neigen sie dazu, den bequemen Weg zu gehen. Das hat zur Folge, dass sich nur wenige türkische Spieler in internationalen Spitzenvereinen behaupten können. Nihat Kahveci von Villareal fällt mir ein oder bei Newcastle Emre Belözoglu, aber auch Tuncay Sanli von Middlesbrough. Daneben spielen in der Nationalmannschaft gerade einmal fünf weitere, nämlich die Brüder Altintop, Fatih Tekke, Nuri Sahin bei Feyenoord und Yildiray Bastürk. Ich verfolge die Entwicklung schon mit einer gewissen Sorge. Dagegen hat sich der deutsche Fußball wieder phantastisch nach oben entwickelt seit Klinsmann und die Chance einskalt genutzt, sich wieder in den Mittelpunkt zu spielen
Wie sprechen die Spieler Sie an?
Ganz normal, sie sagen "Trainer" zu mir. Alles andere hielte ich auch für übertrieben, auch wenn ich weiß, dass in der Türkei gerade die Jüngeren gegenüber den Älteren sehr großen Respekt zollen, weil ihnen das über die Erziehung mitgegeben wird. Ich mag für den einen oder anderen auch eine väterliche Figur sein, was mir gar nicht so wichtig erscheint, denn ich spare nicht an Kritik, wenn dies notwendig ist und will eine gesunde Rivalität schüren. Aber selbst mein Co-Trainer, Ahmet Akcan, den ich nun schon lange kenne und dem ich mehrfach das "Du" angeboten habe, bekommt diese persönliche Anrede nicht über die Lippen. Dies ist ein Zeichen der Höflichkeit, die manchmal sogar angenehm sein kann.
Herr Feldkamp, wir bedanken uns für das Interview und wünschen Ihnen für Ihre neue Aufgabe alles Gute. Doch zunächst freuen wir uns alle natürlich auf Sie und Ihr Team im Paul Janes-Stadion am Flinger Broich am Mittwoch. (tk)