Was macht eigentlich… Rudi Bommer?
„Ich habe noch das Trikot von meinem argentinischen Gegenspieler!“
Für diese und nächste Woche war im internationalen Rahmenterminkalender eigentlich eine Länderspielpause angesetzt. Die deutsche Nationalelf sollte zwei Testspiele bestreiten. Immerhin wären es prestigeträchtige und richtungsweisende Duelle in Spanien und gegen Italien geworden. Auch einige Fortunen wären international wieder im Einsatz gewesen.
So war der Plan. Doch die Begegnungen der DFB-Auswahl fielen ebenso dem Coronavirus zum Opfer wie so ziemlich alle anderen sportlichen Aktivitäten bundesweit und global. Zeit, um im Kalender nach hinten zu blättern und zu schauen, wann denn letztmals ein Fortune für die Auswahl mit dem Bundesadler auf der Brust aufgelaufen ist.
Neun Jahre lang spielte Rudi Bommer im Fortuna-Trikot. Nach seinem Wechsel 1976 von Viktoria Aschaffenburg an den Flinger Broich kam er im folgenden Jahrzehnt bis zum Sommer 1985 auf insgesamt 492 Einsätze, in denen der offensive Mittelfeldspieler 165 Tore erzielte. 1979 und 1980 wurde er mit den Rot-Weißen DFB-Pokalsieger. Zahlen und Fakten, die nicht nur seine verschiedenen Trainer bei den Flingeranern erfreuten, sondern auch die Bundestrainer Jupp Derwall sowie seinen Nachfolger Franz Beckenbauer auf ihn aufmerksam machten.
So war Bommer vor fast 36 Jahren bis heute der letzte deutsche Nationalspieler, der bei Fortuna Düsseldorf unter Vertrag stand. In der Zwischenzeit gab es noch einige andere Akteure, die im Nationaldress aufliefen, nur eben für andere Länder.
Ein besonderer Ort für einen denkwürdigen Moment
Das Freundschaftsspiel fand am 12. September 1984 statt. Spielort war das Düsseldorfer Rheinstadion, also genau der Ort, an dem dreieinhalb Jahrzehnte nur um ein paar Meter versetzt die aktuelle Spielstätte der Rot-Weißen steht. Ganz besonders waren die Fotoapparate und Kameras an jenem Abend auf einen Mann gerichtet, der nicht auf dem Platz, sondern an der Seitenlinie stand. Franz Beckenbauer feierte nur ein Jahr nach Beendigung seiner aktiven Laufbahn und zehn Jahre nach dem WM-Triumph 1974 in Deutschland erneut im eigenen Land seine Premiere als Teamchef der DFB-Auswahl. Teamchef deswegen, weil er keine Trainerlizenz besaß und somit von Co-Trainer Horst Köppel, auf den später Holger Osieck folgte, assistiert wurde, die die Bescheinigung als Fußballlehrer bereits in der Tasche hatten. Gegner war vor 45.000 Zuschauern Ex-Weltmeister (1978) Argentinien.
In der Anfangsformation stand Rudi Bommer, der damals bei der Fortuna unter Vertrag stand. Die Redaktion von www.f95.de hat mit ihm gesprochen.
Herr Bommer, die wichtigste Frage zuerst: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?
Mir und meiner Familie geht es gut, danke! Wir halten uns hier in Aschaffenburg im Bundesland Bayern strikt an die Verhaltensregeln, die man meiner Meinung nach etwas früher hätte einführen sollen. Möglicherweise wurde das Virus anfangs verharmlost. Ab und zu gehen wir noch spazieren. Einen Klopapier-Vorrat habe ich nicht eingekauft (lacht).
Lassen Sie uns daher lieber über etwas Erfreulicheres reden. Das Länderspiel am 12. September 1984 in Düsseldorf gegen Argentinien (1:3). Welche Erinnerungen haben Sie noch daran?
Ich kann mich sehr gut an das Spiel erinnern, weil es ja das erste Spiel unter Franz Beckenbauer war. Die Argentinier ließen den Ball gut laufen, trafen praktisch mit jedem Schuss aufs Tor und auf dem Platz ging es etwas härter zur Sache. Außerdem waren wir nach dem Vorrundenaus bei der Europameisterschaft 1984 und dem danach folgenden Trainerwechsel noch in einer Findungsphase.
Es war aber nicht nur die Premiere für Franz Beckenbauer an der Seitenlinie. Auf dem Platz feierte ein guter Freund von ihnen seinen Einstand in der Nationalelf!
Ganz genau. Felix Magath – damals beim Hamburger SV – kam zu seinem ersten Länderspieleinsatz. Das hat mich sehr gefreut, zumal der Felix und ich ja in Aschaffenburg als Kinder in derselben Straße groß geworden sind!
Wissen Sie denn auch noch, wer bei den Argentiniern alles dabei war?
Diego Maradona hat gefehlt. Ansonsten haben mich die Namen meiner Gegenspieler nie wirklich interessiert. Allerdings habe ich das argentinische Trikot, das ich nachher getauscht habe, aufbewahrt. Da hat meine Frau immer darauf geachtet, dass da nichts wegkommt.
Für Sie war es das sechste Länderspiel, aber auch der letzte Einsatz. Warum?
Das war schon kurios. Den wirklichen Grund habe ich erst viele Jahre später erfahren. Ende des Jahres 1984 gab es eine Weihnachtsfeier vom DFB, zu der ich auch eingeladen wurde. Da hatte ich aber schon einen Urlaub gebucht. Außerdem wollte ich mich nach einer Nebenhöhlenentzündung und dem medizinischen Eingriff auch für die Fortuna erholen, weil für uns damals der Club einen viel höheren Stellenwert hatte! Und das wurde von den Trainern, wie mir Horst Köppel später sagte, als Desinteresse meinerseits gewertet. Somit war meine Nationalmannschaftskarriere beendet.
Ein Jahr später war dann – vor allem der finanziellen Schieflage des Vereins geschuldet – Ihre Zeit bei der Fortuna vorbei. Nach neun Jahren!
Ich habe ja selber lange überlegt, ob ich die Fortuna überhaupt verlassen will. Aber der Verein brauchte eben das Geld und so bin ich nach Krefeld zu Bayer 05 Uerdingen gewechselt. Vorher mussten ja auch schon die Allofs-Brüder verkauft werden und nach mir gingen mit Holger Fach und Manni Bockenfeld weitere große Spieler der Fortuna.
Wie sehen Sie im Nachhinein Ihre Zeit in Düsseldorf?
Das war für mich persönlich und meine Familie ein ganz wichtiger Lebensabschnitt! Ich bin mit siebzehneinhalb Jahren hierhergekommen, später ist hier meine Tochter geboren worden, sodass Düsseldorf immer in meinem Herzen ist und ich immer schaue, was die Fortuna macht! Und selbst in meiner Zeit in Uerdingen habe ich ja weiterhin in der Stadt gelebt.
Und sportlich haben Sie bei der Fortuna den Durchbruch geschafft…
Ja, es war eine Zeit, die man nie vergisst. Fortuna hat mich geprägt, weil ich hier Nationalspieler geworden bin. So konnte ich die Europameisterschaft 1984 und später die Olympischen Spiele in Seoul 1988 mitmachen.
Ihr kongenialer Mitspieler war bei der Fortuna Manni Bockenfeld. Sie beide galten als die gefährlichste Flügelzange der Bundesliga auf der rechten Seite. Was hat Sie so besonders gemacht?
Manni und ich - wir hatten zusammen eine gute Geschwindigkeit. Wenn ich den Ball vorbei gelegt habe, dann war er durch. Und was ganz wichtig ist, was ich im heutigen Fußball zu selten sehe: Er konnte perfekt von der Grundlinie nach innen flanken, wo die Hereingaben dann von Emanuel Günther, Atli Edvaldsson oder Günter Thiele verwertet wurden.
Kommen wir zur Gegenwart – was machen Sie heute beruflich?
Ich war zuletzt, als der Ball noch rollte, für Magenta Sport als Experte in der 3. Liga unterwegs. Bis zum Herbst war ich Cheftrainer beim SC Hessen Dreieich, doch im Oktober wurde die Kooperationsvereinbarung mit Eintracht Frankfurt beendet und seitdem bin ich vereinslos.
Rudi Bommer, vielen Dank für das interessante Gespräch und alles Gute – vor allem Gesundheit – für die Zukunft!
Mehr Informationen zu allen Nationalspielern der Fortuna finden sich hier.