20.12.2020 | Verein

Fortuna trauert um Dietrich Weise

Trainer und Wegbereiter im Alter von 86 Jahren verstorben

Dietrich Weise ist tot. Der diplomierte Fußballlehrer verstarb am Sonntag im Alter von 86 Jahren in Heilbronn, wo er lange Zeit gelebt hatte. Von 1976 bis 1978 war Weise Trainer der Fortuna und setzte eigene Akzente, die sich auch Jahre nach seinem Weggang positiv bemerkbar machten.

Denn Dietrich Weise galt - ebenso wie sein Kollege Heinz Lucas - als einer der Wegbereiter und Gestalter der sportlich größten Erfolge der Fortuna. Durch den von ihm eingeleiteten Umbau und gezielte Verstärkungen schuf er eine einzigartige, manche sagen: die stärkste Mannschaft nach 1933, und seine Handschrift war bei den Rot-Weißen auch Jahre nach seinem Weggang noch erkennbar. Doch nicht nur in seinen beiden Düsseldorfer Jahren machte er sich einen Namen; er zählte in den 1970er und 1980er Jahren zu den herausragendsten Trainern in der Republik.

1934 in Groben (Sachsen-Anhalt) geboren, schnürte Dietrich Weise seine Fußballschuhe zunächst in seiner Heimat, für die BSG Traktor Teuchern und die BSG Fortschritt Weißenfels. 1958, er war gerade 24 Jahre alt, flüchtete er aus der damaligen DDR, in der er keine Perspektive für sich sah, und ließ sich in Heilbronn nieder, schloss sich dem VfR und zwischenzeitlich auch der SpVgg Neckarsulm an.
Der Weg als Fußballlehrer entsprang keiner zielgerichteten Entscheidung. „In unserer Mannschaft fehlte der etatmäßige Übungsleiter und so ließ ich mich nach langen Diskussionen dazu überreden, die Mannschaft zu trainieren.“

Das Team Weise spielte immer erfolgreicher und der Verein war mit seiner Arbeit zufrieden, sodass man an ihm festhielt. Wie auch bei Weise der Spaß an seiner außerplanmäßigen Karriere analog zu den Erfolgen wuchs. Dabei war noch in der DDR sein Weg über eine Lehre zum Bücherrevisor vorgezeichnet und er hatte „die feste Absicht, in dieser Branche zu arbeiten.“

Mit besten Referenzen zur Fortuna
Doch mit der Zeit wurden größere Vereine auf Weise aufmerksam, und der Bundesligist 1. FC Kaiserslautern nahm ihn 1967 als Assistenztrainer unter Vertrag. Nach drei Jahren rückte er auf die Position des Cheftrainers der Profimannschaft auf.
Bis 1973 blieb er in der Pfalz und wechselte dann nach Hessen, zur Frankfurter Eintracht, die unter seiner Ägide zwei Mal, 1974 und 1975, den DFB-Pokal gewann.

1976 folgte er dem Ruf aus Düsseldorf. „Das Angebot der Fortuna hatte mich schon sehr gereizt, ich suchte eine neue Herausforderung und so wechselte ich nach Nordrhein-Westfalen.“

Fortuna war für Weise kein unbeschriebenes Blatt – schließlich spielten die Landeshauptstädter schon seit 1971 in der Bundesliga. Seiner Einschätzung nach waren die Flingeraner immer „zu allem fähig“, was zweierlei bedeutete: jede Mannschaft schlagen oder ebenso gegen jeden Verein eine Niederlage kassieren zu können. Weise schätzte Spieler wie Fred Hesse, Egon Köhnen, Reiner Geye, Gerd Zewe, Wolfgang Seel und Wilfried Woyke, sah sie aber als Team wenig konstant.

„Die Tatsache, dass mir die Stadt Düsseldorf sehr gut gefiel und das Umfeld des Vereins hundertprozentig stimmte, machte mir die Entscheidung doch um einiges leichter, die Mainmetropole zu verlassen.“ Nicht weit von Flingern entfernt, in Erkrath, fand er alsbald sein Domizil.

Erst Katastrophen-Einstand, dann an die Spitze
Der Einstand Weises geriet indes mit fünf Niederlagen und 0:10 Punkten zu einer Katastrophe. Doch die Verantwortlichen blieben trotz des letzten Tabellenplatzes in der Liga und allen Unkenrufen zum Trotz erstaunlich ruhig, und auch das Umfeld hielt sich mit überzogener Kritik an Weises Arbeit zurück. „So etwas war wenige Jahre später schon kaum mehr möglich. Aber wir wussten damals, dass die Mannschaft besser war als ihr Tabellenplatz. Die Spiele gingen schlichtweg unglücklich verloren.“ In den nachfolgenden Partien konnten die Fortunen endlich ihre Klasse aufblitzen lassen und holten 17:7 Punkte in Folge. Ohne den verpatzten Saisonstart hätte man zur Winterpause auf Platz 1 der Tabelle gestanden.

Weise verstand es, den Erfolg nicht nur zu konservieren, sondern war angetreten, aus Fortuna eine Spitzenmannschaft des deutschen Fußballs zu machen. Noch bevor er einem Angebot des DFB folgte, hatte Weise dafür gesorgt, dass die Rot-Weißen erstmals nach langer Zeit ins DFB-Pokalfinale einzogen, während man in der Bundesliga in der gleichen Saison 1977/1978 den fünften Platz belegte. Sein größter Coup gelang Weise allerdings mit der Verpflichtung von Hans-Dieter Tippenhauer, der mit gerade einmal 33 Jahren einer der jüngsten Trainer in der Bundesliga war.

Tippenhauer, mit dem er schon zusammen in Frankfurt gearbeitet hatte, sollte nur ein Jahr nach dem Ausscheiden Weises das Europacup-Finale in Basel erreichen – einer der größten sportlichen Erfolge in der Vereinsgeschichte. Niemand zweifelte, dass Dietrich Weise durch seine akribische Arbeit einen gehörigen Anteil daran hatte.

Meistermacher beim DFB
Zwar fiel dem Trainer sein Abschied aus Düsseldorf schwer, doch die Arbeit beim Deutschen Fußball-Bund, die Verantwortung für den Nachwuchs in Deutschland zu übernehmen, trug Früchte – und sollte zur sportlich erfolgreichsten Etappe in Dietrich Weises Biographie werden. 1981 vermochte er – ausgerechnet im Rheinstadion – mit der U 18-Mannschaft den Europameistertitel (1:0 gegen Polen) zu gewinnen. Und ein Jahr später setzte er mit seinem Team noch eins drauf und holte in Australien den Weltmeistertitel (4:0 gegen Katar) mit der U 20.

Nach schweren gesundheitlichen Problemen Mitte der 1980er Jahre – er hatte von 1983 bis 1987 erneut die Frankfurter Eintracht trainiert – suchte er die Herausforderung im Ausland. Es folgte ein Engagement in Ägypten, wo er sich erst gegen die Hitze durch- und mit der Sprache auseinandersetzte, und mit dem Kairoer Verein Al-Ahly die ägyptische Meisterschaft und dann den Pokal gewann. Al-Ahly bezwang sogar im Asien-Cup im Endspiel den japanischen Meister Yomiuri.

Die ägyptische Nationalmannschaft trainierte er ehrenamtlich und führte das afrikanische Land 1990 zur WM nach Italien, wo man in drei Spielen nur eine einzige knappe Niederlage (0:1 gegen England) hinnehmen musste. Anschließend wechselte er noch für sechs Jahre ins kleine und beschauliche Liechtenstein, baute dort die Nationalmannschaft auf und verpflichtete den ehemaligen Fortuna-Spieler Ralf Loose als Nationaltrainer, dessen Assistent Sepp Weikl, ein weiterer Ex-Flingeraner, wurde.

Immer mit Fortuna in Kontakt geblieben
Den Kontakt nach Düsseldorf hatte Dietrich Weise lange Zeit kultiviert und erst in den letzten Jahren wurde es, krankheitsbedingt, ruhiger um ihn. Noch zum Aufstieg 2012 hatte er dem Vorstand eigens in einem handschriftlich verfassten Brief herzlich gratuliert und einen langen Verbleib in der Erstklassigkeit gewünscht.

Wer Weise kannte, wusste, dass dies keine Floskeln waren, sondern die ehrlichen Worte eines durch und durch ehrbaren und fairen Sportsmanns, wie auch Ehrenpräsident Hans-Georg Noack betonte, „der diese Anerkennung nicht nur in Düsseldorf und bei der Fortuna genoss.“ Weise sei für seine Zeit streng, aber fortschrittlich gewesen und habe „die richtige Ansprache gegenüber den Spielern gewählt, weil er fachlich, aber auch menschlich überzeugte.“

Zusammen mit seinem ehemaligen Schützling Gerd Zewe, der einmal sagte, dass Weise für ihn der beste Trainer in seiner Karriere gewesen sei, besuchte er sogar noch die Arena und das Gelände am Flinger Broich. „Ich war ziemlich erstaunt und finde es toll, was Fortuna hier mit Hilfe der Stadt umgesetzt hat“, stellte Weise erfreut fest. Er wäre gerne noch einmal jünger gewesen, sagte er, und würde noch einmal an seiner alten Wirkungsstatte arbeiten wollen. Und es sind nicht wenige, die glaubten, dass er auch heute noch an die Erfolge alter Tage hätte anknüpfen können.

Fortuna Düsseldorf verliert mit Dietrich Weise einen der maßgeblichen Wegbereiter für die Erfolge des Vereins in den 1970er und 1980er Jahren - einen dadurch verdienstvollen, aber ebenso aufrichtigen Mitstreiter, der in dankbarer Erinnerung bleiben und dem ein ehrendes Andenken bewahrt wird.

Die Anteilnahme der Fortuna gilt seinen Angehörigen und Freunden.

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