Eine Reise zurück zum Europacup-Finaltag
Bei der 10. Aktion der Mitgliederkampagne
Meilenstein, Mythos, Legende. Begrifflichkeiten, die gerne bemüht werden, um etwas Besonderes herauszustellen - und dabei nicht selten inflationär wirken. Wenn es jedoch ein Highlight aus der rot-weißen Geschichte verdient hat, mit allen zur Verfügung stehenden Superlativen bedacht zu werden, dann zweifelsfrei das Endspiel im Europapokal der Pokalsieger vom 16. Mai 1979. Fortunas Mannen mussten sich an jenem Frühlingsabend denkbar knapp mit 3:4 geschlagen geben, doch sie waren die Sieger der Herzen, auch wenn es eine solche Phrase damals noch nicht gab. Erinnerungen an dieses Spiel wurden am vergangenen Donnerstagabend noch einmal wach. Mit gerade neu beigetretenen Mitgliedern des Vereins, mit dem ältesten Mitglied der Fortuna - und mit drei Spielern, die als "Helden von Basel" unsterblichen Ruhm erlangt haben. Ein Superlativ, gewiss. Aber ein Passender.
Eine Zusammenkunft mit eben jenen Helden war bei der 10. Aktion der laufenden Mitgliederkampagne "Einfach Mitglied werden! BE PART OF YOUR TEAM" als Preis ausgelobt worden. Eine Reise in die Vergangenheit - auch für Thomas Allofs, Egon Köhnen und Gerd Zewe, die sich erstmals nach langer Zeit wiedervereint fanden im Clubheim der Fortuna am Flinger Broich, das bis in die achtziger Jahre der Treffpunkt schlechthin für die Aktiven war: Hier wurde nach dem Training oder den Spielen noch gefachsimpelt, gegessen und auch das eine oder andere Altbier getrunken. Da saß es also nun, das Kicker-Trio mit fast 1.100 Bundesliga-Spielen: Egon Köhnen, der Abwehr-Turm in der Schlacht. Thomas Allofs, vielfacher Torschütze, der seinem Bruder Klaus erfolgreich nacheiferte und das 1:1 in Basel schoss. Und natürlich Kapitän Zewe, die Ideen gebende Schnittstelle zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen. Auch heute noch strahlen sie geballte Kompetenz aus - auf eine sehr angenehme, weil souveräne, aber dennoch bodenständige Art. Vielleicht ist dies ein Wesenszug von Spielern jener Zeit, die erfolgreich und manchmal sogar unvergänglich wurden. Gut dazu gepasst hätte sicherlich auch der eingeladene Gerd Zimmermann, der allerdings kurzfristig und aus wichtigem Grunde absagen musste. Man erinnert sich sofort an ihn, an "Zimbo", der noch heute ob seiner unnachahmlichen Fernschüsse für einen verklärten Gesichtsausdruck bei Zeitzeugen sorgt. Und für ungläubiges Kopfschütteln bei denjenigen, die nie miterleben durften, wie der mittlerweile 57-Jährige seinerzeit bei Freistößen den Ball wahlweise gleich mitsamt redlich bemühten Schlussleuten in die Maschen bugsierte oder sie zu Torstehern degradierte.
Gleichzeitig - und dies war eine sehr schöne Geste von Claudia Beckers vom Mitglieder-Kampagnen-Team - war auch Fortunas ältestes Mitglied eingeladen: Der inzwischen auf die 90 Jahre zugehende Theo Schulte, der der Fortuna im zarten Alter von zehn Jahren beigetreten war, ist inzwischen mit der Diamantenen Nadel für 60 Jahre rot-weiße Leidenschaft ausgezeichnet - und verfolgte das Treiben mit wacher Aufmerksamkeit. Schulte ist immerhin einer der inzwischen nur noch wenigen, die die bislang einzige Meisterschaft der Fortuna als Zeitzeuge erleben durfte.
Mit großer Spannung wurden aber vor allem die authentischen Berichte, die die drei ehemaligen Spitzenfußballer zum Besten gaben, erwartet. Natürlich wusste das Trio mit etlichen Anekdoten aufzuwarten, doch Egon Köhnen gab auch unumwunden zu: "Ich kann mich nur noch vage an Einzelheiten des Spiels erinnern." Einigkeit herrschte, dass die Spanier in dem Finale mit großer Härte agierten, nicht selten vollkommen ungerührt vom Unparteiischen Palotai aus Ungarn zur Kenntnis genommen. Keine Legendenbildung, bitte, aber wie sonst lässt sich auch erklären, dass zwei Leistungsträger mit schweren Verletzungen ausscheiden mussten; und nie wieder an alte Leistungen anknüpfen sollten (Gerd Zimmermann) oder ihre Karriere sogar beenden mussten, wie Dieter Brei. Schmunzeln bei den Anwesenden löste da schon eher die Höhe der vom Fortuna-Präsidium ausgelobten Prämie aus: Hätten die Flingeraner an diesem denkwürdigsten aller Mittwochabende in der Vereinsgeschichte den Platz als Sieger verlassen, wäre jeder Spieler mit einer Extraprämie von 15.000 Mark bedacht worden. Diese Summe bekommt selbst ein unterdurchschnittlich spielender Bundesliga-Profi heute schon für weitaus geringere Dienstleistungen.
Die Geschichten beleuchteten aber gleichfalls die Kameradschaft und das etwas andere Zugehörigkeitsgefühl zum Verein. "Man war seinem Verein treu und wollte es auch bleiben. Man hat nicht andauernd darüber nachgedacht, ob ein anderer Verein möglicherweise mehr Geld bietet. Dafür war die Identifikation mit der Fortuna einfach viel zu groß", wusste Egon Köhnen zu berichten, der bereits zur ersten Aufstiegsmannschaft 1966 zählte. Er wäre gerne noch länger bei Fortuna geblieben, als er seinerzeit jedoch kritische Töne anzuschlagen wagte, wurde sein Vertrag nicht verlängert und seine Karriere endete bei Bayer (heute KFC) Uerdingen. Auch darin haben sich also die Zeiten geändert. "Wir haben damals schon so manche Entscheidung in Frage gestellt und sogar eine Krisensitzung abgehalten, weil hier einiges nicht rund lief", konnte auch Gerd Zewe bestätigen. Insbesondere der Verkauf der Allofs-Brüder, die unter dem Eindruck von finanziellen Problemen abgegeben wurden, habe dazu gezählt, denn "sie wurden nie adäquat ersetzt." Aber auch die Nicht-Verpflichtung von Horst Hrubesch, "die lediglich an einer vergleichsweise geringfügig höheren Ablösesumme scheiterte", sei eine eklatante Fehlentscheidung gewesen. Die schwerwiegendsten Konsequenzen seien aber aus dem mangelhaften Bemühen der damals Verantwortlichen zu ziehen gewesen, Dietrich Weise nicht weiter an den Verein zu binden. Denn der Übungsleiter, der nach seiner Zeit in Düsseldorf zum DFB wechselte, war in den Augen des ehemaligen Mannschaftsführers der legitime Vater der Erfolge, die unter seinen Nachfolgern Dieter Tippenhauer und Otto Rehhagel gefeiert werden konnten. Dem pflichtete auch Egon Köhnen bei, "denn Weise hatte maßgebliches Verdienst an der Ausformung unseres Teams zu einer Spitzenmannschaft."
Bevor jedoch der Wehmut in Gedanken an die alten Zeiten zu groß werden konnte, vermochte Thomas Allofs, Mitglied des aktuellen Vorstandes der Fortuna, auf die langsam aufkeimende Besserung auf allen Ebenen des Vereins hinzuweisen. "Wir arbeiten hart daran, den Verein wieder hochzubringen - nicht zuletzt unterstützt von zahlreichen Freiwilligen. Dass dies nicht immer einfach ist, wissen wir alle. Doch auch mit der tatkräftigen Hilfe unserer Fans ist vielleicht eines Tages eine Rückkehr in den europäischen Fußball denkbar."
Und was machen die drei heute sportlich? Gerd Zewe und Thomas Allofs jagen immer noch regelmäßig dem Rund hinterher, während Egon Köhnen inzwischen in Tennis seine Lieblingssportart gefunden hat: "Fußball ist mir körperlich zu weit unten - beim Tennis sehe ich die Filzkugel immer noch rechtzeitig, wenn sie auf mich zukommt." Ein weiterer Schmunzler an einem Abend, der natürlich mit den obligatorischen Autogrammwünschen zu Ende ging. Wobei Neu-Mitglied Stephanie Dreilich mit ihrem Original-Trikot aus den Siebzigern selbst den ehemaligen Stars des Rasen großen Respekt abringen konnte. Alles in allem war diese von Projektleiter Kai Niemann gemeinsam mit Claudia Beckers und Andrea Köhn organisierte Aktion ein großer Erfolg, der sicherlich bei anderer Gelegenheit und in anderer Form Wiederholung finden könnte. Wer an dem Abend dabei war, verließ gegen 23 Uhr den Flinger Broich sicherlich mit einem guten Gefühl und der Erinnerung an drei herausragende Persönlichkeiten eines herausragenden Finales. (tk)