Am Scheideweg
Chefcoach Norbert Meier vor dem Spiel gegen Borussia Dortmund II
Norbert Meier bat zum Pressegespräch - kurz vor Ende eines Monats, den er selbst am liebsten weitestgehend getilgt und der bei den Fortuna-Fans insbesondere in den vergangenen beiden Spielen für - gelinde gesagt - einige Aufregung bis Entsetzen gesorgt hatte. "Die letzte Woche war enttäuschend für uns alle. Dabei hätte es eine Woche werden können, die uns richtig hilft", fasste der Fußballlehrer knapp zusammen.
Doch Konjunktive helfen nicht, wie Meier selbst nachschob. "Fakt ist, dass andere gepunktet haben." Die Partie gegen Dortmund wird zum Scheidweg, denn mit einem Sieg kann die Regionalliga-Mannschaft wieder nach oben schauen, auch wenn dies immer noch kein Garantieschein für die Qualifikation für die neue eingleisige Dritte Liga sein wird. Den Fall einer Niederlage jedoch möchte in der Landeshauptstadt erst recht niemand er-leben, denn dann ginge es ums über-leben. So kann es gehen, wenn es nach oben auf einen Aufstiegsplatz gerade einmal zwei und nach unten auf einen Abstiegsplatz vier Zähler sind.
Der Gegner wird es der Fortuna gewiss nicht einfach machen. Denn dem Team aus Westfalen, das im Vorfeld mehrfach beobachtet wurde, bescheinigt Norbert Meier eine "fußballerisch hervorragende Ausbildung." Auch wer für die Reserve abgestellt wird, während die Erste Mannschaft parallel um Bundesliga-Punkte spielt, ist schwer auszurechnen. Denn am letzten Wochenende noch liefen mit Tyrala, Brzenska und Federico drei Akteure aus dem Erstliga-Kader auf.
Fortuna bleibt unterdessen das Verletzungspech treu. Während für die seit mindestens einem Spiel oder schon länger ausfallenden Hamza Cakir, Olivier de Cock und Henri Heeren auch am 33. Spieltag nicht zum Einsatz kommen werden, gibt es eine neue Hiobsbotschaft. Nachdem er schon unter der Woche über Probleme geklagt hatte, wird Michael Melka am Freitagabend definitiv ausfallen. Ein Muskelfaserriss zwingt den 29-Jährigen zur ersten Zwangspause in dieser Spielzeit. Dies bietet seinem knapp vier Jahre jüngeren Stellvertreter Michael Ratajczak erstmals die Möglichkeit, sich auszuzeichnen - eine Chance, auf die der im Sommer von Rot-Weiß Erfurt an den Rhein gewechselte Schlussmann sehnsüchtig gewartet haben dürfte.
Dass der Teamgedanke auch unter dem Eindruck des Personalmangels wieder in den Vordergrund rückt, dafür sollte ein gemeinsamer Abend unter der Woche sorgen. Statt eines weiteren Trainings ging Norbert Meier mit seinen Schutzbefohlenen ins Kino - in den Film "Lauf um Dein Leben".
Etwas mehr Zeit hatten die Rot-Weißen, die Niederlage zu verarbeiten, als nach der Schlappe in Lübeck. Wobei jeder anders damit umgegangen ist, wie Meier zu berichten wusste. Es gibt die Hartgesottenen, die schon gewisse Dinge erlebt haben. Aber auch solche, die in einer sehr behüteten Vereinsgeschichte aufgewachsen sind und für die diese Situation zum ersten Mal auftaucht." Ungeachtet der eigenen Geschichte will der Trainer eines sehen: Eine Reaktion. Und dabei ginge es nur um das Miteinander. "Einzelleistungen sind völlig uninteressant. Wir müssen zusammen stehen." Jeder müsse sich seiner Stärken bewusst sein und diese konsequent einbringen. Daher solle man auch nach Möglichkeit die beiden Niederlagen so schnell wie möglich abhaken und nach vorne schauen. "Es muss weitergehen! Denn wenn ich jetzt den Kopf in den Sand stehe, werde ich es nie zu etwas Großem im Fußball bringen", ist Meier überzeugt.
Auch Wolf Werner, Geschäftsführer Sport der Fortuna, der wie meistens bei dem Meeting mit den Medienvertreter zugegen war, sieht die Defizite, stellt sich aber vor das Team. "Noch zur Halbserie erhielten wir großes Lob, welch gute Mannschaft wir zusammen gestellt haben - und das bei 14 neuen Spielern." Die drei Spiele gegen Essen, Lübeck und Ahlen haben aber gezeigt, dass irgendwie doch "der Wurm" drin stecke. In der Liga gebe es keine Mannschaft, die so schwach ist, dass sie sich nicht gegen eine Niederlage wehrt. Daher müsse man stets 100 % Leistung geben und, metaphorisch gesprochen, mehr. "Warum verliert Bayern wohl in Cottbus? Oder die Fortuna in Lübeck?" Wobei Werner keinen Hehl daraus macht, dass Lübeck noch ärgerlicher gewesen sei, als Ahlen, die als heimstarke Mannschaft und Tabellenführer ihre Stärken über längere Zeit bewiesen haben. "Dort sind wir ins offene Messer gelaufen." Das allerdings am Kader festzumachen, hält Werner für falsch.
Ebenso wie Norbert Meier sieht Werner das fehlende Erfolgserlebnis nach einem Rückstand als erhebliches Manko und relativiert die Ziele der Flingeraner: "Es geht ausschließlich darum, unser Ziel, die Quali, zu erreichen." Die Mannschaft sei gefordert, wobei er - und auch darin ist sich der Manager mit dem Trainer einig, "Draufhauen eines der falschesten Dinge ist, die man jetzt machen kann."
Denn Fakt ist, dass 75% der etablierten Abwehrkette, die lange für eine positive Gegentreffer-Bilanz gesorgt hatte, ausfällt. Und ob es dann tatsächlich sinnvoll ist, die verbleibenden Kräfte mit überzogener Kritik zu entmutigen, die am folgenden Spieltag mit Selbstvertrauen auf den Platz gehen sollen, ist in der Tat fragwürdig.