17.10.2009 | 1. Mannschaft

Nur als Team sind wir richtig stark

Michael Ratajczak im Interview bei "Fortuna Aktuell"

In der zum Spiel gegen den FSV Frankfurt erschienenen Druckausgabe von "Fortuna Aktuell" ist es zu einer technischen Panne gekommen. Daher an dieser Stelle das komplette Interview der Woche mit Keeper Michael Ratajczak. Im Sommer 2007 kam Ratajczak von Rot-Weiß Erfurt zur Fortuna. Im dritten Jahr trägt er somit das Düsseldorfer Torwart-Trikot, auf dem in dieser Saison die Nummer "22" steht. Doch seit dem 1. Spieltag, genauer gesagt seit der Halbzeitpause der Auftaktpartie gegen Paderborn (3:0), als Michael Melka wegen einer Verletzung ausgewechselt wurde, steht er als Nummer 1 zwischen den Pfosten.

"Fortuna Aktuell" hat mit ihm über seine familiären Wurzeln, seine sportliche und berufliche Ausbildung gesprochen, eine sportliche Zwischenbilanz gezogen sowie über seinen Spitznamen, ihn selbst, seine Spielvorbereitungen und seine eigene Torwart-Philosophie geredet.

 

Dein Familienname ist natürlich geradezu prädestiniert für die Frage: Hast Du polnische Vorfahren?
Ich habe mal vor einiger Zeit mit meiner Großmutter ein wenig Ahnenforschung betrieben. Sie hat mir den Stammbaum gezeigt und dabei ist in der Tat herausgekommen, dass unsere Familie über polnische Wurzeln verfügt. Meine Ur-Urgroßeltern stammen von dort. Ich habe aber keine direkten Vorfahren mehr, die in Polen leben. Somit ist nur noch der Name übrig geblieben und von dem sagt man, dass er für einen verarmten polnischen Hochadel steht. (Anm. d. Red. Auch unsere Überprüfungen ergaben keinen genauen Herkunfts- oder Bedeutungsnachweis des Namens.)

 

Weg von der Namensforschung mitten hinein ins Sportliche. Wie lange hat es gedauert, bis die unnötige und absolut ärgerliche 1:2-Niederlage vor zwei Wochen bei der Spielvereinigung Greuther Fürth aus dem Kopf war?
Also ich habe da schon gut zwei Tage gebraucht, um das Ganze zu verarbeiten. Zumal wir ja nicht schlecht gespielt haben und ein Sieg durchaus verdient gewesen wäre. Dass man danach natürlich unglücklich ist, dürfte nachvollziehbar sein. Aber ungeachtet aller Diskussionen müssen wir uns an die eigene Nase fassen, dass wir die Partie nicht vorzeitig für uns entschieden haben, zumal wir die Möglichkeiten dazu hatten.

 

Du warst bei beiden Gegentoren machtlos. Stellt man sich trotzdem als Torhüter die Frage: "Hätte ich doch hier, oder hätte ich da, vielleicht hätte ich...?"
Wir haben, wie sonst ebenso üblich, anschließend noch eine Videoanalyse gemacht und da waren unser Torwarttrainer Michael Stahl und ich uns einig, dass ich in beiden Situationen keine Chance hatte, um irgendetwas anders, besser zu machen. Aber grundsätzlich ärgert mich logischerweise jedes Gegentor. Und dann überlegt man halt immer, wie man vielleicht hätte anders reagieren können. Aber oftmals ist es dann in der Nachbetrachtung so, dass man die Automatismen, die man sich im Training aneignet, dann auch im Spiel umsetzt. Und häufig wird ersichtlich, dass eben nichts zu machen war - wie übrigens auch beim Gegentor bei der 0:1-Niederlage bei Union Berlin.

 

Die Fortuna belegt nach dem 8. Spieltag den neunten Platz mit einem ausgeglichenen Punktekonto. Wie lautet Dein Zwischenfazit?
Vor der Saison wäre ich damit einverstanden gewesen. Jetzt muss man natürlich sagen, dass wir unsere Auswärtsspiele auch anders hätten gestalten können. Spielerisch können wir in dieser Liga auf jeden Fall mithalten. Da mache ich mir keine Sorgen. Es wird darauf kommen, dass wir zu Hause eine Macht sind und hier unsere Spiele gewinnen. Aber auch auswärts wollen wir schon noch punkten.

 

Die Heimbilanz ist durchaus positiv bei zwei Siegen und zwei Unentschieden. Auswärts gab es dagegen einen Sieg, aber auch schon drei Niederlagen. Waren die Unterschiede in Euren Auftritten heim und auswärts denn so unterschiedlich?
Eigentlich überhaupt nicht! Ich fand, dass wir auswärts trotz "nur" drei Punkten teils sehr gut mitgehalten und manchmal dominiert haben. Deshalb ist es auch so bitter, dass wir erst einen Auswärtsdreier geholt haben. Uns hat ja kein Gegner an die Wand gespielt. Weder in Berlin bei diesem "Eiertor" zum 0:1 noch beim 0:3 in Duisburg, wo wir anfangs besser waren und eine starke erste Halbzeit gespielt haben und eben auch nicht beim 1:2 in Fürth.

 

Du hast immerhin seit Saisonbeginn dreimal "zu Null" gespielt und einen Strafstoß gegen Augsburg pariert...
Ich denke, dass das schon ganz ordentlich war. Aber ich versuche halt, in jedem Spiel mein Bestes zu geben und damit meinen Teil im Mannschaftsgefüge zu erfüllen. Denn nur als Team sind wir richtig stark.

 

Du bist jetzt im dritten Jahr bei der Fortuna. In der Saison 2007/08 hast Du sechs Spiele in der Regionalliga absolviert, im letzten Jahr in der 3. Liga kein einziges, dafür aber 12-mal in der NRW-Liga bei der Zwoten. Du hast also lange Zeit auf diese Chance warten müssen. Welche Gedanken macht man sich da?
Also Selbstzweifel haben mich nicht überkommen, weil ich von mir und meiner Leistung überzeugt bin. Das ist sicherlich auch die beste Einstellung, denn es war und ist auch heute keine einfache Situation für mich, da ich in der Vergangenheit nicht so häufig gespielt habe. Aber ich habe lange dafür gearbeitet und das ist schließlich mein Job, den ich mit ausgesprochener Leidenschaft ausübe. Zumal wir Fußballer doch den schönsten Beruf haben, weil wir ja unser Hobby zum Beruf gemacht haben.


Auch wenn Du zuletzt in Erfurt gespielt hast: Du bist ein Junge aus dem "Pott" - geboren in Herne und in Herten aufgewachsen. Aber Du hast in der Jugend sowohl für "S 04" als auch für den "BVB" gespielt. Ist das nicht eine "Todsünde"?
Es war in der Tat so, dass einige meiner Familienangehörigen es mir bis heute nicht verziehen haben, dass ich von Schalke nach Dortmund gegangen bin. Aber zum damaligen Zeitpunkt und auch heute noch gab und gibt es bei der Borussia mit die beste Jugendarbeit. Deshalb habe ich diesen Schritt gewagt. Dort habe ich mich gut entwickeln können und konnte ab der A-Jugend drei Jahre lang bei den Profis mittrainieren, bin zu den Spielen mitgefahren und habe sowohl in der Bundesliga als auch in der Champions League auf der Bank gesessen. Das war schon eine lehrreiche und schöne Zeit, die ich nicht missen möchte.

 

Aus dieser Zeit kennst Du auch Deinen aktuellen Torwarttrainer?
Richtig. Ich habe Michael Stahl während meiner A-Jugend-Zeit kennen gelernt. Er hat damals Jens Lehmann trainiert und ein Jahr lang habe ich auch mit ihm zusammen gearbeitet. Von daher kenne ich seine Trainingsweise. Ich weiß, worauf es ankommt und verstehe seine Philosophie, die dahinter steckt. Wir arbeiten sehr akribisch zusammen und da gibt es auch schon mal die eine oder andere Diskussion um Situationen, die wir dann entsprechend aufgearbeitet haben.

 

Bist Du eigentlich als Torwart geboren worden oder hast Du auch mal auf dem Platz gespielt?
Ja, natürlich fing ich als Feldspieler an. So wie jeder kleine Junge etwa im Alter von sechs Jahren. Aber irgendwie war ich da wohl nicht so begeistert. Deshalb habe ich später noch nebenbei mit Handball angefangen. Und dann suchten sie irgendwann auf dem Bolzplatz einen "Deppen", der sich ins Tor stellt. Tja, den haben sie dann in mir gefunden! Und ich muss dann meinen Job gar nicht mal so schlecht gemacht haben - jedenfalls sollte es meine Stammposition werden.

 

Bei den Feldspielern gibt es die unterschiedlichsten Typen: Abräumer und Ausputzer in der Abwehr, Arbeiter, Staubsauger und Strategen im Mittelfeld oder Flügelflitzer und Knipser im Angriff. Gibt es solche Typisierungen auch unter Torhütern?
Ich denke schon. Die muss es ja auch geben. Sonst wäre es doch zu langweilig. Jeder Torhüter entwickelt seinen eigenen Stil und seine eigene Persönlichkeit.

 

Wie siehst Du Deine Persönlichkeit, wie schätzt Du Dich ein?
Als "Rata"! So ordne ich mich ein. Ich bin mein eigener Typ. Auf dem Platz versuche ich manche Dinge fußballerisch lösen, um das Spiel von hinten mit aufzubauen. Aber ich will einfach nur, dass die Mannschaft Erfolg hat und meinen eigenen Teil dazu beitragen.

 

Reagierst Du auch im richtigen Leben auf Deinen Spitznamen "Rata"?
Absolut. Teilweise fühle ich mich schon gar nicht mehr angesprochen, wenn man mich mit meinem richtigen Vornamen anspricht. Dieser Spitzname hat sich ganz einfach überall durchgesetzt.

 

Wie sieht Dein Werdegang abseits des Fußballplatzes aus. Du hast eine abgeschlossene Ausbildung absolviert?
Das war mir wichtig. Ich habe nach meinem Realschulabschluss mit 16 Jahren eine Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann in Dortmund gemacht - mit Erfolg. Das war eine harte aber auch lehrreiche Zeit, denn ich war manchmal von morgens sechs Uhr bis abends um halb zehn unterwegs mit Schule, Ausbildung und zweimal Training. Aber als junger Kerl nimmt man das in Kauf. Es gab halt dieses Ziel, dass ich irgendwann einmal professionell Fußball spiele und da habe ich andere Dinge hintenan gestellt.

 

Nach Deiner Lehre kam noch ein anderer "Nebenjob" dazu?!
Ja, ich habe nach meiner Ausbildung noch den Zivildienst geleistet. Da war ich in einer Sozialstation des Arbeiter-Samariter-Bund und habe in der Pflege geholfen.

 

Wäre denn der Groß- und Außenhandelskaufmann eine berufliche Alternative nach der Zeit als Profi-Fußballer?
Na ja, momentan mache ich noch ein Fernstudium beim IST-Studieninstitut zum Sportfachwirt. Das läuft nebenher, was aber derzeit etwas zu kurz kommt, weil ich mich intensiv auf die Spiele vorbereite. Aber das Karriereende lässt hoffentlich noch eine ganze Weile auf sich warten. Damit will ich mich eigentlich gar nicht befassen, weil ich denke, dass ich noch einige Jahre vor mir habe. Aber der kaufmännisch-administrative Bereich interessiert mich schon.

 

Was bedeutet es, dass Du Dich "intensiv auf die Siele vorbereitest"?
Dadurch dass die 2. Bundesliga nun mehr im Fokus steht, ist es einfacher sich auf den nächsten Gegner einzustellen. Generell schaue ich mir die Spiele ohnehin auf Video an und konkret sieht die direkte Spielvorbereitung bei uns so aus, dass wir einen Tag vor der Partie im Hotel sind. Ich versuche mich dann, frühzeitig voll und ganz auf das Spiel zu konzentrieren. Teilweise stellt man sich gewisse Situationen im Kopf vor, um Dinge durchzugehen. Unmittelbar vor dem Spiel lese ich ein wenig, um mich wirklich nur auf das eine zu konzentrieren. Und falls die Frage kommt, sei sie gleich beantwortet: Meistens sind dies Bücher von Henning Mankell oder Simon Beckett.

 

Wie sehen Deine persönlichen Ziele, Träume und Wünsche aus?
Das mag banal klingen, aber mein Ziel ist es, in jeder Begegnung im Tor zu stehen und zu gewinnen, damit wir frühzeitig für die kommende Spielzeit planen können. Zumal auch mein Vertrag am Ende dieser Saison ausläuft.

 

Michael, wir danken für das Gespräch und wünschen Dir noch viele weitere Spiele ohne Gegentor sowie eine lange und erfolgreiche Zeit in Düsseldorf. (ah)

 

 

Das gesamt Interview ist nachzulesen in der 735. Ausgabe von "Fortuna Aktuell", dem Vereinsmagazin von Fortuna Düsseldorf, das am Sonntag in der ESPRIT arena angeboten wird.

Weitere Themen der Ausgabe:

  • News rund um Fortuna Düsseldorf
  • Was macht eigentlich... Richard Walz
  • FARE - Fans gegen Rasissmus
  • Berichte über die Zwote, Jugend und Handball
  • Poster Martin Harnik
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