12.11.2009 | 1. Mannschaft

Herzlichen Glückwunsch, lieber Matthes Mauritz!

Ehemaliger Rekordspieler der Fortuna feiert seinen 85. Geburtstag

Vor achteinhalb Jahrzehnten erblickte er das Licht der Welt - und die meisten, die ihn bis heute kennen gelernt haben, verbinden mit ihm den Fortunen, der einen vereinsinternen Rekord aufgestellt hatte. Dabei war genau diese Karriere bei Matthes Mauritz, dem wir an dieser Stelle herzlich gratulieren wollen, alles andere als vorgezeichnet.Doch spätestens nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs avancierte Matthias Mauritz, den alle - außer seiner Frau Marianne - nur Matthes nennen, schon bald zum Idol der Fußballfans in der Landeshauptstadt. Ob alt, ob jung: Sie waren begeistert von der kämpferischen Einstellung, aber auch von seinen technischen Finessen.

Dass er darüber hinaus immer wieder mit Toren aufzufallen wusste, setzte der Beliebtheit noch die Krönung auf. Sein Debüt gab Mauritz im Trikot der Fortunen am 30. Oktober 1945 gegen die britischen Militärs der Royal Welsh Fusiliers. Es sollten 15 Jahre aktive Laufbahn folgen bis zum letzten Meisterschaftsspiel am 24. April 1960 bei Rot-Weiß Oberhausen. Die frühere Geschäftsstellenleiterin Liesel Radziwill hatte seinerzeit recherchiert: Insgesamt 760-mal trug er somit das Jersey mit dem "F95"-Logo - ein Rekord, der bis 1981 Bestand haben sollte. Insgesamt 108 Tore konnte er dabei erzielen.

 

Es war aber nicht nur das Sportliche, was ihn zu einem echten Idol werden ließ, sondern auch seine menschlichen Qualitäten, von denen sein damaliger Mannschaftskamerad und der spätere Bundestrainer, Jupp Derwall, zu berichten wusste. "Vom Fußballerischen her waren wir natürlich froh, einen Mann wie Matthes Mauritz in der Mannschaft zu haben", sagte Derwall, der 2007 verstarb und mit Mauritz zwischen 1954 und 1959 in einem Team spielte. "Dazu kommt sein toller Charakter: Er ist einfach ein spaßiger, liebenswerter, lustiger Kerl. Wir sind immer gute Freunde geblieben." Derwalls Sohn Patrick arbeitete sogar als Auszubildender im späteren Sportgeschäft von Mauritz, das er ab 1961 mit seinem Partner Otto Stuhldreier führte, nachdem er vor und am Anfang der Fußballer-Laufbahn bereits die Bäckerei und Konditorei seiner Eltern weitergeführt hatte. Doch das runde Leder übte auf ihn noch größere Magie aus als Kastenbrot und Rumkugeln.

 

An die Anfänge als Fußballer erinnert Matthias Mauritz sich, als sei es gestern gewesen: "Wir trafen uns mit den ehemaligen Schülern von der Rethelstraße im Café Weitz auf der Kö. Das war Anfang August 1945. Ich war gerade aus dem Krieg zurück nach Düsseldorf gekehrt", erinnert sich der Jubilar. "Da hörten wir davon, dass wir gegen Fortuna spielen sollten. Wir haben zwar 2:7 verloren, aber ich muss wohl ganz gut angekommen sein." Denn nach der Partie sprach ihn der Schiedsrichter an: "Mein Name ist Hans Körfer, ich bin von Fortuna, und du gibst mir mal deine Telefonnummer." Wer dachte, dass der 20-Jährige nun in Jubel ausbrechen würde, der sah sich getäuscht. "Herr Körfer, ich bin doch kein Fußballer, ich bin Tennis- und Hockeyspieler." Doch derartige Einwände zählten nicht. "Kurz danach rief bei uns zu Hause Toni Rudolph an, der Wirt vom Benrather Hof, der auch Fortuna-Manager war." Er hatte das entscheidende Argument: "Du bekommst ab sofort jede Woche zwei Pfund Fleisch, zwei Brote und drei Abendessen." Der Fußballer und Fortune Matthes Mauritz war geboren.
Nach drei Spielen in der Reserve unter Trainer Hans Meck, Fortunas einzigem Ehrenspielführer, gelangen dem Debütanten gegen einen 39-jährigen englischen Stopper vor 15.000 Zuschauern gleich zwei Tore, die zum 4:0-Sieg beitrugen. "Ich bin dem armen Kerl davon gelaufen, der rannte die 100 Meter vielleicht in gerade mal 19 Sekunden", berichtet Mauritz, dessen Bestmarke zu seiner aktiven Zeit bei 10,8 Sekunden lag. Mit dieser Zeit hätte er beispielsweise selbst zu Beginn dieses Jahrtausends nur um 8/100 die Qualifikation für den Endlauf bei den Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften verpasst. In derselben Düsseldorfer Mannschaft kickten mit Paul Janes und Felix Zwolanowski auch zwei Spieler, die er noch 1933 als Achtjähriger zusammen mit seinem Vater auf der Tribüne des Müngersdorfer Stadions zu Köln bewundert hatte. Mit heißem Herzen und roten Wangen fieberte er beim 3:0-Triumph gegen den FC Schalke 04 bis zum Schlusspfiff durch Schiedsrichter Birlem mit: Fortuna war Deutscher Meister. "Und mit denen durfte ich nun zusammen spielen, Mann, war ich stolz", schwelgt Mauritz noch heute in Erinnerungen.

 

Was nun folgte, war die Zeit der so genannten "Kalorienspiele": "Wir haben zwischen 1945 und 1949 dreimal pro Woche gespielt, sind immer bis an die holländische Grenze in die Dörfer gefahren. Als Gage gab es etwas zu essen. Wir haben uns so die Bäuche voll geschlagen, dass wir oft verloren haben." Doch der Lohn stimmte, denn nicht nur mit vollen Mägen, sondern auch Taschen ging es per Bus zurück nach Düsseldorf. "Der war mit Holzgas betrieben, innen versteckten wir die Marmeladengläser. Vorne setzten wir Paul Janes hin, der uns durch die Kontrollen der Alliierten lotste." "Gestatten, Janes, Paul, Rekordnationalspieler, wir sind Fortuna Düsseldorf und haben Kohldampf, aber nichts Verbotenes dabei!"

In die Länderauswahl fanden die beiden Ausnahmefußballer nie zusammen. Janes hatte das Adler-Trikot zuletzt 1942 getragen, Mauritz gelang dies als Amateur nur ein einziges Mal, nämlich 1959 beim 1:1 gegen Polen. Da war er als ältester Debütant aller Zeiten bereits 34 Jahre alt und bekam vom damaligen Bundestrainer Sepp Herberger den Einsatz geschenkt: "Der wollte mich schon 1952 haben, aber da hätte ich mit dem Tennis aufhören müssen, und ich kam doch vom Tennis." Im Spiel mit der Filzkugel brachte er es zwischen 1948 und 1958 als Aktiver bis auf Platz elf der deutschen Rangliste.

 

Das Talent im Tennis war sein Glück - sein doppeltes Glück sogar: Zunächst half ihm dies noch während des Krieges. Nachdem es ihn über Polen, Leningrad, Berlin und Wien nach Kitzbühel verschlagen hatte, sprach ihn dort im Sanitätsdienst ein US-General an, ob er Tennis spielen könne: "Die Amerikaner hatten in zehn Tagen drei Plätze aus dem Boden gestampft. Ich nickte, er drückte mir einen Schläger in die Hand, ich habe ihn fürchterlich auf dem Platz zusammen gehauen. Das hat ihn beeindruckt. Von da an spielte ich morgens Tennis, mittags war ich der Casinokellner." Der zweite Glücksfall rund um seine Tennisbegeisterung hieß Marianne. "Wir lernten uns im Tennisklub des DSC 99 im Jahre 1958 genau auf meinem 20. Geburtstag kennen", erzählt seine spätere Ehefrau, mit der er inzwischen 48 Jahre verheiratet ist. Perfekt gemacht wurde das Familienglück durch die beiden Töchter Marina und Melanie. Enkelkinder kamen später ebenfalls hinzu - und auch das, so Mauritz, "hält mich bis heute jung."
Dennoch weiß Marianne Mauritz auch heute noch zu berichten: "Ich wusste damals gar nicht, dass er ein so populärer Sportler war. Jedenfalls gefiel mir sofort seine Art, seine Fröhlichkeit, man konnte ihm nicht böse sein. Am nächsten Tag musste er bei meinen Eltern antanzen." Die Standes-Prüfung bestand ihr Lebenspartner mit Bravour. Und als sie ihre Liebe das erste Mal zum Fußball begleitete, fiel ihr eines direkt auf: "Alle sahen hinterher aus wie Ferkel, nur er war der Sauberste. Das lag natürlich an seiner Schnelligkeit." Fortunas Trainer Hermann Lindemann nahm die neue Frau an Mauritz’ Seite auch erst einmal ins Visier: "Frollein", sagte er, "Frollein, wenn der Matthes jetzt schlecht spielt und keine Kondition mehr hat, dann sind Sie von der Bildfläche verschwunden." Das war deutlich, doch stachelte dies den unbändigen Ehrgeiz des Allroundsportlers noch mehr an. "Mein Mann hatte eine energische Einstellung. Wenn wir am Rhein entlang gingen, lief er immer 100 Meter voraus und rief: ‘Ich muss Kondition tanken.’"

 

Diese Einstellung brachte ihm dreizehn Einsätze in der Amateur-Nationalelf, die 1952 in Helsinki und 1956 in Melbourne jeweils an den Olympischen Spielen teilnahm. Doch fragt nach seinem schönsten Erlebnis als Fußballer, so beginnen seine Augen zu glänzen: "Das war eindeutig unser Spiel im Jahre 1959 in Madrid. Da spielten wir vor 90.000 Zuschauern, und der Gento hat mich nass gemacht." Fortuna gastierte bei einer Kombination aus Akteuren von Athletico und Real Madrid, der damals besten europäischen Mannschaft. Paco Gento galt als der herausragendste Außenstürmer der Welt. "Ich bin ja nicht langsam, aber was der mit mir gemacht hat, war schon Wahnsinn", gestand Fortunas Vorzeigespieler nach der Partie. Trotz der 1:0-Führung verlor die Elf von Trainer Lindemann mit 1:4. "Darüber waren wir sauer", ärgert sich Jupp Derwall auch Jahre später noch. "Nur für Matthes war es wahrscheinlich die größte Niederlage. Als wir gegessen hatten, wollten wir noch einen Wein trinken gehen. Nur er war dazu nicht in der Lage, ging gleich ins Bett. Später haben wir ihn bei Oberliga-Spielen immer aufgezogen: ‘Matthes, heute spielst du gegen Gento.’"
Spielen und immer wieder Spielen. Matthes Mauritz ist die perfekte Verkörperung des "Homo ludens", des spielenden Menschen. Er war nicht nur aktiver Fußballer und Tennisstar, sondern auch Deutscher Jugendmeister im Hockey und Hockey-Jugend-Nationalspieler, ein außergewöhnlicher Leichtathlet, begann mit 60 Jahren das Golfspielen und erreichte hier Handicap 18. "Der Mittag" schrieb zu seinem Karriere-Ende: "Wenn Matthes Segelfliegern in die Hände gefallen wäre, hätte er sich wahrscheinlich auf der Wasserkuppe in der Rhön wiedergefunden. Man kann sich Matthes sozusagen in jeder Sparte vorstellen, auch als Skispringer, Radrennfahrer oder Turnierreiter." Da lacht der so Gelobte: "Reiten? Ein grausamer Sport. Bloß nicht, das Pferd hat mich in der zweiten Runde abgeworfen."

 

Heute gratuliert Fortuna Düsseldorf seinem Ehrenmitglied, das bei fast jedem Heimspiel auf der Tribüne der ESPRIT arena, aber auch in den nicht so guten Zeiten im Paul-Janes-Stadion die Daumen gedrückt hat. Zur 500. Partie gab es 1954 einen Fernseher, zum Abschiedsspiel 1961 gegen Tennis Borussia Berlin einen Blumenstrauß. "Viel lieber ist mir, dass es mit unserer Fortuna weiter aufwärts geht. Wir haben eine gute Mannschaft, die sich hervorragend in der 2. Bundesliga eingefunden hat. So kann es ruhig weiter gehen", wünscht sich das Geburtstagskind.

 

Herzlichen Glückwunsch, lieber Matthes - sagt Dir die gesamte rot-weiße Fortuna-Familie. Wir alle wünschen Dir, dass Dir noch viele, viele Jahre in Gesundheit und Glück beschieden sein werden.

 

Ein Ausnahmesportler in Zahlen
Fußball:
■ 760 Spiele (108 Tore) für Fortuna Düsseldorf von 1945 bis 1960
Davon 297 Oberligaspiele (44 Tore)
■ 5 DFB-Pokalspiele (0 Tore), davon 2 Endspiele
■ 1 A-Länderspiel
■ 2 B-Länderspiele (1 Tor)
■ 13 Amateur-Länderspiele (1 Tor)
■ 2 Teilnahmen an Olympischen Spielen

Hockey:
■ 1 x Deutscher Hockey-Jugendmeister
■ 2 Hockey-Jugend-Länderspiele

Tennis:
■ Deutsche Tennis-Rangliste zwischen 1948 und 1959, Bestplatzierung: Rang elf
■ 1 Mal Niederrhein-Meister
■ 21 Mal Deutscher Senioren-Meister
■ 4 Mal Senioren-Europameister

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