Marco Langer feiert 20-jähriges Dienstjubiläum
Vom Fan zum Archivar der Rot-Weißen
Wann immer es um Zahlen, Historie und ihre Zusammenhänge geht, taucht bei Fortuna Düsseldorf der Name Marco Langer auf. Seit nunmehr genau zwei Jahrzehnten ist der 48-Jährige verantwortlich für das Archiv der Flingeraner. Für den Mann, der komplett ehrenamtlich für die Fortuna tätig ist, eine anspruchsvolle Aufgabe. Nicht nur, weil die Quellenlage vor seiner Zeit aufzuarbeiten mitunter eine echte Herausforderung ist.
Seinen Weg zum Verein hat Langer gefunden, als Reiner Geye noch unter Anweisung von Heinz Lucas Tore schoss. Im Laufe der Zeit interessierten ihn immer mehr die Ursprünge "seines" Clubs, bis er eines Tages Gehör fand bei den Verantwortlichen. Und während mancher Vereins-Archivar ein reiner Verwalter von Daten und Fakten, von alten Zeitungsausschnitten und vergilbten Fotografien ist, bemüht Langer sich, die Vergangenheit des Düsseldorfer Turn- und Sportvereins Fortuna von 1895 e.V. mit Leben zu füllen, sie zu ergänzen, wann immer es geht und dies in einer Akribie, die seinesgleichen sucht.
Ganz nebenbei beantwortet er auch noch die fast täglich eingehenden Anfragen und steuert regelmäßige Beitrage zum Entstehen der Stadionzeitung "Fortuna Aktuell" bei. Dabei ist seine (Frei-)Zeit begrenzt: Er ist schließlich nicht nur Angestellter bei der Stadtsparkasse Düsseldorf, sondern auch verheiratet und zweifacher Familienvater.
"Fortuna Aktuell" nahm das 20-jährige Jubiläum mit Marco Langer zum Anlass ein Interview zu führen.
Herr Langer, haben Sie eigentlich über Ihre Vorliebe für Daten und Statistiken hinaus auch ein gutes Gedächtnis?
Nicht in allem, aber in Bezug auf Ereignisse und Leute schon, ja.
Dann erinnern Sie sich ja sicherlich auch an den 8. Oktober 1990...
Da war ich in der Geschäftsstelle und habe mir die dort gesammelten Zeitungen abgeholt. Das war der Auftakt für meine Mitarbeit bei der Fortuna.
War damals absehbar, dass Sie der künftige Archivar des Vereins sein würden?
Ich hatte schon zwei Jahre zuvor privat begonnen, die Stadionzeitungen zu sammeln. An eine tatsächliche Archivarbeit war aber damals bei der Fortuna gar nicht zu denken. Im Sommer 1990 bin ich zu einer Fragerunde des "Düsseldorfer Anzeigers" eingeladen worden, an der unter anderem der damals gerade einmal 19-jährige Karsten Hutwelker und auch der ehemalige Präsident Peter Förster teilgenommen hatten. Förster fand meine Idee soweit schon sehr gut. Konkret wurde es dann aber erst, als ich bei der Saisoneröffnung Manager Werner Fassbender von meinen Plänen erzählte. Er gab den eigentlichen Startschuss und meinte nur: "Dann fangen Sie mal an".
Mit welcher Motivation sind Sie gestartet?
Ich bin kein Freund halber Sachen. Bis heute ist es mein Ziel, alle Partien und Spieler der Fortuna seit 1895 zu erfassen. Bislang bin ich bei rund 4.600 Spielen angelangt. Aber bei Spielen vor 1947 wird es unheimlich schwierig, weil die Sportberichterstattung in jener Zeit eine ganz andere war. So habe ich zum Beispiel den kompletten Jahrgang einer Zeitung aus den 1920er Jahren durchforstet und bin gerade einmal auf zwei Namen von Spielern gestoßen. Ansonsten liest man nur von "Düsseldorfer Läufer" oder "Stürmer der Fortuna" - und nicht wie heute, wo es eine Selbstverständlichkeit ist, dass die Akteure namentlich erwähnt werden.
Fortuna-Fans wird eine besondere Leidensfähigkeit nachgesagt. Als Kenner sämtlicher Statistiken schienen Sie jedoch während der Niederlagenserie zu Beginn der Saison recht gelassen...
Immerhin spielen wir ja in der 2. Bundesliga und nicht in Liga 3 gegen Germania Teveren oder in der Oberliga gegen Borussia Freialdenhoven - ohne diesen Vereinen zu nahe treten zu wollen. Aber das allein ist schon mal sehr viel wert für uns. Aber ich gebe zu, dass der Sieg gegen Osnabrück in jeder Hinsicht unheimlich wichtig war. Allein schon, weil ich dann wieder eine neue Statistik hätte aufstellen müssen - und die hätte Fortuna nur sehr ungern veröffentlicht...
Ändert Ihre Kenntnis von Serien und Statistiken Ihren Blickwinkel auf ein Spiel?
Die nehme ich im Hinterkopf mit ins Stadion, letztlich müssen sie aber nichts bedeuten. Nur die Heimserie in der letzten Saison war schon fast beängstigend positiv. Und wie Fortuna-Fans ticken, konnte ich an einem Bekannten sehen, der einmal gesagt hat: "Für jedes positive Erlebnis muss ein Fortuna-Fan mit doppelt so vielen Negativ-Erlebnissen bezahlen." Das lässt sich statistisch sogar bedingt belegen. Zuletzt haben wir den Aufstieg in die 1. Bundesliga mit dem Abstieg in die 4. Liga bezahlt. Jetzt hatte ich die Befürchtung, dass die jüngste Niederlagenserie der Anfang der Bezahlung für die letzten beiden Jahre ist. Aber insgesamt gehe ich optimistischer ans Werk.
Bei all Ihrem Wissen sind Sie doch prädestiniert für Sportwetten.
Das hab ich noch nie getan, dafür bin ich nicht der Typ.
Als Archivar hüten Sie die Identität des Vereins. Befürchten Sie, dass im Zuge von Modernisierung und Globalisierung die Vereine mehr und mehr ihre Seelen verlieren und beliebig werden?
Das muss man differenziert betrachten. Man muss trennen zwischen dem Verein in Form seiner Mitglieder und Fans. Für sie wird ihr Club immer eine Herzensangelegenheit bleiben. Auf der anderen Seite steht der Verein mit seinen Spielern als Arbeitnehmern und ist daher wie ein Wirtschaftsunternehmen wie jedes andere auch zu sehen. Für Spieler und Trainer wird es immer ums Geld gehen - es ist schließlich ihr Job. Aber darum ging es immer schon - auch in den 1920er Jahren. Das kann man bedauern, aber es ist so. Aber zum Glück gibt es ja immer noch Ausnahmen. Und - um weiter bei der Statistik zu bleiben - es ist auffällig, dass gerade junge Spieler, die Fortuna vorzeitig verlassen haben, bei ihren neuen Clubs nicht unbedingt erfolgreicher waren. Es muss also doch etwas dran sein an unserer Fortuna.
Herr Langer, wir danken Ihnen für das Gespräch, gratulieren recht herzlich zu Ihrem Jubiläum und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg und Durchhaltevermögen in der Aufarbeitung unserer Vereinsgeschichte.