21.01.2011 | 1. Mannschaft

Auf den Spuren von Zizou und anderen Größen

Fortuna gastiert in einem der größten Stadien Deutschlands

Von Jesse Owens über Zinedine Zidane bis hin zu Usain Bolt - das Berliner Olympiastadion bildete im Lauf der Jahrzehnte immer wieder die Bühne für die größten Sportler der Geschichte. Am Sonntag reiht sich die Düsseldorfer Fortuna zum ersten Mal seit 1996 wieder in die illustre Galerie der aktiven Gäste ein - Zeit für einen kurzen virtuellen Abstecher ins Gemäuer in Berlin.

Es gibt viele geschichtsträchtige und traditionsreiche Fußballstadien in der deutschen Hauptstadt. Man denke nur an den Jahn-Sportpark, von dessen exponierter Höhenstellung man zu DDR-Zeiten den seltenen freien Blick über den Mauerstreifen hinweg nach West-Berlin hatte; dann an das altehrwürdige Mommsenstadion, in dem Tennis Borussia eifrig, aber vergeblich daran werkelte, die Nummer Eins in Berlin zu werden; schlussendlich das Poststadion an der Lehrter Straße oder gar die Alte Försterei, die die Fans von Union Berlin erst kürzlich im Tausch gegen ein paar Bier und eine Bratwurst in Eigenregie generalüberholten - 140.000 Arbeitsstunden waren nötig, bis die DFL das 1920 eingeweihte Kleinod als zweitligatauglich einstufte. Ein ganzes Lexikon der Fußballgeschichte wurde auf den knapp 900 Quadratkilometern der Bundeshauptstadt geschrieben - und doch fällt dem Fußballfan beim Gedanken an Berlin zunächst das respekteinflößende Olympiastadion ein, das majestätisch und ruhig, wie aus einem Stück gehauen, inmitten des Olympiageländes im Berliner Westend ruht.

 

Im unseligen Jahr 1933 von den Nationalsozialisten in Auftrag gegeben, wurde nach Plänen von Werner March ein an die Gestaltung antiker Sportstätten angelehntes Oval erbaut, das das Herzstück des umgebenden Olympiageländes mit dem Schwimmstadion, dem Maifeld und dem Glockenturm bildete. Es sollte dabei lange Zeit die größte Sportveranstaltungsstätte in Deutschland bleiben. Bei ihrer Einweihung für die Olympischen Spiele 1936 war es der US-Amerikaner Jesse Owens, der sich als erster in das noch jungfräuliche Gästebuch des Stadions eintrug, indem er als erfolgreichster Athlet der Spiele vier Leichtathletik-Goldmedaillen mit nach Hause nahm. Gleichzeitig fand die neue Arena gleich unrühmlichen Eingang in die Weltgeschichte, als die NS-Propaganda sie als wirkungsvolle Kulisse für ihre massensuggestiven Filminszenierungen missbrauchte. Doch der Schatten, der aus dieser Zeit auf dem Bau lastete, wurde in der Folgezeit von vielen positiven Ereignissen überstrahlt.

 

Denn auch nach Ende des Dritten Reiches bildete das Berliner Olympiastadion immer wieder eine Stätte für die deutsche und internationale Sportgeschichte, vor allem für den Fußball. 1974 begann die deutsche Elf unter Helmut Schön dort ihre letztlich vom Weltmeistertitel gekrönte Expedition mit einem 1:0-Erfolg über Chile. Elf Jahre später etablierte sich die Hauptstadt als ständiger Gastgeber des DFB-Pokalfinales - seitdem ist das Olympiastadion jedes Jahr im Mai Anlaufpunkt für Zehntausende von Fußballfans. Im WM-Sommer von 2006 schließlich träumten seine Besucher stellvertretend für eine ganze Nation vom erneuten großen Wurf, als Jens Lehmann die entscheidenden Elfmeter der Argentinier parierte und das weite Rund in ein Tollhaus verzauberte. Nur Tage später krönte sich die italienische Elf im Endspiel gegen die Franzosen zum Titelträger - unvergessen bleibt der Abgang Zinedine Zidanes, dessen Karriere mit dem Platzverweis in der Verlängerung ihr unrühmliches Ende somit in der Spree-Metropole fand.
Auch die Leichtathletik-Historie ist auf ewig untrennbar mit der großen Schüssel der Bundeshauptstadt verwoben. Bei den Weltmeisterschaften von 2009 verwandelte sich die den Rasen umlaufende blaue Tartanbahn in die Zirkusmanege für eines der größten Sportereignisse der Neuzeit. Ein jamaikanischer Epigone von Jesse Owens lief der Konkurrenz mit Leichtigkeit meterweit davon und pulverisierte seine eigenen Bestleistungen in den Finals über 100m und 200m zu Sternenstaub - Usain Bolt machte sich spätestens in Berlin unsterblich.

 

Wer sich dem Olympiastadion heute zu Fuß von einer der beiden U-Bahn-Haltestellen aus nähert, wird zunächst überrascht sein, wie geschmeidig und elegant das Bauwerk auf den ersten Blick daherkommt. Lediglich ein wenig mehr als 16 Meter erhebt sich das auf 136 Pfeilern ruhende Betonrund aus dem Maifeld. Noch gestützt wird der Eindruck durch die seit 1974 teilweise errichtete und 2004 vollendete Dachkonstruktion, die dank 6.000 Quadratmetern Glasfläche und trickreicher Tragwerkgestaltung wie der Flügel einer bislang unentdeckten Insektenart wirkt. Erst der Blick durch das Marathontor - hier züngelten 1936 die Flammen des Olympischen Feuers - lässt den Besucher staunend aufblicken: Die Rasenfläche des Stadions liegt gut 15 Meter unter Erdniveau. Die bauliche Absenkung schafft auf den Tribünen damit Platz für bis zu 74.400 Zuschauer. Während diese Zahl dabei in Deutschland herausragend bleibt, nimmt sich das Olympiastadion im internationalen Größenvergleich bescheiden zurück: In punkto Zuschauerkapazität belegt es weltweit den 67. Rang. Spitzenreiter in dieser Disziplin ist überraschend Pjöngjang. Das "Stadion Erster Mai", benannt nach dem nordkoreanischen Nationalfeiertag, bietet 150.000 Besuchern Platz - doppelt so viel wie das Olympiastadion, das dafür seit seiner Entstehung geübt darin ist, Sportgeschichte zu schreiben.

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