10.03.2011 | 1. Mannschaft

Schuberts Sinfoniker ohne Solist

Der SC Paderborn im Porträt

Die ganz großen Namen fehlen im Aufgebot der Mannschaft aus Ostwestfalen - ihre Stärke bezieht sie daraus, mehr abrufen zu können als die Summe der einzelnen Teile. Nach dem Aufstieg 2009 spielte der SCP eine überraschend starke erste Saison im Unterhaus, ehe sich in dieser Spielzeit kleine Probleme einschlichen. Das eingeschworene Kollektiv vermisst schmerzlich einen Mann, der vorne verlässlich einlocht - und hat doch nicht zuletzt beim Hinrundenerfolg über die Berliner Hertha bewiesen, dass es ein gefährlicher Gegner ist.

André Schubert, 39, steckte wahrscheinlich noch mittendrin in seinem Sport- und Germanistikstudium an der Universität Kassel, als Bundestrainer Berti Vogts ein geradezu visionäres Bonmot prägte. 1996 war das, kurz vor der Europameisterschaft in England, und die Ära der Fußball-Götter hauchte gerade ihre letzten Atemzüge aus. Einzelkönner, Lichtgestalten, Legenden wie Cruyff, Beckenbauer oder Maradona hatten sie geprägt, und Vogts merkte als einer der Ersten, dass der Superstar eine bedrohte Art war, dass die Zukunft des Fußballs im Kampf der Systeme und Kollektive liege - eine Erkenntnis, die er zu seinem legendären Ausspruch "Der Star ist die Mannschaft" verdichtete.

 

Wenig später konnte Vogts seine Visitenkarten neu drucken lassen, ergänzt um den Schriftzug "Europameister", und auch wenn heute ein Lionel Messi oder ein Cristiano Ronaldo die Welt verzaubern, weiß André Schubert um die Richtigkeit der Worte des "Terriers" aus Büttgen. Mittlerweile arbeitet Schubert nämlich beim SC Paderborn 07 - nach englischem "manager"-Vorbild in Personalunion als Trainer und Sportlicher Leiter. Der Werdegang des drittjüngsten Trainers der Zweiten Liga entspricht der klassischen Genese der so oft kolportierten "neuen" Übungsleitergeneration. Sportstudium, offizielle Fußballlehrerausbildung, langjährige Erfahrung im Jugendbereich, Assistenztrainer in den DFB-U-Auswahlteams - und nun also die volle Verantwortung, die Schubert vor dem Endspurt der Saison 2008/2009 von Pavel Dotchev übernahm. Vier Siege später kehrte der SCP nach einjähriger Abstinenz in die Zweite Liga zurück.

 

Dort krempelten die Schützlinge des jungen Coaches so manchen Favoriten auf links und beendeten die Saison auf einem mehr als respektablen fünften Rang. Natürlich weckte das Begehrlichkeiten bei der Konkurrenz, und obwohl es gelang, einen Großteil des Stammes beisammenzuhalten, verließ mit dem 15-fach erfolgreichen Angreifer Mahir Saglik ein ausgewiesener Scharfschütze und gebürtiger Paderborner seine Heimatstadt, um in Bochum nach Gold zu schürfen. Edmond Kapllani, vor vier Jahren Aufstiegsgarant in Diensten des Karlsruher SC, trat in die Fußstapfen des Türken und war auch an einem Viertel der Treffer in den bisherigen Partien direkt beteiligt - ehe ihn ein Kreuzbandriss in der Partie gegen seinen Ex-Klub bis Saisonende ausschaltete. Nun drückt gerade in der Offensive mächtig der Schuh, erst 24 Mal durften Paderborner Schützen in dieser Spielzeit ihre Jubelchoreografien vorführen. Demgegenüber allerdings sind 35 Gegentreffer im Vergleich zu den benachbarten Mannschaften bereits ein vorzeigbarer Wert, der noch einmal an Strahlkraft hinzugewinnt, wenn man sich vor Augen führt, dass allein neun davon in zwei unerklärlichen Ausfällen gegen Fürth und Cottbus hingenommen werden mussten. Ansonsten stand bereits neun Mal die berühmte "Null". Die Stärken der Mannschaft sind offenbar dort zu verorten, wo auch Fortuna Düsseldorf glänzen kann. Schuberts zeitgemäßer Ansatz lautet, aus einer kompakten Defensive heraus das schnelle und schnörkellose Umschalten zu forcieren.

 

Eines der neun Zu-Null-Spiele gelang übrigens im Hinspiel gegen den heutigen Gastgeber, das Team von Norbert Meier. Erst einmal verloren die Rot-Weißen einen Heimvergleich mit dem SCP, 2008 war das, als man nach 1:0-Führung noch vier Mal eingeschenkt bekam - aber selbst, wenn ein ähnlicher Paukenhieb gegen die enorm heimstarke Fortuna dieses Mal nicht gelänge, sollten die Orchestermitglieder von André Schubert auch ohne Startenor im Restprogramm genug Qualität auf den Platz bringen, um auch nächstes Jahr wieder im Konzert der Zweitligisten die Instrumente in die Hand nehmen zu dürfen. Der Star ist eben auch an der Lippe die Mannschaft.

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