"Zwietracht Zankfurt" ist Vergangenheit
Die neuen Gegner der 2. Liga
In einer kurzen Reihe stellt unsere Redaktion in den nächsten Tagen die fünf Neulinge in der Zweiten Liga vor. Den Anfang macht heute die Mannschaft, die einen Adler nicht nur auf der Brust, sondern auch als Maskottchen hat: Eintracht Frankfurt. Heribert Bruchhagen gilt als gewissenhafter Mensch, als einer, der selten den zweiten Schritt vor dem ersten macht. Mit dieser Arbeitsweise hat sich der Manager von Eintracht Frankfurt in den vergangenen Jahren einen guten Ruf erarbeitet - zunächst als Sanierer, dann als umsichtiger Schaffer professioneller Strukturen, zuletzt als Gegenentwurf zu all den Entscheidungsträgern, die den Finger allzu schnell am roten Knopf für den Schleudersitz des Trainers haben. Umso erstaunlicher - und bitterer - , dass ausgerechnet Bruchhagen im Januar 2011 ein Interview gab, das ihm derzeit vor allem in den sozialen Netzwerken mit einer Mischung aus Spott, Schadenfreude und Mitleid um die Ohren gewatscht wird. Dabei ist es vor allem sein Verdienst, dass "Zwietracht Zankfurt" längst Vergangenheit ist.
"Wir sind Siebter, und es wäre dumm, wenn wir nicht versuchen würden, Fünfter zu werden. Absteigen können wir nicht mehr. Wir müssen die Gunst der Stunde nutzen", das forderte der Inbegriff der Besonnenheit nach einer sehenswerten Hinrunde, und es kam bekanntlich anders: nur noch acht (!) Punkte sammelte die Eintracht nach dem Interview. Da konnte nicht einmal mehr Zampano Christoph Daum gegensteuern. Gerade dessen spektakuläre Verpflichtung Ende März hatte angesichts der Bedachtheit, mit der Bruchhagen den Verein sonst zu führen gewusst hatte, erstaunt. Der erhoffte "Daum-Effekt" blieb fatalerweise aus. Zwanzig Jahre nach seinem erfrischend unverschämten Auftritt im Sportstudio und zehn Jahre nach seinem Waterloo in Unterhaching war der einstige Beinahe-Bundestrainer nur noch ein Abziehbild des früheren Motivationsgurus, das sich in fruchtlosen Scharmützeln mit Journalisten abnutzte, während seine Schützlinge kopflos in den Abgrund stolperten. Die totgesagten Gladbacher rauschten fröhlich winkend noch an den Rot-Schwarzen vorbei, Magath rettete mal wieder die klinisch toten Wolfsburger vorm Exitus - und in Hessen fand man sich plötzlich auf Platz 17 wieder. Der jähe Absturz war Realität, dabei hatte man sich nach sechs Jahren ununterbrochener Bundesligazugehörigkeit wieder etabliert gefühlt im Kreise der Erstligisten.
Doch auch in der Stunde der größten Krise unterstrich man eine Qualität, die der einstigen "launischen Diva" in früheren Jahren mitunter abgegangen war. Zwar wurde der ein oder andere Stuhl verrückt, der große sportliche Ausverkauf blieb aber aus - und noch in der Woche nach Saisonschluss stellte man die Weichen auf den direkten Wiederaufstieg. Bruchhagen warb Bruno Hübner vom Ligakonkurrenten MSV Duisburg als Sportdirektor ab. Der wiederum machte gleich Nägel mit Köpfen, indem er mit Armin Veh einen Namen von einigem Branchenrenommée als neuen Oberbefehlshaber installierte. Der 50-Jährige nahm kürzlich beim HSV seinen Hut, weil er die unruhigen Arbeitsbedingungen im Spannungsfeld zwischen Aufsichtsrat, Vorstand und Medien als unerträglich empfand - und untermauerte damit seinen Ruf als Offensivgeist mit klaren Vorstellungen und konsequenter Linie. Als zweifellos größter Erfolg steht für Veh ein Meistertitel mit dem VfB Stuttgart zu Buche - eine Gemeinsamkeit, die er kurioserweise mit seinem schillernden Vorgänger Christoph Daum teilt.
Es war dies natürlich nicht die erste ergreifende Geschichte rund um die Eintracht, die nicht umsonst auf den Spitznamen "launische Diva" hört. Epische Erfolge pflastern den Weg der SGE ebenso wie Tragödien griechischen Ausmaßes. Als Gründungsmitglied 1963 in die Bundesligaära gestartet, gehörte das Team aus dem Riederwald zum festen Inventar der höchsten deutschen Spielklasse. Vier DFB-Pokaltitel, der UEFA-Cup 1980 sowie mehrere Nationalspieler von Hölzenbein bis Uwe Bein sind Zeugnis einer großen Zeit der Eintracht, die 1992 beinahe schnurstracks in den Olymp geführt hätte. Unter Dragoslav Stepanovic hatten formidable Spitzenkräfte wie Okocha, Yeboah und Möller mit ihrem "Fußball 2000" schon die Hand an der Schale. Es folgte ein Drama am letzten Spieltag, das wie eine Blaupause für spätere Waterloos von Bayer Leverkusen wirkt: Gegen die als Absteiger feststehenden Rostocker vergeigte man den Titel und musste mitansehen, wie die Schale noch nach Stuttgart wanderte. Vier Spielzeiten später rauschte man zum Ende einer gruseligen Saison gar durch bis ins Unterhaus. Die Eintracht durchlebte in der Folge einige wilde Jahre mit allem, was dazugehört: Aufstiege, Lizenzprobleme, erneute Abstiege, unnötige Pleiten ebenso wie einige Last-Minute-Kraftakte, die sich vor allem um die Jahrtausendwende häuften und deren Protagonisten Vereinsgeschichte schrieben. Sei es Jan-Age Fjörtoft, der im verrücktesten Finale der Ligageschichte 1999 nach einem Übersteiger Millimeter vorm Kaiserslauterer Torwart Reinke das 5:1 erzielte und damit den 1. FC Nürnberg in ein Tränenmeer trieb. Sei es Felix Magath, über den ebenjener Fjörtoft zwei Jahre später urteilte, er hätte sogar die Titanic gerettet - unter "Quälix'" harter Hand war die Eintracht nach furioser Rückrunde so gerade dem Untergang entgangen. Oder sei es Alexander Schur. Sein finaler Treffer im durchgeknallten 6:3-Hitchcock von 2003 gegen Reutlingen entschied das Fernduell um die Bundesliga per Torverhältnis noch zugunsten der Hessen - sieben Minuten zuvor, beim Stand von 3:3, schienen Jürgen Klopps Mainzer schon wie die sicheren Aufsteiger.
Im Jahre 2011 wird man es im Riederwald nicht unbedingt wieder auf ein derartiges Herzschlagfinale ankommen lassen wollen. Mit einem beachtlichen Etat, seit Jahren professionell gewachsenen Strukturen sowie erfahrenen Personen an den Schaltstellen gilt das Team von Armin Veh als großer Favorit auf den direkten Wiederaufstieg. Für die Zweite Liga wäre das freilich ein herber Verlust. Mit der Eintracht weiß man nämlich derzeit einen Traditionsverein in den Reihen, der an Klassefußballern ebenso reich ist wie an umwerfenden Geschichten - reichlich Grund zur Vorfreude also auf die Duelle mit den Hessen.