29.09.2011 | 1. Mannschaft

Kruppke und Kumbela - k.u.k. in Braunschweig

Kräuterlikör, Sensationstransfers - und die legendäre Schlacht von Braunschweig

Es war eines dieser Fußballspiele, nach denen Experten gerne zu Protokoll geben, dass wirklich alles drin gewesen sei. Am 10. Mai 2009 trafen Eintracht Braunschweig und Fortuna Düsseldorf am 35. Spieltag der Dritten Liga aufeinander. In einer denkwürdigen Begegnung schenkten sich beide Teams nichts das Geringste, es entwickelte sich ein Wechselspiel, das seinesgleichen sucht. Der Zwischenstand wand sich über die gesamte Spielzeit hinweg wie eine Schlange. Am Ende blickten 14.500 Zuschauer ungläubig auf die Anzeigetafel des Stadions an der Hamburger Straße. 5:5 leuchtete es von dort herab. Die Geschichte in Zahlen: Fünf Tore auf jeder Seite, vier Strafstöße, drei davon gegen die Fortuna, zwei hielt Melka - und eine Minute vor Abpfiff fiel der Ausgleich für die Braunschweiger. Mehr als zwei Jahre nach dem Spiel für die Ewigkeit kommt es eine Liga höher am Tag der deutschen Einheit (Montag, 3. Oktober, 20.15 Uhr, Eintracht-Stadion) zum Wiedersehen der beiden Traditionsvereine.

Bereits sechs Spieltage vor Saisonende brachte der Turn- und Sportverein aus der zweitgrößten Stadt Niedersachsens nämlich seine Rückkehr in die Zweite Liga unter Dach und Fach und lief letztlich mit zwanzig Zählern Vorsprung auf den ersten Nichtaufstiegsrang ein. Besonderes Faustpfand war - neben der sportlichen Substanz, die Trainer Torsten Lieberknecht in den vergangenen Jahren behutsam zusammengestellt hat - wieder einmal die beeindruckende Heimstärke vor der traditionell tollen Kulisse in Gelb und Blau. 16 Siege aus 19 Spielen - das erinnert doch glatt an die Düsseldorfer Fortuna, die in den eigenen vier Wänden bekanntlich ähnlich aufzutrumpfen vermag. Eine Verpflichtung aus der Vergangenheit gewissermaßen, denn ein Blick in die Geschichte der beiden im Jahr 1895 gegründeten Traditionsvereine verrät, dass in ihren 41 Aufeinandertreffen nur sechs Mal das Auswärtsteam die Oberhand behielt.

 

Die Wucht vor eigenem Publikum hat die Eintracht offenbar in die nächsthöhere Klasse mitnehmen können. Lediglich der "anderen" Eintracht aus Frankfurt gelang es bisher, die optimale Punkteausbeute aus Niedersachsen zu entführen. Andere Hochkaräter wie die Münchner Löwen, St. Pauli oder auch Energie Cottbus traten mit gänzlich leeren Händen die Heimreise an. Der Abgang von Karim Bellarabi, dem 20 Jahre alten Flügelwunder, das nach 23 Scorerpunkten (darunter 15 Assists) in der Aufstiegssaison dem Werben von Bayer Leverkusen erlegen war, konnte dabei offenbar aufgefangen werden. Denn Nico Zimmermann, der vor der Spielzeit den Sprung aus Saarbrücken nach Braunschweig gewagt hatte, legte bereits fünf Mal einem gelb-blau gewandeten Mitspieler zum Torerfolg auf. Das unberechenbare Angriffsduo, gebildet von Bundesligaveteran Dennis Kruppke und Dominick Kumbela, ein "k.u.k.-Sturm" also, profitierte dabei je zweimal von Zimmermanns Künsten. Insgesamt 35 Mal sagten die beiden schon in der Vorsaison artig Dankeschön und legten zusammen im Gegenzug gleich noch 19 Treffer für die Kameraden auf. Und auch in Liga Zwei gehen bereits wieder acht Jubelchoreografien auf das Konto des flotten Zweigestirns.

 

Es sind dies natürlich, ungeachtet aller Euphorie um den aktuellen Platz 5, andere Zeiten als noch in den 60er und 70er Jahren. Wer in dieser Zeit aufwuchs, für den ist Eintracht Braunschweig auch heute noch ein Inbegriff von Bundesligafußball. Die Blau-Gelben waren dabei, als die Beletage 1963 aus der Taufe gehoben wurde, und feierten vier Jahre später gleich den ersten Titel. Nur Sekunden trennten die Braunschweiger im folgenden Europapokal der Landesmeister vom Einzug ins Halbfinale, ehe Juventus Turin per Elfmeter das Hinspielergebnis egalisierte und ein Wiederholungsspiel erzwang, das die Italiener dann in Bern knapp für sich entschieden. Wiederum vier Jahre darauf folgte gleich das schwärzeste Kapitel der Vereinsgeschichte, als publik wurde, dass mehrere Eintracht-Akteure - unter ihnen Kapitän und Nationalspieler Lothar Ulsaß - bis zum Hals in den Bundesliga-Bestechungsskandal verwickelt waren. Dem wenig später unvermeidlichen Abstieg folgte gegen Ende der Siebziger eine kurze Blüte unter Branko Zebec, und es ist beinahe zynisch, dass ausgerechnet in die Ägide des begnadeten, aber schwer alkoholkranken Weltklassetrainers ein Novum in der Bundesliga fallen sollte. Fortan prangte nämlich der unverkennbare Hirsch der Firma Jägermeister auf der Brust von Eintracht Braunschweig - die Trikotwerbung war erfunden. Ein ähnlicher PR-Coup gelang 1977 mit der damals sensationellen Verpflichtung eines Weltmeisters: Kein Geringerer als Paul Breitner wechselte von den "Königlichen" aus der Weltstadt Madrid ins beschauliche "Brunswiek". Eine Ära prägte er nicht mehr mit, vielmehr entwickelte sich der Turn- und Sportverein zu einer Art frühen Fahrstuhlmannschaft, die 1985 abermals den Weg ins Unterhaus nehmen musste und seither nicht mehr in die Eliteliga zurückzukehren vermochte. 2006/2007 stellte man gar einen zweifelhaften Rekord auf, als man innerhalb einer einzigen Saison nicht weniger als fünf Übungsleiter verschliss und am Ende doch in die Regionalliga abrutschte.

 

Umso mehr freut sich der Fußballfreund auf das Wiedersehen zwischen Düsseldorf und Braunschweig, das dieses Mal gar das Spitzenspiel der 2. Bundesliga darstellt. Erwarten dürfen sie allemal eine packende Partie am Tag der Deutschen Einheit. Es muss ja nicht gleich wieder ein 5:5 sein, wie damals im Mai 2009, bei einem dieser Spiele, in denen einfach alles drin ist.

 

Foto: Eintracht Braunschweig

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