Hochklassiger Fußball vor leeren Rängen
Das Nachholspiel der Zwoten gegen die U23 von Borussia Mönchengladbach war einmal mehr zeitgleich mit dem Spiel der Ersten Mannschaft beim MSV Duisburg terminiert. Das hatte die üblichen Folgen, denn zieht man Ordner, Polizeikräfte, Spielerbeobachter, Familienmitglieder, Getränkeverkäufer und Mitarbeiter des Funktionsteams ab, hatten genau 55 zahlende Zuschauer ihren Weg in das Paul-Janes-Stadion gefunden. Diese mussten ihr Kommen allerdings nicht bereuen, denn ihnen wurde von zwei technisch versierten Mannschaften ein hochklassiges Regionalligaspiel mit vielen Toren geboten, das bis zur letzten Sekunde umkämpft und hochspannend war.
Zwote-Trainer Taskin Aksoy hatte seine Mannschaft wieder einmal auf einigen Positionen umgebaut. Den Posten des etatmäßigen Mittelstürmers Kemal Rüzgar, der in den Profikader abgestellt worden war, übernahm der normalerweise im offensiven Mittelfeld spielende Hendrik Lohmar, der seine neue Rolle als hängende Sturmspitze, flankiert von den ebenfalls bärenstarken Tugrul Erat und Rafael Garcia, mit einer herausragenden Leistung ausfüllte. Anders als gewohnt spielte Nazim Sangaré auf der rechten Seite zunächst hinter statt vor Erat. Doch beide Spieler wechselten gemeinsam mit Marvin Ajani ständig ihre Positionen, so dass Sangaré, der einmal mehr eine glänzende Leistung ablieferte, auch seine Offensivkraft wirkungsvoll einsetzen konnte. Es ist bemerkenswert, wie sich das von Alemannia Aachen stammende Trio – Sangaré, Garcia und Ajani – seit seinem Wechsel zur Zwoten weiterentwickelt hat und zu einem unentbehrlichen Mannschaftsgerüst geworden ist.
Dass der Tabellenzweite aus Mönchengladbach, der seine letzten Chancen auf die Meisterschaft und Relegation zum Aufstieg in die 3. Liga natürlich noch wahren wollte, keine Laufkundschaft, sondern ein sehr schwerer Gegner sein würde, war kein Geheimnis und sollte sich im weiteren Verlauf der Begegnung mehr als einmal auch bestätigen. Die Fortunen traten mit dem Anpfiff aber selbstbewusst auf und hatten nach einer kurzen Abtastphase auch die erste vielversprechende Situation. Lohmar spielte einen Steilpass auf Erat (11.), doch VfL-Torwart Moritz Nicolas war einen Tick schneller am Ball. Bereits im Gegenzug (12.) wäre Marlon Ritter, dem Top-Torjäger der Liga, mit einem Distanzschuss fast die Gästeführung gelungen, aber Tim Wiesner hatte, wie sich später noch deutlicher herausstellen sollte, einen Sahnetag erwischt und lenkte den Ball mit einer Glanzparade über die Latte. Das Spiel nahm immer mehr Fahrt auf, denn beide Mannschaften stellten das gegenseitige Belauern ein und versuchten mit schnellen Ballkombinationen zum Erfolg zu kommen. Da die Abwehr der Flingeraner, anders als noch im letzten Spiel in Aachen, wieder zu ihrer gewohnten Souveränität gefunden hatte, und auch die Defensive der Gäste sicher stand, verlagerte sich das Spiel für einige Zeit vermehrt ins Mittelfeld. Die Wende (22.) kam mit einem Querpass von Lohmar auf Sangaré, der diesen sicher zur Führung verwertete. Die Fortunen setzten nach diesem Treffer nach und stellten mit ihrem Pressing die Gäste vor einige Probleme. Erat, der in diesem Spiel gefühlte einhundert schnelle Sprints auf den Rasen legte, setzte Nicolas ständig unter Druck, und die Innenverteidigung mit Robin Bormuth und Leander Goralski leiteten mit ihren in der Mehrzahl gewonnenen Kopfballduellen immer wieder neue Angriffe ein. Eine Traumkombination des „Aachener Trios“ (40.) führte schließlich zum nächsten Erfolg. Sangaré ließ ein Zuspiel von Lohmar instinktiv weiterlaufen zu Ajani, dieser spielte einen weiten Pass über das gesamte Spielfeld auf die linke Seite zu Garcia, der mit einem Schuss in das lange untere Toreck das 2:0 markierte. Leider wurde das Spiel kurz vor dem Halbzeitpfiff von einer Verletzung von Guiseppe Pisano überschattet. Der Torjäger der Gäste stürzte bei einem Zweikampf unglücklich auf die Schulter und musste ins Krankenhaus transportiert werden. Die besten Genesungswünsche auch von dieser Stelle aus.
Im zweiten Durchgang musste Goralski aufgrund einer Prellung an der rechten Wade passen. Für ihn kam Kaan Akca, der die Position von Tobias Lippold im Mittelfeld übernahm. Lippold rückte dafür in die Innenverteidigung. Natürlich würden die Gäste im zweiten Durchgang auf ihren Rückstand reagieren müssen, und es stellte sich die Frage, ob die Zuschauer auch weiterhin ein attraktives und unterhaltsames Fußballspiel oder ein reines Kampfspiel erleben würden. Wie sich herausstellen sollte, wurde ihnen beides geboten. Die ersten zehn Minuten nach dem Wiederanpfiff waren die Borussen eindeutig präsenter und attackierten vehement die noch etwas unsortiert wirkenden Flingeraner. Ein leichtsinniger Ballverlust der Fortunen im Spielaufbau (50.) leitete einen Konter der Jungfohlen ein, den Mario Rodriguez mit einer Bogenlampe aus vollem Lauf zum Anschlusstreffer nutzte. Doch die Zwote fand umgehend die richtige Antwort. Nach einem Traumpass von Lohmar auf Erat spurtete dieser völlig frei aus dem rechten Halbfeld in den Strafraum und stellte mit einem Flachschuss ins lange Eck den alten Abstand wieder her. Dieser Treffer brachte die Zwote wieder in die richtige Spur. Es folgte eine Phase, in der sie ihren Gegner phasenweise an die Wand spielte. Eine gelungene Kombination folgte der nächsten, doch mitten in diesem Lauf gelang den Gästen der erneute Anschlusstreffer. Nach einem fragwürdigen Foul von Sangaré verwandelte Ritter (66.) den verhängten Freistoß aus rund zwanzig Metern direkt und unhaltbar zum 3:2. Dieses Tor gab den Mönchengladbachern noch einmal Auftrieb, den sie in eine Serie von Angriffen umsetzten. Die Partie wurde nun zu einem intensiv geführten Kampfspiel, in dem beide Mannschaften mit offenem Visier auf Sieg spielten. In den letzten fünfzehn Minuten geriet die Zwote immer mehr unter Dauerdruck, und ab der 80. Minute ist es Tim Wiesner zu verdanken, dass die Fortunen die drei Punkte über die Ziellinie retteten. Der Torwart der Zwoten blockte mit unglaublich schnellen Reaktionen eine Serie von stärksten Schüssen aus kürzesten Distanzen aus allen Lagen ab. Die lautstark von Kapitän Christian Weber dirigierten Fortunen fuhren aber hin und wieder auch gefährliche Entlastungsangriffe, und schließlich gelang ihnen nach einem spiel- und kampfstarken Spiel ein Sieg, auf den sie mit Recht stolz sein können. Mit nun 53 Punkten stellten sie außerdem bereits vorzeitig einen neuen Rekord auf, der bisher bei 50 Punkten (Saison 2013/14) lag. Die 55 Zuschauer hatten ein Spiel gesehen, das durch seine Spannung in einem vollbesetzten Stadion niemanden auf den Plätzen gehalten und zu lauten Anfeuerungs- und Jubelstürmen geführt hätte. Es ist schwer nachvollziehbar, dass ein hochklassiges Spiel der vierthöchsten Liga in Deutschland aufgrund einer Terminansetzung, die einen regen Besuch so gut wie ausschließt, quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. (RR)
VfL-Trainer Arie van Lent: „Wir waren anfangs sehr passiv und sind verdient in Rückstand gegangen. Eigentlich hatten wir einen anderen Plan, aber wir haben kaum die zweiten Bälle erobert und sind schlampig mit unseren Möglichkeiten umgegangen. Man muss ganz klar sagen, dass die Führung der Düsseldorfer nach der ersten Spielhälfte absolut verdient war. In der zweiten Hälfte war bei und auch nicht alles optimal und teilweise chaotisch, aber nach dem schnellen Anschlusstreffer wollten wir unbedingt den Ausgleich und fangen den dritten Treffer. Nach dem erneuten Anschluss hatten wir noch genug Chancen, auch den Ausgleich zu machen. Ich weiß nicht, ob es verdient gewesen wäre, weil bei unseren Chancen auch einige Hochkaräter dabei waren. Aber über das gesamte Spiel betrachtet waren wir nicht so strukturiert und haben dadurch viele Fehler gemacht. Daher muss man sagen, dass uns Düsseldorf in diesem Punkt voraus war.“
Spiele der Teams
Aufstellung:
Fortuna Düsseldorf U23
WiesnerAjaniGoralski (46. Akca)BormuthWeber (C)SangaréLippoldKinjo (85. Roeber)GarciaLohmarErat
Gelbe Karten
Weber, Lippold, Sangaré, AkcaTrainer
Taskin Aksoy
Borussia Mönchengladbach U23
NicolasLenzKnippingLieder (46. Egbo)RitterSowSezerPisano (C, 45.+1 Rodriguez)KrausRütten (62. Mohr)Stang
Gelbe Karten
StangTrainer
Arie van Lent
Stadion:
Paul-Janes-Stadion
Zuschauer
55
Schiedsrichter
Alexander Busse