Ernst Albrecht
Ein waschechter Flingeraner wird zum ersten Nationalspieler Fortunas
Wenn von Ikonen und wahren Legenden der Fortuna die Rede ist, darf in der Aufzählung ein Mann nicht fehlen, der mit seinem kreativen Spiel auf dem Platz und als herausragende Identifikationsfigur als Mitbegründer der goldenen Ära der 1930-er Jahre gilt. Er war maßgeblich daran beteiligt, dass die Flingeraner sich an die Spitze des Fußballs in Deutschland katapultierten. Nur gut eineinhalb Jahrzehnte nach Aufnahme in den Westdeutschen Spielverband 1913/1914 und Beginn in der C-Klasse, war die Fortuna neben Schalke 04 und dem 1. FC Nürnberg eine der festen Größen im Reich: Die Rede ist von Ernst Albrecht, gleichermaßen eine herausragende, aber auch in einer Hinsicht tragische Spielerpersönlichkeit bei der Fortuna.
Der Weg in die Ligamannschaft
Albrecht erblickte am 12. September 1907 im Düsseldorfer Stadtteil Flingern das Licht der Welt. Man schrieb das Jahr 1924, als er im Alter von gerade einmal 16 Jahren (!) in der Ligamannschaft - heute würde man Profis sagen - debütierte, sich aber zunächst noch nicht richtig durchsetzen konnte. Doch je älter er wurde, umso wertvoller sollte der schnelle und zuverlässige rechte Flügelstürmer werden, avancierte zum Stammspieler, galt als Dribbler par excellence und wurde so zu einer der tragenden Säulen der Mannschaft. Eine Rückschau beschrieb seinen Spielstil so: „Es gab für den schnellen Düsseldorfer kein Zurückdribbeln, kein Zögern, es gab nur eins - nach vorne in höchstem Tempo und trotzdem den Kopf klar zu halten und stets konzentriert das Richtige zu tun. Diese Vereinigung von Schwungkraft und Beherrschtheit kennzeichnen seinen schwer kopierbaren Stil.“ Da war er gerade einmal 20 Lenze jung und Bundestrainer Otto Nerz längst auf ihn aufmerksam geworden.
Der Weg in die Nationalelf
Kurzerhand wurde Albrecht von Nerz in die Schweiz eingeladen, wo das deutsche Team zur Vorbereitung auf das olympische Fußballturnier 1928 gegen die Eidgenossen in Bern antraten. Am 15. April streifte der Youngster zum ersten Mal und als erster Fortuna-Spieler überhaupt das weiße Trikot mit dem Adler über und führte sich vor 20.000 Besuchern glänzend ein. Keine Spur von Nervosität, kein Anflug von Lampenfieber, allerdings verletzte er sich und musste das Spielfeld verlassen - zunächst jedenfalls. Denn als der Fürther Georg Kießling ihn ersetzen sollte - Auswechslungen waren damals jedoch noch nicht erlaubt -, protestierten die Schweizer gegen die „Regelbeugung“. Also humpelte Albrecht zurück auf das Feld, worauf dem gelernten Schlosser ein kleines Wunder gelang, als er in der 61. Minute das zwischenzeitliche 3:0 aus deutscher Sicht erzielte. Die Partie endete mit 3:2-Sieg und in Erinnerung blieb sein sehenswertes Tor, bei dem angeblich selbst die Eidgenossen applaudiert haben sollen.
Nur vier Fortunen spielten häufiger für Deutschland
Mit dieser Leistung empfahl Albrecht sich auch für die Olympischen Spielen in Amsterdam. Doch das Turnier war für die Deutschen bereits nach zwei Spielen gegen die Schweiz und Uruguay beendet. Bis 1934 blieb er noch Stammspieler in der Nationalelf, ehe er, ausgerechnet kurz vor der Weltmeisterschaft in Italien, vom Augsburger Ernst Lehner verdrängt wurde. So blieb das Spiel am 11. März 1934 in Luxemburg (9:1) sein letztes Länderspiel. Er gehörte zwar noch zum WM-Aufgebot 1934, kam aber beim Turnier, bei dem die Deutschen den 3. Platz erreichten, in der Elf von Reichstrainer Nerz nicht mehr zum Einsatz. Insgesamt trug Albrecht 17 Mal das Trikot der Nationalmannschaft (vier Tore) und nimmt damit in der Fortuna-internen Statistik hinter Paul Janes (71 Spiele), Erich Juskowiak (31), Stanislav „Tau“ Kobierski (26) und Klaus Allofs (21) Rang fünf ein.
Fortunas größter Triumph - mit einem tragischen Helden
Am 11. Juni 1933 konnte Fortuna ihre bis heute einzige Meisterschaft und damit den größten Erfolg der Vereinsgeschichte erringen. Einer der Wegbereiter war Ernst Albrecht. Doch der Kapitän hatte sich ausgerechnet kurz vor dem Halbfinale am Knie verletzt und war auch am Tag des Titelgewinns zum Zuschauen verdammt. Sein „Ersatzmann“ Paul Mehl vertrat ihn hervorragend und bewies seine Qualitäten mit einem Tor im Halbfinale (beim 4:0 gegen Eintracht Frankfurt) sowie dem zweiten Treffer im Endspiel. So konnte Albrecht nach dem souveränen 3:0-Sieg im Müngersdorfer Stadion gegen den FC Schalke 04 umso mehr mit seinen Mannschaftskollegen feiern. In den folgenden Jahren wurde Fortuna - natürlich mit Albrecht - 1936 noch deutscher Vize-Meister und in der Saison darauf Vize-Pokalsieger. Außerdem gewannen die Fortunen mit ihrem Kapitän von 1936-40 die Meisterschaft in der Gauliga Niederrhein in Serie. 1937 schließlich stand Albrecht gemeinsam mit Paul Janes in der Elf, die den Reichsbundpokal der Niederrhein-Auswahl gegen Sachsen (2:1) gewann.
Ehre, wem Ehre gebührt
Auch wenn er beim Meisterschafts-Endspiel nicht mitgespielt hatte, gibt es kaum ein Foto, auf dem Albrecht nicht mit seinen Mitspielern samt der Siegestrophäe „Victoria“ abgelichtet wurde. Zu bedeutsam war seine Rolle auf dem Weg zur Deutschen Meisterschaft. Darüber hinaus gibt es viele weitere Gründe, warum er später unter anderem zum Ehrenmitglied ernannt wurde und für immer allen Fortunen in Erinnerung bleiben wird: Sein aufrechter und tadelloser Charakter. Seine Vorbildfunktion innerhalb des Teams und außerhalb des Platzes. Und nicht zuletzt die Tatsache, dass er von seinem Premierenspiel am 7. September 1924 an 21 Spielzeiten in Folge - unterbrochen lediglich durch die Kriegswirren - im Fortuna-Trikot gespielt hat. Mit 372 Pflichtspielen belegt er damit den 4. Platz in der Ewigen Bestenliste der Fortuna. Tatsächlich dürfte er aber wohl noch deutlich mehr Spiele für die Flingeraner absolviert haben, was anhand der Quellenlage heute jedoch nur äußerst schwer bis gar nicht mehr zuverlässig nachweisbar ist.
Nach seiner Zeit bei Fortuna
Über sein Karriereende gibt es unterschiedliche Angaben, doch mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs war auch die Zeit Ernst Albrechts bei Fortuna vorüber. Er war noch als (Spieler-)Trainer beim SC Viktoria 02, dem Polizei-Sportverein Düsseldorf sowie der Holzheimer SG tätig. Spätestens ab 1952 widmete er sich jedoch ausschließlich seiner Lotto-Toto-Annahmestelle in der Düsseldorfer Innenstadt. Die Fortuna fühlte sich ihrem Ehemaligen jedoch weiterhin verbunden, so dass ihm im Mai 1956 die Goldene Ehrennadel verliehen wurde - „in Anerkennung der grossen (sic!) Verdienste für den Verein, in der Zeit seiner langjährigen Mitgliedschaft und als erster Nationalspieler der Fortuna“. Zudem erhielt er die Ehrenmitgliedschaft.
Ernst Albrecht verstarb am 26. März 1976 im Alter von 68 Jahren.